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Das neue Recht zur grenzüberschreitenden Umwandlung von Kapitalgesellschaften
Einleitung und Anwendungsbereich der neuen gesetzlichen Regelungen
In Kürze tritt das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) in Kraft. Das UmRUG dient der Umsetzung der sog. Umwandlungsrichtlinie der EU (Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der RL 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABL. EU Nr. L 321 / 219), welche am 01.01.2020 in Kraft trat. Ursprünglich war das Inkrafttreten des UmRUG vor Ablauf des 31.01.2023 als dem in der Richtlinie genannten Datum geplant. Tatsächlich wurde das Gesetz am 20.01.2023 durch den Bundestag verabschiedet und ging am 10.02.2023 durch den Bundesrat. Die Verkündung wird nun zeitnah erfolgen.
Bisher war nur die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften mit Sitz in der EU und des EWR in nationales Recht umgesetzt. Durch das UmRuG werden nun neben der Verschmelzung auch Spaltungsvorgänge und Rechtsformwechsel als grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge einheitlich in einem neu eingefügten sechsten Buch des Umwandlungsgesetztes geregelt. Dies und die EU- und EWR-weite Vereinheitlichung der Umwandlungsregelungen führen zu einer in der Praxis dringend erforderlichen Klarheit und Vereinfachung der durch den Regelungsbereich umfassten grenzüberschreitenden und teilweise auch inländischen Umwandlungsvorgänge. Der Anwendungsbereich des UmRUG ist leider grundsätzlich nur auf Umwandlungen von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU und des EWR begrenzt. Einzige Ausnahme ist die Hereinverschmelzung auf eine Personenhandelsgesellschaft mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern. Im Übrigen bleibt Personengesellschaften damit weiterhin nur der mit Rechtsunsicherheiten behaftete Weg, sich bei grenzüberschreitenden Umwandlungen an der EuGH-Rechtsprechung zu orientieren. Für grenzüberschreitende Umwandlungen mit Drittstaatenbezug besteht eine noch größere Rechtsunsicherheit.
Zeitlich findet die alte Rechtslage noch auf solche Sachverhalte Anwendung, bei welchen der Umwandlungsvertrag vor dem Inkrafttreten des UmRUG geschlossen, der Umwandlungsplan vor dem Inkrafttreten des UmRUG aufgestellt oder der Umwandlungsbeschluss vor dem Inkrafttreten des UmRUG gefasst wurde und die Umwandlung bis zum 31.12.2023 zur Eintragung angemeldet wurde.
Regelungstechnik und wesentliche Neuerungen
Die Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie erfolgt im Wesentlichen durch die Einführung eines neuen sechsten Buches in das Umwandlungsgesetz, welches die grenzüberschreitende Umwandlung behandelt. Das Buch ist in drei Teile untergliedert, von welchen sich der erste (§§ 305 – 319 UmWG n.F.) mit der grenzüberschreitenden Verschmelzung, der zweite (§§ 320 – 332 UmwG n.F.) mit der grenzüberschreitenden Spaltung und der dritte (§§ 333 – 345 UmwG n.F.) mit dem grenzüberschreitenden Formwechsel beschäftigt.
Das Grundprinzip für sämtliche grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgänge sieht folgende bereits aus dem deutschen Recht bekannte Maßnahmen/Phasen vor:
die Vorbereitungsphase, die Beschlussphase und die Vollzugsphase.
Die Vorbereitungsphase
Sie umfasst die Aufstellung eines Umwandlungsplans und eines Umwandlungsberichts, die Durchführung einer Umwandlungsprüfung und die Bekanntmachung des Umwandlungsplans.
Zudem ist in der Vorbereitungsphase ein Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer zu bilden, wenn die grenzüberschreitende Umstrukturierung mitbestimmungsrelevant ist.
Hier ergeben sich Neuregelungen, die insbesondere einer missbräuchlichen Umgehung der Mitbestbestimmung im Ausgangsstaat dienen sollen. Diese neuen Regelungen finden sich in dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG), welches seit dem 31.01.2023 in Kraft ist. Das Gesetz gleicht die Anforderungen an die Mitbestimmung bei grenzüberschreitenden Formwechseln und grenzüberschreitenden Spaltungen an die bereits bestehenden Regelungen des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) an. Beide Gesetze orientieren sich im Wesentlichen an der Verhandlungslösung der SE, wobei im Ausgangspunkt für jede aus der Umwandlung hervorgehende Gesellschaft die Mitbestimmungsregelungen des Mitgliedsstaats des jeweiligen Gesellschaftssitzes gelten. In Abweichung von diesem Grundsatz müssen in drei Fällen Verhandlungen geführt werden: Im Falle der Mitbestimmungsminderung, im Falle der Benachteiligung ausländischer Arbeitnehmer und – das ist neu – in dem Fall, dass die umwandelnde Gesellschaft in den sechs Monaten vor Offenlegung des Umwandlungsplans eine durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern beschäftigte, die mindestens 4/5 des in dem nationalen Recht des Ausgangsstaats vorgesehenen Schwellenwerts für die Mitbestimmung entspricht. Führen die Verhandlungen nach sechs Monaten zu keiner Einigung, so greift eine Mitbestimmung kraft Gesetzes, welche im MgVG und im MgFSG näher konkretisiert wird.
Der Umwandlungsplan hat bei Spaltung und Formwechsel mit grenzüberschreitendem Bezug nunmehr einen indikativen Zeitplan zu enthalten. Der Formwechselplan hat außerdem Angaben zu den in den letzten fünf Jahren erhaltenen Beihilfen sowie den Beteiligungsverhältnissen zu enthalten. Verschmelzungs-, Spaltungs-, und Formwechselplan bedürfen der notariellen Beurkundung.
Bezüglich des Umwandlungsberichts sehen die neuen Regelungen zusätzliche inhaltliche Anforderungen sowohl hinsichtlich des anteilsinhaberspezifischen Abschnitts als auch bezüglich des arbeitnehmerspezifischen Abschnitts vor. Bei Konzernkonstellationen ist der Bericht für die Anteilsinhaber entbehrlich. Wenn zusätzlich keine der beteiligten Gesellschaften andere Arbeitnehmer haben, als diejenigen, die den Vertretungsorgangen angehören, ist der Bericht insgesamt entbehrlich. Gleiches gilt bei der Ausgliederung zur Neugründung. Die Frist für die Zuleitung des Berichts an die Anteilseigner und den Betriebsrat bzw. die Arbeitnehmer wird für grenzüberschreitende Umwandlungen um zwei Wochen auf insgesamt sechs Wochen vor Zustimmungsbeschluss verlängert. Neu sind außerdem die Pflichten zur Weiterleitung der Stellungnahme der Arbeitnehmer an die Anteilsinhaber und zur Zuleitung des Verschmelzungsplans an alle Arbeitnehmer und Anteilsinhaber.
Der Bericht zur Umwandlungsprüfung ist den Anteilseignern spätestens einen Monat vor der Anteilseignerversammlung zuzuleiten. Die Prüfung ist bei Einpersonengesellschaften entbehrlich. Gleiches gilt, wenn alle Anteilsinhaber formgerecht verzichten und im Fall einer grenzüberschreitenden Ausgliederung.
Die Bekanntmachung des Umwandlungsplans erfolgt durch das Registergericht nach § 10 HGB. Das Gesetz trifft in § 308 UmwG n.F. für alle grenzüberschreitenden Umwandlungen detaillierte Regelungen zu den in dem Plan zu den bei der Bekanntmachung zu machenden Angaben. Insbesondere ist ein ausdrücklicher Hinweis darauf erforderlich, dass bis fünf Tage vor dem Tag der Beschlussfassung Bemerkungen zum Plan gemacht werden können.
Die Beschlussphase
Neuerungen ergeben sich hier im Vergleich zum bisherigen nationalen Recht bezüglich der Beschlussmehrheiten nur in Bezug auf nichtverhältniswahrende Auf- und Abspaltungen. Weil die Mitgliedstaaten nach der Umwandlungsrichtlinie für den Umwandlungsbeschluss max. 90 % Stimmen- oder Kapitalmehrheit verlangen dürfen, wird zum Zwecke des Minderheitenschutzes in den genannten Fällen durch den deutschen Gesetzgeber die Zustimmung der benachteiligten Anteilsinhaber verlangt.
Die Vollzugsphase
Eine große Erleichterung in der Praxis wird durch die neuen Regelungen zur Vollzugsphase herbeigeführt. Hier wird nun für alle grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgänge eine Ar-beitsteilung zwischen dem Gericht des Ausgangsstaates und dem Gericht des Zielstaates festgelegt, wodurch der Prüfungs- und Abstimmungsaufwand reduziert werden soll: Durch das zuständige Gericht des Ausgangsstaates wird eine Rechtmäßigkeitsbescheinigung für die grenzüberschreitende Umwandlung ausgestellt, wonach alle im Ausgangsstaat zu erfüllenden einschlägigen Voraussetzungen und Verfahrensschritte erfüllt bzw. ordnungsgemäß erledigt wurden. Diese Bescheinigung wird unmittelbar durch das Gericht über das BRIS (Online-System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern der EU- und EWR-Staaten) an das Gericht im Zielrechtsstaat übermittelt. Das zuständige Gericht im Zielrechtsstaat prüft sodann nur noch die Einhaltung derjenigen Vorschriften und Verfahrensschritte, die im Zielrechtsstaat noch zu beachten sind. Nach der Eintragung im Zielstaat wird wiederum die Eintragungsmit-teilung unmittelbar über BRIS an das Gericht am Sitz des Ausgangsrechtsträgers übermittelt.
Weiterhin ist durch den zuständigen Rechtsträger/das Gericht des Ausgangsstaates eine Missbrauchsprüfung durchzuführen. Eine Vorabbescheinigung darf nicht ausgestellt werden, wenn nach der Überzeugung des zuständigen Rechtsträgers/des Gerichts die Umwandlungsmaßnahme missbräuchlichen, betrügerischen oder kriminellen Zwecken dient. Eine wei-tere Missbrauchsprüfung im Zielstaat ist möglich, aber nicht verpflichtend.
Wesentliche Neuerungen für alle – innerstaatlichen und grenzüberschreitenden – Umwandlungen bringt das UmRUG im Hinblick auf den Inhalt des Umwandlungsberichtes und die Umwandlungsprüfung. Hier sind nähere Angaben zur Bewertungsmethodik, unterschiedlichen Bewertungsmethoden sowie etwaigen Schwierigkeiten bei der Bewertung vorgesehen. Für nationale Umwandlungsvorgänge wird außerdem in § 2 Abs. 2 SpruchG n.F. die Möglichkeit abweichender gerichtlicher Entscheidungen durch die Zuordnung der Sache zu dem zuerst mit der Angelegenheit befassten Gericht verhindert. Für Aktiengesellschaften besteht nach § 72a UmwG n.F. bei Verschmelzungen nunmehr die Möglichkeit, statt einer baren Zuzahlung eine Gewährung zusätzlicher Aktien der übernehmenden Gesellschaft vorzusehen.
Fazit
Insgesamt sind die Änderungen für grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge, die in den letzten Jahren bereits deutlich zugenommen haben, zu begrüßen. Allerdings verbleibt ein Wermutstropfen wegen der fehlenden Regelungen in Bezug auf die Behandlung von Umwandlungsvorgängen unter Beteiligung von Personengesellschaften und Unternehmen aus Drittstaaten.
Stefan Nüsser, LL.M.
Rechtsanwalt
Stephanie Prinz
Rechtsanwältin
23. Februar 2023
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