
Die neue Gebäuderichtlinie („EPBD“) ist am 28. Mai 2024 in Kraft getreten und muss bis Ende Mai 2026 umgesetzt werden. Mit der EPBD setzt die Europäische Union neue Maßstäbe für Energieeffizienz, Klimaschutz und Gebäudestandards. Die Auswirkungen betreffen nahezu alle – vom privaten Bauherren über Investoren und Architekten bis hin zur öffentlichen Hand und Kommunen.
Bis zum Jahr 2050 soll der gesamte Gebäudebestand in Europa klimaneutral sein. Die überarbeitete Richtlinie legt dafür einen klaren Fahrplan und verbindliche Zwischenziele vor – mit konkreten Vorgaben für Neubauten, Renovierungen, Heizsysteme, Energiequellen und mehr.
Warum die Reform? – Der rechtliche und politische Hintergrund
Gebäude sind für 40 % des Energieverbrauchs und über ein Drittel der CO₂-Emissionen in der EU verantwortlich. Vor diesem Hintergrund wurde die EU-Gebäuderichtlinie überarbeitet. Der Rechtsrahmen verpflichtet alle Mitgliedstaaten, bis Mai 2026 nationale Regelungen zu schaffen, um die neuen Standards umzusetzen.
Der neue Standard: Nullemissionsgebäude
Das bisherige Niedrigstenergiegebäude (siehe § 10 GEG) wird als Standard abgelöst. Künftig gilt das Nullemissionsgebäude als gesetzlicher Maßstab. Diese Gebäude zeichnen sich aus durch
- eine sehr hohe Gesamtenergieeffizienz
- kein oder nur minimaler Energieverbrauch
- keine CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen
- sowie die Deckung des verbleibenden Energiebedarfs ausschließlich aus erneuerbaren Quellen.
Spätestens ab 2030 dürfen nur noch Nullemissionsgebäude neu errichtet werden. Öffentliche Einrichtungen müssen diesen Standard jedoch bereits ab 2028 erfüllen.
Vorgaben zur Gesamtenergieeffizienz
Die EPBD trifft Vorgaben für die Gesamtenergieeffizienz in Gestalt von Mindestanforderungen und Mindestvorgaben.
Nach Art. 5 Abs. 1 der EPBD-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten Mindestanforderungen für die Gesamtenergieeffizienz sowohl für Neubauten als auch für Bestandsgebäude, die größeren Renovierungen unterzogen werden, festlegen.
Die Mindestvorgaben gelten indessen für Bestandsgebäude, die Nichtwohngebäude sind. Die hierbei festzusetzenden Schwellenwerte müssen so gestaltet werden, dass die energetisch schlechtesten 16 % (bis 2030) und 26 % (bis 2033) der Bestandsgebäude verbessert werden müssen.
Keine direkte Pflicht zur Erfüllung von Mindestvorgaben gilt für Wohngebäude. Gleichwohl wird zu erwarten sein, dass Hauseigentümer von Wohngebäuden mittelbar Renovierungsdruck erfahren werden. Als verbindlichen Meilenstein schreibt die EPBD vor, dass der Gesamtenergieverbrauch des nationalen Wohngebäudebestands bis 2030 um 16 % gesenkt wird. Bis 2035 muss eine zusätzliche Reduktion um 20–22 % erreicht werden. Hierbei bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, wie sie diese Zielsetzung erreichen wollen.
Neue Solaranlagenpflichten
Ein zentrales Element der neuen Gebäuderichtlinie ist die Einführung einer verbindlichen Solaranlagenpflicht für bestimmte Gebäudetypen. Was bislang in Deutschland lediglich durch landesrechtliche Vorschriften geregelt war, soll künftig europaweit einheitlich und verbindlich gelten. Die entsprechenden Pflichten werden dabei stufenweise und differenzierend nach Nutzfläche eingeführt:
- Bis Ende 2026: Pflicht für neue öffentliche Gebäude und neue Nichtwohngebäude > 250 m²
- Bis Ende 2027: Nachrüstpflicht bei bestehenden öffentlichen Gebäuden >1. 000 m² sowie für private Nichtwohngebäude mit einer Nutzfläche von mehr als 500 m² bei größeren Renovierungen
- Bis Ende 2028: Nachrüstpflicht bei bestehenden öffentlichen Gebäuden > 750 m²
- Bis Ende 2029: Pflicht für alle neuen Wohngebäude und überdachte Parkflächen
- Bis Ende 2030: Nachrüstpflicht bei bestehenden öffentlichen Gebäuden >250 m²
Vorgaben für Heizungen
Die EPBD zielt auf den kompletten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen für Heizungen bis 2040. Damit geht die Richtlinie über den Ausstieg von fossilen Brennstoffheizungen durch das deutsche GEG bis 2044 hinaus. Sie setzt hierbei primär nicht auf ein direktes Verbot, sondern auf Anreize für Umstellungen – beispielsweise durch Fördermechanismen oder Marktanreize.
Die Bilanzierung von Lebenszyklustreibhausgaspotenzialen
Zukünftig wird die Energie- und Emissionsbewertung ganzheitlich zu bewerten sein. Nicht mehr nur die Betriebsphase, sondern auch die graue Energie muss über die gesamte Lebensphase einer Immobilie (Emissionen aus Herstellung, Transport, Bau, Nutzung, Rückbau und Entsorgung) berücksichtigt werden. Diese neue Bilanzierung wird schrittweise eingeführt:
- Ab 2027: Schrittweise Grenzwerte für Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen
- Ab 2028: Darlegung von Lebenszyklustreibhausgaspotenziale im Energieausweis bei Neubauten >1. 000 m²
- Ab 2030: Darlegung von Lebenszyklustreibhausgaspotenziale im Energieausweis bei allen Neubauten
Fazit: Neue Pflichten, neue Chancen
Diese und auch zahlreiche weitere Neuerungen enthält die Richtlinie und stellt alle am Bau beteiligten vor großen Herausforderungen. Die Bundesregierung ist am Zug, Wege zu finden, den durch die Richtlinie geschaffenen Rahmen auszufüllen und die Transformation des Gebäudesektors möglichst schonend zu gestalten.
Vertiefung gewünscht?
Die EPBD wurde im Rahmen eines Vortrags von Dr. Marvin Klein auf dem Baurechtstag 2025 in Bamberg vorgestellt. Die Präsentation können Sie gerne hier abrufen. Haben Sie Rückfragen, wünschen Sie eine individuelle Beratung oder Vorstellung der neuen Anforderungen in der Praxis? Gerne beraten wir Sie auch individuell und stehen Ihnen auch für Vorträge zur Verfügung.
Dr. Marvin Klein
Rechtsanwalt
30.04.2025