Tätigkeitsgebiete Immobilie // Bau
Vorsicht Falle: Doch Mehrwertsteuer auf Vergütung für nicht mehr erbrachte Leistungen nach Kündigung? - FG Niedersachsen, Urt. v. 28.02.2019 – 5 K 214/18 (nicht rechtskräftig)
Wird der Werkvertrag nach teilweiser Erbringung der Werkleistung gekündigt, unterliegt dann auch der Anspruch aus § 649 S. 2 BGB a.F. bzw. § 648 S. 2 BGB n.F. der Umsatzsteuer?
Bislang entsprach es ständiger Rechtsprechung, dass die nach freier Kündigung eines Bauvertrages gemäß § 649 S. 2 BGB a.F. bzw. § 648 S.2 BGB n.F. zu zahlende Vergütung nur insoweit umsatzsteuerbares Entgelt darstellt, als sie auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2007, VII ZR 83/05).
Im Gegensatz dazu führt das Finanzgericht Niedersachsen in seiner bisher in Baurechtlerkreisen wenig beachteten Entscheidung vom 28.02.2019 nun aus, dass die gesamte Zahlung, d.h. auch die für nicht erbrachte Leistungen, des Auftraggebers an den hier klagenden Auftragnehmer der Umsatzsteuer unterworfen ist, da die gesamte Zahlung auf einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG beruhe.
Dies folge daraus, dass der zwischen dem Kläger (selbständiger Landschaftsarchitekt) als Auftragnehmer und dem Auftraggeber geschlossene Architektenvertrag hinsichtlich des für die Architektenleistungen zu erbringenden Honorars ausdrücklichen Bezug auf die Regelung des § 649 S. 2 BGB a.F. nehme. Danach ist der Auftragnehmer im Falle der Kündigung durch den Auftraggeber berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Der Kläger hatte auf dieser Grundlage eine Schlussrechnung gestellt und dabei zwischen der Vergütung für erbrachte Leistungen und der für nicht erbrachte Leistungen differenziert. Im Anschluss verhandelten die Parteien über die Höhe der Vergütung und verständigten sich auf einen Betrag der Vergütung für erbrachte Leistungen zuzüglich Umsatzsteuer und für nicht erbrachte Leistungen auf einen Betrag ohne Umsatzsteuer. Durch die Einigung zwischen den Vertragsparteien, dass für die tatsächlich bereits erbrachten Planungsleistungen ein Honorar i.H.v. 22.747,66 EUR anfalle sowie ein „Ausfallhonorar i.H.v. 52.252,34 EUR (ohne Umsatzsteuer)“, haben sich die Vertragsparteien nach Ansicht des FG Niedersachsen nicht auf die Zahlung eines Schadensersatzanspruches anstelle des vertraglich geschuldeten Honorars geeinigt, sondern das dem Kläger bereits nach dem ursprünglichen Vertrag für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Auftrages zustehende Honorar zahlenmäßig konkretisiert. Insoweit habe der Kläger insgesamt ein Entgelt als Gegenleistung für die von ihm erbrachte Architektenleistung erhalten, weshalb ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch vorliege.
Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH ausdrücklich unter Hinweis auf eine mögliche Abweichung von der bisherigen BGH-Rechtsprechung zugelassen. Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Az. V R 13/19 anhängig.
Sollte der BFH die Auffassung des Finanzgerichts Niedersachsen bestätigen, so drohen Ansprüche auf Umsatzsteuer mit der die Forderungen aus § 649 BGB a.F. bzw. § 648 BGB n.F. zu beaufschlagen waren, zu verjähren. In der Regel dürfte erst eine Betriebsprüfung beim Unternehmer dieses Problem aufdecken, die möglicherweise erst Jahre nach Schlussrechnungsstellung durchgeführt wird. Zu diesem Zeitpunkt wird vielfach die Verjährungsfrist abgelaufen sein. Diese beginnt einheitlich mit der Stellung der Schlussrechnung auch für solche Teilansprüche, die „vergessen“ worden sind, am Jahresende nach Eintritt der Fälligkeit zu laufen.
Vor dem Hintergrund, dass ungewiss ist, wann der BFH in der Sache entscheiden wird, sollte der Unternehmer vom Besteller mit Schlussrechnungsstellung eine entsprechende Verjährungsverzichtserklärung im Hinblick auf die (noch) nicht berechnete Umsatzsteuer fordern. Erhält er diese Erklärung vom Besteller nicht, bliebe ihm zum Zwecke der Verjährungshemmung nur noch die Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage. Dies gilt ebenfalls für bereits laufende gerichtliche Verfahren.
Victoria Reichardt
Rechtsanwältin
30. Juli 2020
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