Referentenentwurf zur Reform des Bauvertragsrechts und zur kaufrechtlichen Mängelhaftung liegt vor

Unter dem 24. September 2015 veröffentlichte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz seinen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung.

Der Referentenentwurf greift im Wesentlichen die Problematik auf, dass das BGB-Werkvertragsrecht im Hinblick auf die unterschiedlichen möglichen Vertragsgegenstände eines Werkvertrages nur sehr allgemein gehalten ist und zu typischen Problemstellungen in komplexen, auf längere Zeit angelegten Bauverträgen keine hinreichenden Vorgaben gibt. Aus diesem Grund besteht für Parteien eines Bauvertrages stets das Bedürfnis, wichtige Fragen in der Abwicklung des Bauprojektes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen zu regeln. Weiterhin müssen sich die Parteien eines Bauvertrages bislang in ganz zentralen Fragen auf für den Laien kaum zu überschauende obergerichtliche Rechtsprechung verlassen.

Für auf längere Dauer angelegte Bauverträge sollen insbesondere folgende Änderungen klarere gesetzliche Vorgaben schaffen:

Der Unternehmer soll bei Herbeiführung der Abnahmewirkung unterstützt werden. Verlangt er zukünftig die Abnahme seiner Leistungen, soll die Abnahmewirkung nach Ablauf angemessener  Frist eintreten, wenn der Besteller die Abnahme nicht unter Benennung konkreter Mängel verweigert. Hierdurch soll eine rechtsmissbräuchliche Verweigerung der Abnahme unter pauschaler Berufung auf nicht näher bezeichnete Mängel durch den Besteller verhindert werden. Der Besteller wird daher zukünftig innerhalb angemessener Frist detailliert Mängel bezeichnen müssen, um die Abnahme wirksam zu verweigern.

Das bislang ausschließlich auf Richterrecht beruhende außerordentliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund, welches aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage im Werkvertragsrecht regelmäßig in länger andauernden Bauprojekten vertraglich vereinbart wird, soll im BGB-Werkvertragsrecht verankert werden. Ob die Voraussetzungen eines Kündigungsrechts aus wichtigem Grunde vorliegen, wird auch in Zukunft von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Kündigungsgründe dürften insbesondere in fehlender Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Auftragnehmers zu sehen sein, welche regelmäßig bei Insolvenz des Vertragspartners vorliegen dürften.

Der Entwurf sieht weiterhin die Pflicht zur gemeinsamen Leistungsfeststellung der Vertragsparteien nach Kündigung vor, um späteren Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Qualität und Quantität der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen vorzubeugen. Es bleibt dabei, dass im Falle der Kündigung aus wichtigem Grund der Unternehmer ausschließlich die tatsächlich erbrachten mängelfreien Leistungen bis zur Kündigung vergütet verlangen kann.

Außerdem soll auch beim BGB-Werkvertrag ein Anordnungsrecht des Auftraggebers von geänderten oder zusätzlichen Leistungen festgeschrieben und Regelungen zur Preisanpassung bei Mehr- oder Minderleistungen getroffen werden.

Weiterhin sieht der Gesetzesentwurf Vorschläge für Spezialregelungen für Verbraucherbauverträge vor, insbesondere die Pflicht des Unternehmers, eine sodann verbindliche Baubeschreibung vorzulegen, weiterhin die Pflicht zur Vereinbarung einer festen Bauzeit, ein Widerrufsrecht des Verbrauchers sowie eine Begrenzung der Höhe von Abschlagszahlungen. 

Darüber hinaus sind erstmalig im BGB Sonderregelungen für Architekten- und Ingenieurverträge sowie Bauträgerverträge vorgesehen.

Weiterhin sieht der Referentenentwurf eine Stärkung der Rechtsstellung des Bauunternehmers im sogenannten B2B-Geschäft vor. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 16.06.2011 – C 65/09 und C 87/09) sowie des BGH (Urt. v. 21.12.2011, VII ZR 70/08) ist der Bauunternehmer im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber einem Verbraucher verpflichtet, eine in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und eine neue, mangelfreie Sache wieder einzubauen und die Kosten für Aus- und Wiedereinbau zu tragen. Der Bauunternehmer kann seinerseits seinen Lieferanten hierfür jedoch grundsätzlich nicht in vollem Umfang in Regress nehmen. Nach dem Referentenentwurf soll daher zukünftig nicht nur in Endkundengeschäften, sondern auch in Geschäften zwischen Unternehmern, d.h. zwischen Bauunternehmer und Lieferant (B2B), ein Ersatzanspruch für Aus- und Wiedereinbaukosten in Fällen der Lieferung und des Verbaus von mangelhaftem Baumaterial bestehen. 

Der komplette Referentenentwurf kann online unter www.bmjv.de abgerufen werden (Bearbeitungsstand 10. September 2015).

Ulrich Zimmermann
Rechtsanwalt
24. November 2015

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Keine Verpflichtung zur Veröffentlichung der Bewertungsmatrix bei Ausschreibung eines Kehrbezirkes

Das OVG Lüneburg hat mit einem Beschluss vom 01.07.2015 (Az.: 8 LA 174/14) die Anforderungen, welche im Hinblick auf die Transparenz des Bewerbungsverfahrens um einen Kehrbezirk an die Ausschreibung zu stellen sind, dahingehend konkretisiert, dass die Behörde die Bewerber um die Position des bevollmächtigten Bezirkschornsteinfegers zwar mit der Ausschreibung über die Kriterien informieren muss, anhand welcher die Auswahlentscheidung getroffen werden soll. Die Behörde ist jedoch nicht dazu verpflichtet ist, die Bewertungsmatrix, aus welcher sich die jeweilige Gewichtung der Beurteilungsmerkmale (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) ergibt, den Bewerbern zuvor bekannt zu geben.


Nach dem OVG Lüneburg führt der Verzicht auf eine Veröffentlichung der Bewertungsmatrix bei Ausschreibung des Kehrbezirkes nicht zu einem formellen Verfahrensfehler, wenn allen potentiellen Bewerbern die Kriterien, auf die im Rahmen der Auswahlentscheidung abgestellt werden soll, auf andere Weise so rechtzeitig bekannt gemacht werden, dass diese sich darauf einstellen und ihre Bewerbung darauf ausrichten können. Ausreichend sei es, wenn der Ausschreibung des Kehrbezirkes zu entnehmen ist, dass die Bewerber zum Nachweis der gesetzlich bestimmten Auswahlkriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung nicht nur Zeugnis über Gesellen- und Meisterprüfung mit entsprechenden Noten, sondern auch Nachweise über Zusatzqualifikationen wie Betriebswirt des Handwerks, Gebäudeener-gieberater, abgeschlossenes Hochschulstudium (jeweils mit Noten) sowie Nachweise über berufsspezifische, produktneutrale Fort- und Weiterbildungen für jedes der letzten 7 Jahre vor Veröffentlichung der Ausschreibung vorzulegen haben. Anhand der geforderten Unterlagen könne jeder Bewerber erkennen, auf welche Kriterien die Behörde bei der Vergabe abstellen wird. Nach dem OVG Lüneburg ist es nicht erforderlich, dass die Behörde darüber hinaus auch die konkrete Gewichtung der einzelnen Leistungs-, Befähigungs-, und Eignungsmerkmale vorab mitteilt, da durch die Verfahrensgestaltung lediglich sichergestellt werden soll, dass sich alle potentiellen Bewerber bei ihrer Bewerbung auf die mitgeteilten Anforderungen einstellen und hinreichend darlegen und nachweisen können, inwieweit sie die Leistungskriterien erfüllen. Nicht erforderlich sei es, dass der Bewerber die Auswahlentscheidung vorab „errechnen“ kann.

Dr. Tobias Junker
Rechtsanwalt 
 

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Gemeinsames Wohneigentum von Eheleuten in der Pflichtteilsberechnung

Gerade wenn Eheleute gemeinsam Eigentümer einer Immobilie sind, setzen sie sich häufig gegenseitig zu ihren alleinigen Erben ein, um dem überlebenden Ehegatten eine Teilung der gemeinsamen Immobilie nach dem Tod des Erstversterbenden zu ersparen. Hat der Erblasser Kinder, sind diese mit der Alleinerbeneinsetzung des Ehegatten im Umkehrschluss enterbt. Ihnen stehen daher Pflichtteilsansprüche zu.  Über die Frage, wie der Pflichtteilsanspruch der Kinder in diesen Fällen bzgl. des vererbten Miteigentumsanteils an der Immobilie zu ermitteln ist, hatte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.05.2015 (IV ZR 138/14) zu entscheiden.

Kurz allgemein zum Pflichtteil…

Bei dem Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen reinen Geldanspruch, der sich gegen den Erben richtet. Er beläuft sich auf die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

…und zur Ermittlung des Nachlasswertes…

Um den Pflichtteilsanspruch beziffern zu können, muss daher zunächst der Wert des Nachlasses ermittelt werden. Grundsätzlich sind dafür nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof die Werte maßgeblich, die der Erblasser selbst im Falle einer Veräußerung eines Vermögenswertes am Todestag als Kaufpreis hätte erzielen können.

Problematik der Bewertung eines Miteigentumsanteils

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde in der juristischen Literatur bisher überwiegend vertreten, ein Miteigentumsanteil an einer Immobilie könne nicht einfach mit der Hälfte ihres Verkaufswertes zum Ansatz gebracht werden. Vielmehr sei aufgrund der faktischen Unverkäuflichkeit des Miteigentumsanteils als solchem ein ganz erheblicher Wertabschlag für die Pflichtteilsberechnung zu machen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Dem ist der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 13.05.2015 (IV ZR 138/14) nun für den Fall, dass der überlebende Miteigentümer der Immobilie zugleich der Alleinerbe des anderen ist, entgegengetreten. Jedenfalls in diesen Fällen sei der hälftige Verkaufswert der Gesamtimmobilie der Pflichtteilsberechnung zugrunde zu legen. Das ist praktisch gedacht, da einer freien Veräußerung der Gesamtimmobilie durch den Alleinerben in diesen Fällen nichts entgegen steht. Ein Abschlag wegen der Unveräußerlichkeit eines Miteigentumsanteils kommt danach nur noch  in den Fällen in Betracht, in denen Alleinerbe und Miteigentümer nicht identisch sind.

Dr. Susanne Sachs
Rechtsanwältin
9. November 2015
 

 

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Mein Bild gehört mir!

Die Nutzung von Bildern und Videoaufnahmen von Arbeitnehmern durch das Unternehmen

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ – getreu diesem so einprägsamen wie richtigen Mantra des Marketings versuchen Unternehmen, positive Informationen über ihre Leistungen und Werte durch Fotografien und Videoclips zu transportieren. Vom Handwerksbetrieb bis zum internationalen Konzern wird umfänglich bebildert – meist aufgelockert oder versinnbildlicht durch Personen. Wenn es sich dabei aus Kostengründen oder der größeren Authentizität wegen um eigene Mitarbeiter handelt, stellt sich für den Arbeitgeber die Frage: Darf ich Fotos und Aufnahmen von Mitarbeitern verwenden? Und wenn ja, wie lange?

Das BAG hat in zwei grundlegenden Entscheidungen (BAG, Urt. V. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13 und BAG, Urt. V. 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13) die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber (AG) und Arbeitnehmer (AN) aufgearbeitet. Kern der Entscheidungen ist, unter welchen Bedingungen dem Arbeitgeber die Nutzung von Bildmaterial, auf dem AN abgebildet sind, überhaupt gestattet ist und ob eine berechtigte Nutzung von dem Arbeitnehmer später widerrufen werden kann.

In beiden Fällen hatte der AG eine Namensliste herumgereicht, auf dem sich auch die späteren Kläger durch Unterschrift mit der Nutzung eines Videos auf der Unternehmenshomepage einverstanden erklärt hatten. Die AN waren in einzelnen Bildsequenzen für wenige Sekunden erkennbar. Beide Mitarbeiter klagten nach ihrem Ausscheiden und dem erfolglosen Widerruf der Nutzung gegen den AG auf Unterlassung und Schadensersatz. Das BAG hat die vorangegangenen Entscheidungen des LAG Rheinland-Pfalz bestätigt und beide Klagen abgewiesen.

Die Entscheidungsgründe:

Das BAG stellt zunächst fest, dass das KunstUrhG als spezielleres Gesetz dem BDSG vorgeht. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich auch aus dem KunstUrhG für die Kläger jedoch nicht. Denn die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen sei nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH zum sogenannten abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KunstUrhG zu beurteilen. Danach komme eine Tangierung von Persönlichkeitsrechten nur dann in Betracht, wenn

1. die abgebildete Person überhaupt erkennbar und individualisierbar sei, in diesem Fall

2.  die Person nicht nur auf „Bildern“ als Beiwerk einer Landschaft, Örtlichkeit oder Versammlung fungiere oder eine Person der Zeitgeschichte sei, deren berechtigte Interessen nicht verletzt würden („Caroline von Hannover“, BGH, Urt. v. 06.03.2007 – VI ZR 51/06) und

3.  eine Einwilligung vorliege.

Das BAG hält fest, dass die Kläger auf – wenn auch wenigen und kurzen – Bildsequenzen zu erkennen und identifizieren seien, so dass eine Persönlichkeitsrechtsverletzung jedenfalls nicht bereits in der ersten Prüfungsstufe ausgeschlossen sei. Auf die Frage, ob es sich bei den Gruppenaufnahmen um „Bilder“ handele, komme es nicht an, da jedenfalls die – bei verfassungskonformer Auslegung von § 22 KunstUrhG notwendig schriftliche – Einwilligung der Kläger durch Unterzeichnung der Namensliste vorgelegen habe. Zu den sog. Personen der Zeitgeschichte gehörten die Kläger erkennbar nicht (interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Teilnahme an regelmäßig öffentlich veranstalteten Festen deren Besucher zu Personen der Zeitgeschichte machen, vgl. z.B. BGH, Urt. v. 08.04.2014 – VI ZR 197/13, jährliches Mieterfest einer Genossenschaft).

Eine Einwilligung – so das BAG weiter – werde grundsätzlich unbefristet erteilt und erlösche auch nicht zwangsläufig mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Dies gelte jedenfalls für Bilder und Filme, die Veranschaulichkeitszwecken und nicht der individuellen Darstellung des AN dienten. Die Einwilligung könne aber widerrufen werden, wenn hierfür ein „plausibler“ Grund vorliege. Diese Plausibilität ergebe sich aus einer Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des AN und dem Verwertungsinteresse des AG. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne einen plausiblen Grund darstellen, wenn der AN für eine individuelle Aufnahme keine Vergütung erhalten habe und mit dieser im Unternehmen weiterhin geworben werde. Sei – wie in den entschiedenen Fällen – der AN Bestandteil einer Gruppe, sein Name unbekannt und werde nicht der Eindruck erweckt, die Aufnahme zeige die aktuelle Belegschaft, sei eine Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht gegeben.

Der Praxistipp:

Die Verwendung von Fotos oder Videoaufnahmen von Arbeitnehmern sollte im Zweifel mit einer schriftlichen Einwilligung abgesichert werden. Ist beabsichtigt, die Aufnahmen für eine Vielzahl von Verwendungszwecken zu nutzen (Firmenbroschüre, Internetauftritt, Werbeauftritt), muss die Einwilligung die beabsichtigten sowie ggfs. zukünftig geplanten Zwecke umfassen.

Hiltrud Kohnen
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
1. November 2015

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