Neue Regelungen zu Anordnungsrechten des Auftraggebers im neuen Bauvertragsrecht

Bislang sah das BGB-Werkvertragsrecht ein Anordnungsrecht des Auftraggebers nicht vor. Lediglich bei Einbeziehung der VOB/B in den Bauvertrag bestand regelmäßig die Möglichkeit des AG, Änderungen des Bauentwurfes vorzunehmen oder Zusatzleistungen anzuordnen.

In mittleren und größeren Bauprojekten wurde das Fehlen von Regelungen für Änderungsanordnungen des AG seit langer Zeit als praxisfern angesehen. Es kommt in der großen Anzahl der Bauprojekte zu Änderungs- und Zusatzleistungen, welche über den vertraglichen Grundumfang hinausgehen.

Diesem Umstand hat der Gesetzgeber im Rahmen des ab dem 01. Januar 2018 geltenden neuen Bauvertragsrechts Rechnung getragen und erstmalig Regelungen über Anordnungsrechte des AG aufgenommen (§§ 650 b und c BGB n.F.). Anders als nach dem Regelungskonzept der VOB/B besteht jedoch kein unmittelbares Anordnungsrecht des AG. Vielmehr muss der AN, wenn der AG eine Änderungsleistung verlangt, zunächst ein Angebot erstellen, über welches die Parteien verhandeln müssen. Die Pflicht zur Angebotsstellung besteht nicht, wenn die geänderte Leistung für den AN aufgrund des Inhaltes des Änderungsbegehrens, der Ausstattung des Betriebs oder der Qualifikation des AN in der Ausführung unzumutbar ist. Trägt der AG die Planungsverantwortung, besteht die Pflicht zur Stellung des Angebotes für den AN erst, wenn ihm eine entsprechende Planung für die Änderungsleistung vorgelegt wird.

Das Anordnungsrecht des AG entsteht erst nach 30 Tagen, wenn die Parteien innerhalb dieses Zeitraums nicht zu einer Einigung gelangt sind. Die Änderungsanordnung muss in Textform ergehen, d.h. sie muss lesbar und auf einem dauerhaften Datenträger speicherbar sein.

Die Vergütung für die geänderte Leistung richtet sich – anders als sonst im Werkvertragsrecht üblich - nicht mehr nach allgemein zu beurteilenden, ortsüblichen und angemessenen Kosten. Vielmehr soll der AN für die jeweilige Änderungsleistung die ihm entstehenden tatsächlich erforderlichen Kosten ausweisen und diese seinem Angebot zu Grunde legen. Zusätzlich stehen dem AN angemessene Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu.

Als äußerst problematisch stellt sich die Neuregelung dar, wonach dem AN generell kein Zusatzhonorar zustehen soll, wenn eine Nachtragsleistung notwendig wird und der AN die Planung innehatte (§ 650 c Abs.1 S. 2 BGB n.F.). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein planender Unternehmer in allen Fällen das Vergütungsrisiko für Nachtragsleistungen übernimmt. Regelmäßig war es jedoch bisher so, dass selbst wenn die Planung des AN unvollständig war und es aus diesem Grund zu ursprünglich nicht angebotenen Leistungen gekommen ist, diese natürlich zu vergüten waren. Es ist unverständlich, warum dies nach dem neuen Recht nicht mehr gelten sollte. Allenfalls in  Fällen von Pauschalverträgen, in welchen der AN gerade das Planungs- und Vergütungsrisiko übernommen hat, gilt entsprechend der vertraglichen Risikoübernahme, dass in der Planung vergessene Mehrleistungen ohne entsprechende Vergütung zu erbringen sind Es ist dringend erforderlich, dass die Rechtsprechung in der Auslegung des § 650 c Abs. 1 S. 2 BGB n.F. Korrekturen vornimmt. Ansonsten müsste sich der AN, welcher die Planung übernommen hat, zukünftig darauf einstellen, für Zusatzleistungen ohne Vergütung arbeiten zu müssen, um ein mangelfreies Werk abzuliefern. Dieses Ergebnis ist nicht nachvollziehbar.     

Es ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber erstmalig Regelungen zu Änderungsanordnungen in das BGB aufnimmt. Die konkrete Ausgestaltung des Anordnungsrechtes wirft jedoch viele Fragen auf. So bleibt es offen, ob die starre 30- Tages - Frist auch dann gelten soll, wenn eine Anordnung kurzfristig getroffen werden muss, beispielsweise um den Stillstand von Folgegewerken zu verhindern oder aufgrund von Gefahr in Verzug. Wenn beispielsweise im Rahmen von Dachdeckerarbeiten die Unterspannbahn nicht mit ausgeschrieben wurde und es daher zu Feuchtigkeitseintritten kommt, erscheint es nicht sachgerecht, den AG bei Uneinigkeit über das Nachtragsangebt des AN auf das Abwarten der 30-Tages-Frist zur Verhandlung über das Angebot des AN zu verweisen. Ohnehin scheint die 30-Tages-Frist unpraktikabel und zu lang. Hier wird die Rechtsprechung im Rahmen von Einzelfallentscheidungen gegensteuern müssen. Jedenfalls dann, wenn erkennbar wird, dass sich die Parteien nicht einigen oder der AN überhaupt kein Angebot stellt, muss der AG auch vor Ablauf der 30 Tage die Möglichkeit haben, Änderungsanordnungen zu treffen.

Auch hat der Gesetzgeber die bislang umstrittene Frage nicht geregelt, ob Beschleunigungsanordnungen getroffen werden können und unter welchen Umständen diese zulässig und für den AN verbindlich sein sollen.

Ergänzend zu den Änderungsanordnungsrechten hat der Gesetzgeber in § 650 d BGB (n.F.) den Weg zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung erleichtert. Bei Stellung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird der Verfügungsgrund zukünftig vermutet. Der Antragsteller muss somit nicht mehr glaubhaft machen, dass der Antrag eilbedürftig ist. Hieran ist in der Vergangenheit der Großteil derartiger Anträge gescheitert. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die Vertragsparteien des Bauvertrages in Zukunft von dem Rechtsinstitut der einstweiligen Verfügung zur vorläufigen Entscheidung von Fragen im Zusammenhang mit den Änderungsanordnungsrechten Gebrauch machen.


Ulrich Zimmermann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
6. Februar 2018

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