Das Oberlandesgericht München hat sich mit dem Urteil vom 9. August 2016 – 9 U 2574/15 Bau (Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof am 19. Dezember 2018 zurückgewiesen) mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen ein Haftungsausschluss bzw. eine Haftungsbeschränkungsvereinbarung zwischen Bauherrn und Architekt zu Stande kommen kann.
In dem Rechtsstreit nimmt der Kläger als Bauherr den Architekten und den Unternehmer wegen Feuchtigkeitsmängeln an den Balkonanlagen seines neu errichteten Hauses in Anspruch. Der Architekt, der mit den Leistungen der Leistungsphase 3 – 9 des § 34 HOAI beauftragt war, hatte mehrere Planungen zur Entwässerung der Balkone erstellt. Keine dieser Planungen kam zur Ausführung. Vielmehr wünschte der Kläger die Ausführung mit handgefertigter Kupferkästen. Der Architekt erstellte ein Schreiben, welches von dem Kläger gegengezeichnet wurde, in dem er diesen darauf hinwies, dass er den Kläger ausdrücklich darauf aufmerksam mache, dass er Bedenken gegenüber der von dem Kläger gewünschten Ausführung der Balkonentwässerung mit handgefertigten Kupferkästen habe. Es liege dem Kläger ein Angebot des ausführenden Unternehmers vor, welches ein zuverlässiges DIN-gerechtes Ausführungssystem beinhalte. Der Architekt erklärte ausdrücklich in dem Schreiben, dass er die Haftung für die Ausführung mit handgefertigten Kupferkästen nicht übernehmen könne und übernehmen werde. Er bat um Bestätigung, dass trotz der Aufklärung durch ihn auf der Baustelle der Kläger an dem Wunsch festhalte, die Arbeit entgegen den anerkannten Regeln der Technik durchführen zu lassen.
Der Kläger hatte gegenüber dem Architekten in I. Instanz Erfolg mit seiner Schadensersatzklage. In II. Instanz wurde das Urteil aufgehoben und die Klage gegen den Architekten abgewiesen. In dem Zusammenhang stellte das Oberlandesgericht München klar, dass eine Haftungsfreistellung zwischen den Parteien individualvertraglich vereinbart werden könne, und zwar in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB. Das vorliegende Schreiben beinhalte eine solche Haftungsfreistellungsvereinbarung und nicht nur einen reinen Bedenkenhinweis. Das Schreiben bezieht sich ausdrücklich darauf, dass eine Haftung für die Ausführung der Entwässerung des Balkonaufbaus nicht übernommen werde. Der Kläger hat diese Vereinbarung gegengezeichnet.
Im Einzelnen führt das Oberlandesgericht München aus, dass es grundsätzlich keinerlei Probleme darin sieht, die Haftung des Architekten durch Individualvereinbarung auszuschließen oder zu beschränken. Dies gelte zumindest, sofern diese Vereinbarungen nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen. Ihre Grenze hat die Haftungsfreistellung in §§ 138, 242 BGB, d.h. auch Individualvereinbarungen dürfen keine haftungsbeschränkenden Regelungen enthalten, die aufgrund einseitiger Interessenwahrnehmung das Gerechtigkeitsgebot verletzen. Der Grundsatz von Treu und Glauben sei deshalb dann nicht mehr gewahrt, wenn der Haftungsausschluss mit der Stellung des Architekten als Sachwalter des Bauherrn und dem damit einhergehenden besonderen Vertrauensverhältnis bezüglich des berufstypischen Pflichtenkreises des Architekten unvereinbar sei. Dies sei hier im konkreten Fall nicht gegeben. Die Haftungsfreistellung sei auf einen eng umgrenzten, klar überschaubaren Bereich begrenzt. Im Übrigen habe der Architekt seine Tätigkeit fortgeführt und die Interessen des Klägers auch beachtet.
Fazit:
Architekten, die Bedenken hinsichtlich der Ausführung von Wünschen der Bauherrn haben, sollten klar und deutlich diese vortragen, auf die Konsequenzen hinweisen und eine individuelle Haftungsfreizeichnung erwirken. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie für auftretende Mängel haften.
Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
17.04.2019