Corona-Pandemie: Neue Regelungen für Bauarbeiten ab dem 27.04.2020

Nach der Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer vom 15.04.2020 haben die Bundesländer mit zahlreichen Unter-schieden im Einzelnen erste Lockerungen der Beschränkungen zum Infektionsschutz veranlasst. In den meisten Bundesländern wurde inzwischen auch eine Maskenpflicht für weite Bereiche des öffentlichen Lebens eingeführt.

In Nordrhein-Westfalen gelten nach der Änderung der Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) NRW ab Montag, dem 27.04.2020, folgende Regelungen für das Arbeiten auf der Baustelle:

1. Bauarbeiten können mit Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen weiter ausgeführt werden

Die bisher bereits geltende Regelung, nach der Handwerker und Dienstleister ihrer Tätigkeit „mit Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen“ weiterhin nachgehen können, wurde nicht geändert (§ 7 Abs. 1 CoronaSchVO NRW). Diese Regelung betrifft auch Bauarbeiten. Auf den Baustellen kann damit wie bisher gearbeitet werden.

2. Abstandsgebot

Neu eingeführt wurde das Abstandsgebot (§ 12a CoronaSchVO NRW). Danach ist „jede in die Grundregeln des Infektionsschutzes einsichtsfähige Person“ verpflichtet, sich im öffentlichen Raum so zu verhalten, dass sie sich selbst und auch andere Personen keinen vermeidbaren Infektionsgefahren aussetzt. Insbesondere ist im öffentlichen Raum zu allen anderen Personen grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m einzuhalten. Wenn die Einhaltung des Mindestab-stands aus z. B. baulichen Gründen nicht möglich ist, wird das Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung (zum Beispiel Alltagsmaske, Schal, Tuch) empfohlen.

Diese Regelungen gelten „im öffentlichen Raum“. Baustellen sind in der Regel für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und damit kein öffentlicher Raum. Damit enthält die CoronaSchVO NRW unmittelbar keine verbindliche Regelung zur Einhaltung des Mindestabstandes auf Baustellen.

3. Maskenpflicht

Eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung besteht nach § 12a Abs. 2 Nr. 2 CoronaSchVO NRW u. a. für „die Erbringung und Inanspruchnahme von Handwerks- und Dienstleistungen, die ohne Einhaltung eines Sicherheitsabstands von 1,5 m zum Kunden erbracht werden“. Die Verordnung verweist in diesem Zusammenhang indessen auf die Vorschrift für Handwerker und Dienstleister im Gesundheitswesen wie Physiotherapeuten, Hörgeräteakustiker, Optiker usw. (§ 7 Abs. 3 Satz 2 CoronaSchVO NRW). Daraus folgt, dass die Verpflichtung für Bauhandwerker nicht gilt. Darüber hinaus halten Bauhandwerker ohnehin den Abstand von 1,5 m „zum Kunden“ (also zum Auftraggeber) in der Regel ein.

Für die Arbeit auf der Baustelle gilt damit unmittelbar nach der CoronaSchVO NRW auch keine allgemeine Maskenpflicht.

4. Baubesprechungen

Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als 2 Personen bleiben untersagt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO NRW). Diese Vorschrift gilt nach § 12b Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO jedoch nicht für die berufliche und wirtschaftliche Tätigkeit von Selbständigen, Betrieben und Unternehmen. Außerdem sind vom Ansammlungsverbot wie bereits bisher zwingend notwendige Zusammenkünfte aus dienstlichen Gründen ausgenommen.

Baubesprechungen in Bereichen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und damit nicht zum „öffentlichen Raum“ zählen, sind von dem Verbot also nicht erfasst. Unabhängig davon sind nach den Ausnahmevorschriften auch Baubesprechungen, die aus Gründen des Infektionsschutzes im Freien (z. B. Straßenrand oder auf einem öffentlichen Parkplatz) abgehalten wer-den, zulässig.

5. Arbeitgeberverantwortung für Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen

Dass das Abstandsgebot und die Maskenpflicht auf der Baustelle nicht per Verordnung gelten, bedeutet freilich nicht, dass dort keine Infektionsschutzmaßnahmen zu treffen sind. Vielmehr ist ausdrücklich vorgesehen, dass Handwerker und Dienstleister ihrer Tätigkeit „mit Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen“ weiterhin nachgehen können (§ 7 Abs. 1 CoronaSchuVO NRW). § 12b Abs. 2 CoronaSchVO NRW ordnet nunmehr an, dass Selbständige, Betriebe und Unternehmen neben der Erfüllung ihrer arbeitsschutzrechtlichen Hygiene- und Schutzpflichten auch verantwortlich sind für die Reduzierung von Infektionsrisiken. Hierzu haben sie insbesondere Maßnahmen zu treffen, um

  • Kontakte innerhalb der Belegschaft und zu Kunden so weit wie tätigkeitsbezogen möglich zu vermeiden,
  • Hygienemaßnahmen und Reinigungsintervalle unter Beachtung der aktuellen Erfordernisse des Infektionsschutzes zu verstärken.

Bei der Planung und Umsetzung der Maßnahmen haben sie die Empfehlungen der zuständigen Behörden (insbesondere des Robert-Koch-Instituts) und Unfallversicherungsträger, für Bauarbeiten also der BG Bau, zu berücksichtigen. Verpflichtet zur Umsetzung des Infektionsschutzes auf der Baustelle ist damit nach § 12b CoronaSchVO NRW der jeweilige Arbeitgeber für seine Ar-beitnehmer.

Die Empfehlungen der BG Bau sind auf deren Homepage unter www.bgbau.de/themen/sicherheit-und-gesundheit/coronavirus/ zugänglich. Welche kon-kreten Schutzmaßnahmen auf der Baustelle in Frage kommen, haben wir in unserem Blog-Beitrag vom 08.04.2020 (Corona-Pandemie: Wie geht’s weiter auf der Baustelle?) dargestellt. Darauf ist nach wie vor zu verweisen.

Wir haben in unserem Blog-Beitrag vom 08.04.2020 außerdem die Verantwortungsbereiche des Bauherrn, des Auftragnehmers und des SiGeKo abgegrenzt. Auch darauf ist weiterhin zu verweisen.

6. Geltungsdauer: bis 03.05.2020

Die aktuelle CoronaSchVO NRW tritt mit Ablauf des 03.05.2020 außer Kraft (§ 17 CoronaSch-VO NRW). Es ist davon auszugehen, dass das zuständige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (MAGS) vor diesem Termin entweder eine weitere geänderte Fassung der Verordnung bekannt macht oder die Geltungsdauer der aktuellen Verordnung verlängert.


Lars Maria Markmann                     Dr. Norbert Reuber                                      David Poschen
Rechtsanwalt                                 Rechtsanwalt                                             Rechtsanwalt
                                                     Fachanwalt für Verwaltungsrecht                 Fachanwalt für Vergaberecht

27. April 2020

 

 

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Corona-Pandemie: Wie geht’s weiter auf der Baustelle?

Die Corona-Pandemie entwickelt sich weiterhin sehr dynamisch. Klare Aussagen von Wissenschaft und Politik zur Dauer der Beschränkungen, zu den möglichen weiteren Schritten und zur Gestaltung der Rückkehr ins „normale Leben“ sind nicht zu erlangen. Genauso dynamisch wie die Pandemie sind die Reaktionen der Behörden und der Gesetzgeber in Bund und Land, die das Wirtschaftsleben und damit auch die Baubranche massiv betreffen.

In unserem Blogbeitrag vom 16.03.2020 (mit Update 01.04.2020) haben wir Ihnen einen Überblick über die Rechtslage bei Corona-bedingten Leistungsstörungen gegeben. Wir wollen nunmehr die aktuellen Rechtsentwicklungen darstellen und die diversen praktischen Fragen aufgreifen, die sich für laufende Bauvorhaben in Zusammenhang mit den staatlichen Maßnahmen der letzten Wochen regelmäßig stellen.

1. Wirkt sich das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht auf Bauverträge aus?

Der Bundestag hat am 25.03.2020 einstimmig das Gesetz „zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ verabschiedet. Das Gesetz wurde am 27.03.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I S. 569). Unter Artikel 240 EGBGB wurden Corona-spezifische Regelungen für das Vertragsrecht eingeführt, unter anderem ein Moratorium, d.h. Leistungsverweigerungsrechte aus Gründen der Corona-Pandemie. Die Neuregelungen in Artikel 240 EGBGB sind am 01.04.2020 in Kraft getreten.

Die Regelung des Moratoriums findet sich im neu eingefügten Artikel 240 § 1 EGBGB und gilt für Verbraucher und Kleinstunternehmen unter der Voraussetzung, dass diesen die Erbringung der Vertragsleistung aus Umständen der Corona-Pandemie nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Das Leistungsverweigerungsrecht gilt allerdings lediglich in Bezug auf wesentliche Dauerschuldverhältnisse, worunter ausweislich der Gesetzesbegründung etwa Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom, Gas, Wasser oder über Telekommunikationsdienste fallen sollen (BT-Drucks. 19/18110, S. 34). Für das Bauvertragsrecht dürften die Regelungen damit vorerst keine Rolle spielen.

Es gibt somit kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht aus Gründen der Corona-Pandemie im Hinblick auf Planungs- und Bauleistungen.

2. Welchen Einfluss haben die seit dem 23.03.2020 geltenden Kontaktverbote?

Hier sind immer die Maßnahmen des jeweiligen Bundeslandes gesondert zu betrachten. Das Land Nordrhein-Westfalen etwa hat nach der Abstimmung der Bundesländer und der Bundesregierung am 22.03.2020 die Rechtsverordnung zum Schutz vor Neuinfizierung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO) erlassen. Die geänderte Fassung der Rechtsverordnung wurde am 30.03.2020 verkündet. Eine der wesentlichen Anordnungen der CoronaSchVO ist das Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen in der Öffentlichkeit von mehr als zwei Personen (Kontaktverbot).

Durch die CoronaSchVO NRW im Allgemeinen und das Kontaktverbot im Besonderen wird indessen die Fortführung der Bauarbeiten nicht untersagt. Die Baubeteiligten verstoßen also nicht gegen die CoronaSchVO NRW, wenn sie die Bauarbeiten fortsetzen.

Nach § 7 Abs. 1 CoronaSchVO NRW können „Handwerker und Dienstleister ihrer Tätigkeit mit Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen weiterhin nachgehen“. Für bestimmte Handwerkszweige gibt es in § 7 CoronaSchVO NRW gesonderte Verbote (z. B Friseure, Nagelstudios, Tätowierer usw.). Bauleistungen sind von diesen Verboten jedoch nicht betroffen. Vielmehr gilt für sie die Regelung nach § 7 Abs. 1 CoronaSchVO NRW, nach der sie ihrer Tätigkeit weiterhin nachgehen können. Auf die Frage, welche „Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen“ zu treffen sind, kommen wir noch zurück.

Ausgenommen von dem Kontaktverbot sind nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 CoronaSchVO NRW „zwingend notwendige Zusammenkünfte aus geschäftlichen, beruflichen und dienstlichen Gründen“. Eine notwendige Baubesprechung darf daher stattfinden, und zwar auch im Freien an einer für die Öffentlichkeit zugänglichen Stelle, zum Beispiel vor der Baustelleneinfahrt oder auf dem Bürgersteig bzw. am Straßenrand, stattfinden.

3. Muss der Auftragnehmer Ersatz für ausländische Nachunternehmer suchen?

Mitunter stehen ausländische Nachunternehmer nicht mehr zur Verfügung, weil ihre Mitarbeiter nicht mehr nach Deutschland einreisen dürfen. Hat der Auftragnehmer den Nachunternehmer mit Zustimmung des Auftraggebers eingebunden (vgl. auch § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B), führt eine solche Corona-bedingte Behinderung beim Nachunternehmer zu einer Verlängerung der Ausführungsfrist. Voraussetzung ist stets, dass beim Nachunternehmer höhere Gewalt oder unabwendbare Ereignisse für die Behinderung verantwortlich sind und ihn kein eigenes Verschulden trifft. Die behindernden Umstände sind bauablaufbezogen vom Auftragnehmer darzulegen.

Erfolgt die Beschäftigung des Nachunternehmers hingegen ohne Einverständnis, obwohl dieses nach den Vertragsbestimmungen erforderlich wäre (für den VOB-Vertrag: § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B), kann sich der Auftragnehmer nach unserer Auffassung auf eine Behinderung beim Nachunternehmer von vornherein nicht berufen (so für den Fall eines Streiks beim Nachunter-nehmer auch Berger in Beck'scher VOB-Kommentar, Teil B, § 6 Abs. 2 Rz. 73).

4. Muss der Bauherr den Gesundheitsschutz auf der Baustelle sicherstellen?

Bei Vereinbarung der VOB/B bestimmt § 4 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/B, dass der Auftraggeber für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle zu sorgen und das Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmer zu regeln hat. Nichts anderes wird man – vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen – beim Bauvertrag nach BGB annehmen müs-sen.

Hieraus folgt, dass der Bauherr die in seiner Sphäre liegenden Maßnahmen zu treffen hat, um Gefahren für die Unternehmen und ihre Beschäftigten auf der Baustelle zu vermeiden. Nach überwiegender Ansicht handelt es sich hierbei jedoch nicht um echte Vertragspflichten, sondern um Obliegenheiten des Auftraggebers – die insoweit nicht einklagbar sind (Gartz in Nicklisch/Weick/Jans/Seibel, VOB/B, § 4 Rz. 14 m.w.N.). Eine Haftung bei Nichterfüllung kann jedoch auch bei der Verletzung von Obliegenheiten in Betracht kommen.

5. Wie weit gehen die Pflichten des Bauherrn beim Gesundheitsschutz?

Den Bauherrn treffen lediglich übergeordnete, insbesondere die Baustelle koordinierende Pflichten. Gleiches gilt für die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten, die mit Baubeginn in der Regel weitgehend auf den Auftragnehmer übergehen, der seinem Gewerk näher steht. Für den VOB-Vertrag ist die Verantwortlichkeit des Auftragnehmers für die Erfüllung seiner Arbeitsschutzpflichten ausdrücklich in § 4 Abs. 2 Nr. 1 S. 3, Nr. 2 VOB/B geregelt:

  1. Der Auftragnehmer hat die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen. Dabei hat er die anerkannten Regeln der Technik und die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen zu beachten. Es ist seine Sache, die Ausführung seiner vertraglichen Leistung zu leiten und für Ordnung auf seiner Arbeitsstelle zu sorgen.
     
  2. Er ist für die Erfüllung der gesetzlichen, behördlichen und berufsgenossenschaftlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern allein verantwortlich. Es ist ausschließlich seine Aufgabe, die Vereinbarungen und Maßnahmen zu treffen, die sein Verhältnis zu den Arbeitnehmern regeln.

Nichts anderes gilt im Ergebnis für den Bauvertrag nach BGB. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Bestimmungen der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (BaustellV). Hierzu hat das OLG Hamm mit Urteil vom 09.11.2012 – I-9 U 7/11, NJW-RR 2013, 267) entschieden, dass aus der in § 3 BaustellV geregelten Verpflichtung des Bauherrn zur Koordination der Baustelle nicht folgt, dass der Bauherr für das „Wohl und Wehe“ aller auf seiner Baustelle tätig werdenden Handwerker der von ihm beauftragten Unternehmer verantwortlich wäre. Das OLG hat hierbei unter anderem auf § 5 Abs. 3 der BaustellV hingewiesen, wonach die Verantwortlichkeit der Arbeitgeber – also der bauausführenden Unternehmen – für die Erfüllung ihrer Arbeitsschutzpflichten durch die Maßnahmen nach den §§ 2 und 3 BaustellV nicht berührt werden.

Die Regelung der internen Abläufe der bauausführenden Unternehmen ist insoweit nicht Aufgabe des Auftraggebers. Auch die Gestaltung der Anfahrt zur Baustelle ist allein Sache des Auftragnehmers.

6. Welche konkreten Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen sind rechtlich erforderlich?

Auch hier gilt: Maßgeblich sind die konkreten Regelungen der einzelnen Bundesländer. Wie bereits erwähnt, können beispielswiese nach § 7 Abs. 1 CoronaSchVO NRW Handwerker und Dienstleister ihrer Tätigkeit „mit Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen“ weiterhin nachgehen. Ein grundsätzlicher rechtlicher Rahmen zum Schutz von Infektionen besteht insoweit jedoch nicht. Auch der CoronaSchVO NRW sind keine näheren Angaben zu entnehmen, welche Vorkehrungen konkret zu treffen sind.

Zur konkreteren Bestimmung der erforderlichen Schutzmaßnahmen kann auf die aktuellen Empfehlungen der Gesundheitsbehörden und des Robert-Koch-Instituts zurückgegriffen werden. Gute Leitlinien sind auch die im Internet veröffentlichten Hinweise der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) und der Gemeinsame Aufruf der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft vom 27.03.2020 (https://igbau.de/Binaries/Binary13786/2020-03-27-Gemeinsamer-Aufruf-Arbeitschutz.pdf).

Empfohlen wird beispielsweise, bei Sammelfahrten mit Firmenbussen die Anzahl der Fahrzeuginsassen durch parallele Nutzung von Privatfahrzeugen zu reduzieren. Ferner heißt es, dass grundsätzlich gelte, die Arbeitsabläufe nach Möglichkeit so zu gestalten, dass die Beschäftigten den notwendigen Abstand von 1,50 m einhalten können. Direkte, enge Zusammenarbeit von Beschäftigten solle vermieden werden, wo dies möglich ist. Gegebenenfalls sollen kleine Teams mit fester Besetzung gebildet werden. Arbeiten in Innenräumen sollen falls möglich so organisiert werden, dass in kleineren Räumen nur eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter arbeitet.

Soweit freilich Kontakte bzw. eine Unterschreitung der Abstandsempfehlung nicht zu vermeiden sind, ist dies hinzunehmen. Ein Recht der Baubeteiligten zur Leistungsverweigerung besteht nicht und lässt sich auch aus den Hinweisen und Empfehlungen der Gesundheitsbehörden, der Berufsgenossenschaft und der Tarifvertragsparteien nicht ableiten.

Wenn die vorstehend aufgeführten Hinweise und Empfehlungen sowie gegebenenfalls konkretisierende Anordnungen des SiGeKo für die betreffende Baustelle beachtet werden, werden unseres Erachtens die nach § 7 Abs. 1 CoronaSchVO infektionsschutzrechtlich erforderlichen „Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen“ getroffen.

7. Wie könnten Vorkehrungen auf der Baustelle aussehen?

Konkrete Vorkehrungen auf der Baustelle, mit denen die vorstehend erwähnten Hinweise und Empfehlungen umgesetzt werden, könnten zum Beispiel sein:

  • Wo eben möglich sollte ein Abstand von 1,50 m eingehalten werden.
  • Arbeiten mehrerer Gewerke im selben Raum sollten soweit möglich vermieden werden. Gleiches gilt für das Arbeiten mehrerer Personen im selben Raum.
  • Bei der Anfahrt zur Baustelle sollten sich die Mitarbeiter nach Möglichkeit so auf mehrere Verkehrsmittel aufteilen, dass ausreichend große Abstände weitgehend eingehalten werden können.
  • Sofern Baubesprechungen eine persönliche Anwesenheit erfordern und nicht zum Beispiel als Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden können, sollten die Besprechungen im Freien durchgeführt werden.
  • An geeigneten Stellen sollte Desinfektionsmittel bereitgestellt werden. Reinigungsintervalle gemeinsam genutzter Einrichtungen sollten erhöht werden.
  • Soweit eine Baustelleneinrichtung mit Bauzaun dies zulässt, könnten Einlasskontrollen eingeführt werden. Der Zutritt sollte hierzu auf konkrete Einlasspunkte festgelegt werden. Hier könnten dann auch – mit entsprechendem Abstand – die jeweiligen Personendaten aufgenommen werden.
  • Die Berufsgenossenschaft Bau hat für das Baugewerbe in Corona-Zeiten Hinweiszettel zum Aushang auf Baustellen veröffentlicht, die an den Zugangspunkten ausgehangen oder ausgegeben werden könnten.
  • An den Zugangspunkten könnte jedem Arbeiter ein kurzes Formular zur Selbstauskunft ausgehändigt werden, welches etwa entsprechend dem online abrufbaren Hygieneplakat der BG Bau abfragen könnte:

          -    Hat die Person grippeähnliche Symptome, wie Fieber, Husten, infektbedingte Atem-not?
          -    Hatte die Person innerhalb der letzten 14 Tage Kontakt zu einem Coronavirus-Erkrankten?
          -    War die Person in den letzten 14 Tagen in einem als Risikogebiet eingestuften Land (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html)?

  • Die Anordnung einer Meldepflicht von diagnostizierten Infektionen könnte angeordnet und Anweisungen zum Verhalten bei Krankheitssymptomen erteilt werden.

Wer die vorstehenden Maßnahmen zu veranlassen hätte, ergibt sich aus der oben dargestellten Aufteilung der Pflichten und Obliegenheiten der Unternehmer als Arbeitgeber einerseits sowie des Bauherrn als Verantwortlichem für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle andererseits.

8. Ist eine Unterbringung auswärtiger Arbeitnehmer zulässig?

Monteure und Bauarbeiter, die von entfernten auswärtigen Standorten anreisen, müssen oft in der Nähe der Baustelle untergebracht werden. Dies ist grundsätzlich weiter zulässig. Nach § 8 CoronaSchVO NRW etwa sind Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken untersagt. Zulässig bleibt aber die Beherbergung zu geschäftlichen und beruflichen Zwecken, und zwar unabhängig davon, in welcher Form diese stattfindet.

Was in Ihrem Bundesland gilt und ob möglicherweise auf kommunaler Ebene weitergehende Verfügungen erlassen wurden, können Sie in der Regel auf den Internetauftritten der Städte und Kommunen nachlesen. Sollten Fragen bestehen, stehen wir gerne zur Verfügung.

9. Muss der Auftragnehmer mitteilen, welche Arbeiter täglich vor Ort sind?

Durch eine Erfassung der auf der Baustelle anwesenden Arbeiter könnte im Fall einer Infektion zielgerichteter festgestellt werden, welche weiteren Personen gefährdet sind und sich möglicherweise in Quarantäne begeben müssen – oder auch ungefährdet bleiben. Damit stellt sich die Frage, ob der Bauherr einen Anspruch darauf hat, dass der Auftragnehmer entsprechende In-formationen an den Bauherrn weitergibt.

Ein Anspruch des Bauherrn gegen den Auftragnehmer auf Angabe der vor Ort befindlichen Personen ergibt sich zwar nicht aus Gesetz, ließe sich unseres Erachten jedoch aus den bauvertraglichen Kooperationspflichten der Parteien ableiten. Aus dem bauvertraglichen Kooperationsgebot ergeben sich für beide Seiten Obliegenheiten und Pflichten zur Mitwirkung und gegenseitigen Information (BGH, Urteil vom 28.10.1999 – VII ZR 393/98, NJW 2000, 807 m.w.N.). Hierunter lassen sich auch Informationspflichten zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes auf der Baustelle fassen, die hier zur weiteren Eindämmung der Epidemie unerlässlich sind. Oftmals enthalten jedoch auch die Bauverträge bzw. die Zusätzlichen oder Besonderen Vertragsbedingungen, die Bestandteile der Bauverträge werden, Bestimmungen zur Dokumentation der auf der Baustelle tätigen Personen.

10. Bestehen datenschutzrechtliche Bedenken bei der Verarbeitung der Daten?

Die Verarbeitung zu Zwecken der Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Pandemie ist rechtlich zulässig. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. d DS-GVO ist die Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Personen oder einer anderen natürlichen Person zu schützen. Hierunter soll ausweislich Erwägungsgrund 46 zur Verordnung gerade „beispielsweise die Verarbeitung für humanitäre Zwecke einschließlich der Überwachung von Epidemien und deren Ausbreitungfallen. Überdies wäre die Verarbei-tung zu Zwecken der Verhinderung der Ausweitung der Pandemie bereits gemäß § 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO zur „Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich“ und damit zulässig.

11. Kann eine Haftung des Auftraggebers für Infektionen bestehen?

Eine Regelung zur Gefährdungshaftung eines Auftraggebers eines Bauvertrages für Infektionen der Mitarbeiter eines Auftragnehmers auf der Baustelle besteht nicht. Sofern von Seiten des Bauherrn in seinem Zuständigkeitsbereich die gesetzlichen Vorschriften und die amtlichen Empfehlungen beachtet werden und nicht schuldhaft gegen solche Regelungen verstoßen wird, besteht daher kein Grund zu einer Haftung gegenüber den Mitarbeitern der Auftragnehmer.

12. Haftet der Auftragnehmer, wenn es zu Schäden am Bauwerk kommt, weil Behinde-rungen die Bauausführung beeinträchtigen?

Auch und gerade in Zeiten der Krise sind die bauvertraglichen Kooperationspflichten zu beachten. Dies bedeutet: Bei Vorliegen von Behinderungen ist es weiter Pflicht des Auftragnehmers, den Auftraggeber auf bestehende Risiken aufgrund des Baustillstands hinzuweisen und geeignete Maßnahmen zur Schadensabwendung mitzuteilen. Übergeordnet sind hierbei Architekt und Fachplaner in der Pflicht.

Wie bei den meisten Fragen gilt jedoch auch hier: Letztlich sind immer die Umstände im konkreten Einzelfall entscheidend. Hierbei ist ein Blick in die vertraglichen Vereinbarungen unerlässlich.


Lars Maria Markmann      Dr. Norbert Reuber            
Rechtsanwalt                      Rechtsanwalt                
                                                Fachanwalt für Verwaltungsrecht        
8. April 2020

 

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Update: Coronavirus (SARS-CoV-2) Leistungsstörungen im Bau- und Architektenvertrag

Das Thema Coronavirus (SARS-CoV-2) stellt auch die Baubranche weiter vor Herausforderungen. Nachdem zunächst mögliche Personal- bzw. Lieferengpässe im Vordergrund der Diskussion standen, stellen sich zwischenzeitlich deutlich weitergehende Fragen, sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur. Und auch der Gesetzgeber ist nicht untätig geblieben:

Der Bundestag hat am 25.03.2020 einstimmig ein Gesetz „zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ verabschiedet. Unter Artikel 240 EGBGB wurden coronaspezifische Regelungen für das Vertragsrecht eingeführt, unter anderem ein Moratorium, d.h. Leistungsverweigerungsrechte aus Gründen der Coronapandemie. Die Neuregelungen in Artikel 240 EGBGB treten am 01.04.2020 in Kraft.

Die Regelung des Moratoriums findet sich im neu eingefügten Artikel 240 § 1 EGBGB und gilt für Verbraucher und Kleinstunternehmen unter der Voraussetzung, dass diesen die Erbringung der Vertragsleistung aus Umständen der Coronapandemie nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Das Leistungsverweigerungsrecht gilt allerdings lediglich in Bezug auf wesentliche Dauerschuldverhältnisse, worunter ausweislich der Gesetzesbegründung etwa Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom, Gas, Wasser oder über Telekommunikationsdienste fallen sollen (BT-Drucks. 19/18110, S. 34). Für das Bauvertragsrecht dürften die Regelungen damit vorerst keine Rolle spielen.

Hier sind in erster Linie stets die vertraglichen Vereinbarungen maßgeblich. Findet sich dort keine Regelung oder sind die Regelungen möglicherweise unwirksam, gilt Folgendes:

1. VOB-Vertrag

Haben die Parteien die Geltung der VOB/B (wirksam) vereinbart, findet sich eine detaillierte Regelung für Leistungsstörungen und deren Folgen in § 6 VOB/B. Danach ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine Behinderung vorliegt, was vom Auftragnehmer darzulegen ist. Erst in einem zweiten Schritt kommt es darauf an, worauf diese Behinderung zurückzuführen ist.

Aus einer Behinderungsanzeige müssen – auch in Zeiten der Coronakrise – die hindernden Umstände in hinreichender Klarheit hervorgehen; es sind Angaben zu machen, ob und wann die Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssen, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können (OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019, 2 U 81/19; BGH, Urteil vom 21.10.1999, VII ZR 185/98). Eine Behinderung liegt nach der Rechtsprechung nicht vor, wenn die vermeintlich behindernden Umstände durch Umstellungen im Bauablauf abgefangen werden können (BGH, Urteil vom 21.03.2002, VII ZR 224/00). Ein pauschaler Hinweis des ausführenden Unternehmens reicht also im Falle der Coronakrise genauso wenig aus wie bei schwierigen Witterungsbedingungen. Im Falle behördlicher Betriebsstilllegungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfte die Darlegung der Behinderung jedoch einfacher fallen.

Liegt eine Behinderung vor und ist diese auf höhere Gewalt oder für den Auftragnehmer unabwendbare Ereignisse zurückzuführen, führt dies zu einer Verlängerung der Ausführungsfristen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) VOB/B) und zum Ausscheiden von Schadensersatzansprüchen. Dass es sich bei der Coronapandemie um höhere Gewalt oder unabwendbare Ereignisse handelt, dürfte nach dem Verlauf der letzten Wochen außer Frage stehen.

2. BGB-Bauvertrag

Für den BGB-Bauvertrag fehlt zwar eine konkrete Regelung wie in der VOB/B. Im Ergebnis können vorstehende Ausführungen jedoch auch auf den BGB-Bauvertrag übertragen werden. Hier bestimmt § 286 Abs. 4 BGB, dass der Schuldner nicht in Verzug kommt, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Fälle höherer Gewalt hat der Auftragnehmer per Definition nicht zu vertreten. Insofern kommen auch keine Schadensersatzansprüche gegen ihn in Betracht.

Kann der Auftragnehmer seine Leistungen aufgrund der Coronapandemie tatsächlich in keiner Weise erbringen, läge zudem eine vorübergehende Unmöglichkeit vor. In diesem Fall wären Auftragnehmer wie Auftraggeber von ihren Leistungs- bzw. Gegenleistungspflichten vorübergehend befreit (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1 BGB).

3. Architekten- und Ingenieurverträge

Vorstehende Ausführungen gelten gleichermaßen für Architekten- und Ingenieurverträge gemäß den §§ 650p ff. BGB. Die Probleme, die sich für Planer und Fachplaner derzeit stellen, dürften jedoch noch komplexer sein, als die der ausführenden Unternehmen.

Sowohl die an der Planung fachlich Beteiligten als auch die ausführenden Gewerke sind so untereinander zu koordinieren, dass ein kontinuierlicher Bauablauf ermöglicht wird. Bei der Erstellung der Leistungsverzeichnisse wird zu prüfen sein, ob Materialien lieferbar sind. Der Planer ist gut beraten, zusätzliche zeitliche Puffer in der Terminplanung vorzusehen. Hat ein Planer die Funktion des Sicherheits- und Gesundheitskoordinators (SiGeKo) übernommen, wird dieser seinen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan aufgrund der aktuellen Situation überarbeiten müssen.

In honorarrechtlicher Hinsicht kann eine gegebenenfalls erforderliche Wiederholung von Grundleistungen berechtigte Mehrhonorarforderungen des Planers auslösen. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze. Aufgrund des nicht unerheblichen Mehraufwands des Planers kann zudem unter Umständen ein Anspruch auf Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen (§ 313 BGB).


II. Ausblick

Die seit dem 23.03.2020 bundesweit geltenden Ausgangsbeschränkungen sehen regelmäßig Befreiungen für Handwerksbetriebe vor, sodass Bauleistungen unter Einhaltung von Schutzvorkehrungen weiter erbracht werden können (vgl. etwa § 7 CoronaSchVO NRW vom 22.03.2020). Der rechtliche Rahmen für die weitere Vertragsdurchführung wird auch davon abhängen, wie sich die Lage weiter entwickelt.

Bei längerfristiger Behinderung oder sogar Unterbrechung der Vertragsausführung kann eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) sowie in letzter Konsequenz die Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund in Betracht kommen. Es ist jedoch Vorsicht geboten, die Voraussetzungen hierfür vorschnell zu bejahen. Darüber hinaus gilt:

1. VOB-Vertrag

Für den VOB-Vertrag finden sich konkrete Regelungen für eine Unterbrechung der Leistung zudem in § 6 Abs. 5 und 7 VOB/B. Während § 6 Abs. 5 VOB/B die Abrechnung der bisherigen Leistungen betrifft, beinhaltet § 6 Abs. 7 VOB/B ein Sonderkündigungsrecht, wenn eine Unterbrechung länger als 3 Monate dauert. Eine Unterbrechung der Leistung in diesem Sinne liegt jedoch erst vor, wenn der Auftragnehmer wirklich keinerlei Tätigkeiten mehr entfaltet.

2. BGB-Bauvertrag, Architekten- und Ingenieurverträge

Wie oben ausgeführt, können Leistungsstörungen zu einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Leistungserbringung führen. Diese kann im Einzelfall einer dauernden Unmöglichkeit gleichstehen. Der BGH hat in einem solchen Fall bereits in entsprechender Anwendung von § 645 Abs. 1 BGB einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Auftragnehmers angenommen (BGH, Urteil vom 11.03.1982, VII ZR 357/80).

In dem Fall war die weitere Leistungserbringung (Montage einer Anlage im Iran) aufgrund politischer Unruhen bereits für 3 Jahre unmöglich gewesen. Hier ging es dann um die Frage, wem das Risiko von politischen Unruhen zuzuordnen war. Auf Leistungsstörungen aufgrund der Coronapandemie lässt sich diese Rechtsprechung jedoch nach unserer Auffassung nicht übertragen, nicht zuletzt weil der Fall einer Pandemie weder dem Risikobereich des Auftraggebers noch des Auftragnehmers zugeordnet werden könnte.

III. Praxishinweise

Zu prüfen sind immer zuerst die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Insbesondere in internationalen Verträgen ist eine Klausel für Fälle höherer Gewalt („Force Majeure“) regelmäßiger Vertragsbestandteil. Im internationalen Warenverkehr kann zudem Art. 79 CISG zu beachten sein.

Die Kündigung des Vertrags sollte grundsätzlich letztes Mittel sein. Öffentliche Auftraggeber stünden im Falle einer Vertragskündigung vor der Problematik, die Leistungen neu vergeben zu müssen.

In allen Fällen sind die bauvertraglichen Kooperationspflichten zu beachten: auch in Zeiten der Coronakrise bestehen entsprechende Hinweis- und Informationspflichten, insbesondere zur Vermeidung von Schäden am Bauwerk. Auch der Auftraggeber sollte seinen Pflichten und Obliegenheiten pflichtgemäß nachkommen und im eigenen Interesse eine Bauzeitverzögerung vermeiden.


Lars Maria Markmann
Rechtsanwalt
1. April 2020

 

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CORONA: Update Mietrecht / befristeter Kündigungsausschluss

Kündigungen von Miet- und Pachtverhältnissen wegen Mietrückständen vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 sollten, soweit der Mietrückstand auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist, unzulässig sein. Dies gilt für gewerbliche Miet-verhältnisse ebenso wie für die Miete von Wohnraum.

Die Bundesregierung hat am gestrigen Montag, den 23.03.2020 ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie auf den Weg gebracht. Die gesetzliche Regelung, die noch in dieser Woche den Bundestag und den Bundesrat durchlaufen soll, sieht vor, dass ein Vermieter ein Mietverhältnis über ein Grundstück oder über Räume nicht allein deshalb kündigen kann, weil der Mieter im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht zahlen kann, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Damit wird die Möglichkeit ausgeschlossen, im benannten Zeitraum Mietverhältnisse außerordentlich fristlos gemäß § 543 BGB oder ordentlich mit berechtigtem Interesse gemäß § 573 BGB wegen Zahlungsverzugs zu kündigen. Diese Regelung gilt nur in den Fällen, in denen die Nichtzahlung der Miete Folge der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie ist. Sollte der Mieter aus anderen Gründen zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig sein, so ist eine Kündigung weiter nach den gesetzlichen Vorschriften möglich.

Wichtig:

Die grundsätzliche Verpflichtung zur Zahlung der Miete entfällt durch diese gesetzliche Regelung nicht! Der Gesetzgeber regelt nur die Folgen der Nichtzahlung für einen begrenzten Zeitraum. Die Zahlungspflicht bleibt im vertraglichen Umfang bestehen.

Den Zusammenhang zwischen der Zahlungsunfähigkeit und der COVID-19-Pandemie muss der Mieter im Streitfall glaubhaft machen. Er hat die Tatsachen darzulegen, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass er infolge der COVID-19-Pandemie nicht in der Lage ist, seine Miete zu erbringen. Er kann hierzu entsprechende Nachweise, wie auch Anträge auf Gewährung staatlicher Leistungen oder eine Bescheinigung des Arbeitgebers über das Einkommen, vorlegen.

Mieter von Gewerbeimmobilien sollen den Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung auch dadurch deutlich machen können, dass sie darlegen, dass ihnen durch Rechtsverordnung oder behördliche Veranlassung der Betrieb ihres Gewerbes untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist.

Die gesetzlichen Neuregelungen sollen ausdrücklich Kündigungen wegen Zahlungsverzuges betreffen. Sonstige Kündigungsmöglichkeiten sollen weiterhin bestehen bleiben. Nach dem derzeitigen Entwurf der Bundesregierung ist der Kündigungsausschluss nur bis zum 30.06.2022 anwendbar. Bis zu diesem Datum müssen dann die Kündigungsrückstände wieder ausgeglichen werden. Dies dürfte den Mietern eine erhebliche Zeitspanne zum Ausgleich der Mieten einräumen. Nach Ablauf der genannten Frist sind Kündigungen dann wieder, auch mit Blick auf Zahlungsrückstände für die Zeit vom 01.04.2020 bis 30.06.2020, möglich.

Die Regelung soll am 01.04.2020 in Kraft treten. Die Bundesregierung hat darüber hinaus das Recht, durch Rechtsverordnung eine Verlängerung des genannten Zeitraums bis zum 30.09.2020 zu bestimmen. Eine darüber hinausgehende Verlängerung des Zeitraums soll dann nur mit Beschluss des Bundestages und ohne Zustimmung des Bundesrates zulässig sein.

Sollte dieses Gesetzesvorhaben umgesetzt werden, wovon auszugehen ist, hat die Bundesregierung Mietern, aber auch Vermietern klare Handlungsregelungen aufgezeigt. Mieter müssen nicht befürchten, ihre Wohnungen oder Gewerbemieter ihr Ladenlokal zu verlieren, wenn sie infolge der COVID-19-Pandemie in finanzielle Schieflage geraten sind. Auch für die Vermieter hat die Bundesregierung ein klares Signal gesetzt. Die Pflicht zur Zahlung der Miete entfällt nicht. Diese bleibt weiterhin bestehen. Es entfällt nur die Rechtsfolge der Kündigung bis zum 30.06.2022.

 

Michael Schu
Rechtsanwalt
24. März 2020

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CORONA: Update Wohnungseigentumsrecht

Die Bundesregierung hat in dem gestern auf den Weg gebrachten Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie auch Regelungen zum Wohnungseigentumsrecht beschlossen. Die Bundesregierung hat erkannt, dass mit Blick auf die derzeitige COVID-19-Pandemie die Durchführung von Eigentümerversammlungen gerade bei größeren Gemeinschaften ausgeschlossen ist. Versammlungsorte sind nicht zu finden. Gaststätten sind z.B. geschlossen. Vor diesem Hintergrund soll gesetzlich geregelt werden, dass der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungs-eigentumsgesetzes bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt bleibt. Ferner sieht das Gesetz vor, dass der von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fortgelten soll. Diese gesetzliche Regelung soll, soweit das Gesetz dann beschlossen wird, mit Wirkung zum 01.03.2020 in Kraft treten und soll bis zum 31.03.2021 fortgelten.

In der Begründung wird ausdrücklich auf die Regelung des § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG Bezug genommen, die dem Verwalter die Möglichkeit gibt, in dringenden Fällen die Maßnahmen zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums auch ohne vorhergehende Beschlussfassung durch die Eigentümer zu treffen.

Außerdem wird in der Begründung darauf hingewiesen, dass ein dringender Fall dann vorliegt, wenn die vorherige Beschlussfassung der Eigentümer in der Eigentümerversammlung nicht möglich ist. Der Verwalter soll demnach die unaufschiebbaren Maßnahmen veranlassen können. Dies soll insbesondere für Fälle gelten, in denen dem gemeinschaftlichen Eigentum ein Schaden droht, wenn nicht umgehend gehandelt wird. Daneben werden in der Begründung auch die Regelungen des § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WEG erwähnt, welche den Verwalter berechtigen, Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind. Ziel des Gesetzgebers ist ganz eindeutig, die Handlungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft auch in Notsituationen wie der COVID-19-Pandemie sicherzustellen. Die Eigentümergemeinschaft soll nicht verwalterlos dastehen. Sie soll auch nicht ohne finanzielle Mittel dastehen. Dies dürfte dem Gesetzgeber gelungen sein.

Michael Schu
Rechtsanwalt
24. März 2020

 

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CORONA - Vorsicht bei der Mietminderung

Für viele Gewerbemieter stellt sich die Frage, ob sie, nachdem sie in Folge wörtlicher Anordnung zur Schließung ihres Ladenlokales verpflichtet worden sind, auch weiterhin verpflichtet sind, ihre monatliche Miete zu zahlen. So schmerzhaft dies für die betroffenen Gewerberaummieter ist, die Antwort dürfte wohl „ja“ lauten. In der Presse ist derzeit vereinzelt zu lesen, dass eine behördliche Anordnung zur Einstellung des Geschäftsbetriebes in einem Ladenlokal im Zusammenhang mit der Corona-Krise einen den Gebrauch der Mietsache beeinträchtigenden und damit letztlich zur Minderung führenden Mangel darstellt. Die Mieter wären in einem solchen Falle berechtigt, die Miete zu mindern. Dieser Rat ist gefährlich! Ohne entsprechende gesetzliche Regelungen, die offenbar durch die Bundesregierung derzeit vorbereitet werden, läuft der Mieter Gefahr, dass das Mietverhältnis durch den Vermieter bei einem entsprechenden Zahlungsverzug von z.B. zwei Monatsmieten zu Recht außerordentlich fristlos gekündigt wird.

Eine behördliche Anordnung zur Einstellung des Geschäftsbetriebs in Folge der Corona-Krise dürfte nämlich keinen Mangel der Mietsache darstellen. Grundsätzlich ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter das Mietobjekt in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zur Verfügung zu stellen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, dürften sie nicht durch eine behördlich angeordnete Betriebseinstellung im Zusammenhang mit der Corona-Krise beseitigt werden. Die Behörde untersagt nämlich nicht die Nutzung der Räume zum vertragsgemäßen Gebrauch, sondern untersagt dem Mieter die Aufrechterhaltung des Betriebes mit Blick auf gefahrenabwehrrechtliche Aspekte. Die Rechtsgrundlage für entsprechende Anordnungen findet sich dementsprechend für Nordrhein-Westfalen in §§ 32, 28 Abs. 1 S. 1, 2 Infektionsschutzgesetz i.V.m. der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Ziel dieser behördlichen Anordnung ist die Vermeidung unnötiger Sozialkontakte und die Vermeidung des Aufeinandertreffens verschiedenster möglicherweise infizierter Personen oder Personengruppen. Bei der Anordnung zur Einstellung des Betriebes geht es somit nicht um die Frage, ob das Mietobjekt weiterhin zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignet ist oder nicht, sondern vielmehr um Maßnahmen der Gefahrenabwehr, nämlich die Verfolgung des Ziels, dass nicht unnötige weitere Sozialkontakte entstehen. Die Anordnung der Behörde richtet sich demnach auch nicht, wie dies zum Beispiel bei baurechtlichen Nutzungsuntersagungsverfügungen (die Gebrauchshindernisse darstellen können) der Fall wäre, an den Vermieter und an den Mieter, sondern ausschließlich an den Mieter. Vor diesem Hintergrund dürfte wohl eher kein Mangel der Mietsache mit der Folge der Entstehung des Minderungsrechtes vorhanden sein. Es ist also bei übereilten Mietminderungen Vorsicht geboten. Hiervon sollte zunächst Abstand genommen werden.

Nach Presseberichten ist damit zu rechnen, dass die Bundesregierung kurzfristig über eine gesetzliche Regelung entscheidet, die hoffentlich vor der fälligen Aprilmiete in Kraft tritt. Hierüber werden wir berichten.

Wir können daher vor Mietminderungen ohne Rücksprache und Einvernehmen mit dem Vermieter nur abraten, zumal in einem Großteil der gewerblichen Mietverträge das Recht zur Minderung durch Einbehalt der Miete ausgeschlossen ist. Wer hier auf der sicheren Seite sein will, sollte die Miete unter dem Vorbehalt der Rückzahlung wegen etwaiger Mängel zahlen und die weitere Entwicklung sowohl hinsichtlich der Gesetzeslage als auch bezüglich der rechtlichen Diskussion abwarten.

 

Michael Schu
Rechtsanwalt
24. März 2020

 

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WhatsApp-Verkehr belegt Schwarzgeldabrede; Werkvertrag ist nichtig

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 21.01.2020, Az. 21 U 34/19, festgehalten, dass ein Gericht auch dann von der Nichtigkeit eines Werkvertrages ausgehen kann, wenn keine der Parteien sich darauf beruft. Die Schwarzgeldabrede wurde von dem Gericht in dem konkreten Fall unter anderem anhand eines WhatsApp-Austausches zwischen den Parteien festgestellt. Die Auswertung dieser schriftlichen Kommunikation habe ergeben, dass zur Überzeugung des Senates stillschweigend eine Schwarzgeldvereinbarung zustande gekommen ist. Zu dieser Erkenntnis kommt das Gericht, obwohl beide Parteien eine solche Abrede bestritten haben.

In dem zu entscheidenden Fall ging es darum, dass der Beklagte Eigentümer eines Hausgrundstückes ist und die Klägerin umfangreiche Baumaßnahmen in dem Objekt durchführte. Die Klägerin verlangt mit der Klage Zahlung restlichen Werklohnes. In dem Zusammenhang wurden Aufstellungen von beiden Seiten überreicht. Aus diesen und dem weiteren Sachvortrag ergab sich, dass mit Ausnahme der Zahlungen, die auf die von der Klägerin gestellten „Vorschussrechnungen“ erfolgten und einer Zahlung von 35.000,00 € auf zwei Konten der Klägerin die Mehrzahl der Geldbeträge in bar ohne Aushändigung einer Quittung an den Geschäftsführer der Klägerin für erbrachte Leistungen gezahlt wurde. Die Zahlung von 35.000,00 € beruhte darüber hinaus auf einem WhatsApp-Verkehr zwischen den Parteien. In diesem teilte der Geschäftsführer der Klägerin dem Beklagten durch Übersendung von Ablichtungen der Vor- und Rückseite zweier EC-Karten folgendes mit:

„Kannst du bitte aufteilen 20 auf dass eine Konto und 15 auf dass andere Konto dass nicht so viel an die Augen von F… kommt Danke“

Daraus schloss das Landgericht, ebenso wie das Oberlandesgericht, dass bedeutende Teile der von der Klägerin zu erbringen und tatsächlich erbrachten Leistungen ohne Rechnung und unter Verkürzung der von dieser geschuldeten Umsatzsteuer hätten vergütet werden sollen. Die Tatsache, dass die Parteien die Schwarzgeldabrede nicht vorgetragen habe, hindere das Gericht nicht daran, sich aufgrund unstreitiger Indizien eine Überzeugung dahingehend zu bilden, dass eine Schwarzgeldabrede vorliege. Die Parteien können auch nicht allein durch übereinstimmendes Leugnen einer Schwarzgeldabrede diese Überzeugungsbildung unterbinden.

Fazit:

Schwarzgeldabreden sind gefährlich. Auch dann, wenn nicht die Absicht besteht, sich auf die Schwarzgeldabrede zu berufen, können Indizien ein Gericht dazu veranlassen anzunehmen, dass Schwarzgeldzahlungen vorlagen bzw. verabredet waren. Der Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 Schwarzarbeitsgesetz führt gem. § 134 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages. Auch eine später ausgestellte Rechnung führt im Übrigen nicht zur rückwirkenden Wirksamkeit eines einmal nichtigen Vertrages.

Dr. Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
19. Februar 2020

 

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Unwirksamkeit einer Vertragserfüllungsbürgschaft

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in seinem Urteil vom 28. Oktober 2019, Az. 21 U 47/19 nähere Ausführungen zu der Frage gemacht, wann eine Bürgschaft gegen § 307 BGB verstoßen kann. Es ging in dem konkreten Fall um die Frage, ob eine Bürgschaft, die als „Vertragserfüllungs-bürgschaft“ bezeichnet wurde, als unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers im Sinne des § 307 BGB gewertet werden kann.

Bei der konkreten Bürgschaft hieß es wie folgt:

§ 12 Sicherheitsleistung...

Der AN leistet eine Ausführungssicherheit i.H.v. 10% des vereinbarten Nettopauschalfestpreises innerhalb von fünf Tagen nach Vertragsabschluss in Form einer oder mehrerer Bürgschaften – wobei Teilbürgschaften jeweils die Gesamtleistung abzusichern haben – (Vertragserfüllungsbürgschaft) textlich entsprechend dem in Anl. 7 der Anl. 4 beigefügten Muster mit der dort wiedergegebenen Sicherungsabrede.“

Korrespondierend zu dieser Regelung fand sich im Muster aus Anl. 7 der Anl. 4 folgende Beschreibung:

„…..  übernehmen wir hiermit gegenüber dem Auftraggeber die selbstschuldnerische Bürgschaft für die Erfüllung sämtlicher mit dem oben genannten Vertrag übernommenen Verpflichtungen des Auftragnehmers, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich der Abrechnung und Schadensersatz sowie für die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen bis zu einem Betrag in Höhe von…..“

Weiterhin heißt es in dem Vertrag:

„12.2

Gegen Rückgabe der Ausführungssicherheit leistet der AN auf die Dauer der Verjährungsfrist für Mängelrechte nach Fertigstellung, Rechnungslegung, Abnahme und Beseitigung der bei Abnahme festgestellten Mängel bzw. Erbringung der Restarbeiten eine Mängelsicherheit i.H.v. 5% der Nettoabrechnungssumme.

Der AN ist berechtigt, diese Sicherheit durch Vorlage einer oder mehrerer unbefristeter unbedingter, selbstschuldnerischer und schriftlicher Bankbürgschaften (Mängelbürgschaften) – wobei Teilbürgschaften jeweils die Gesamtleistung abzusichern haben –, welche keine Hinterlegungsklausel enthalten und textlich dem in Anl. 8 der Anl. 4 beigefügten Muster mit der dort wiedergegebenen Sicherungsabrede entsprechen muss, ablösen.

……

12.3

Bis zur Vorlage der vereinbarten Bürgschaften durch den AN ist der AG berechtigt entsprechende Einbehalte in Höhe der noch nicht geleisteten Sicherheiten von etwaigen Vergütungsansprüchen des AN zu tätigen. Die Einbehalte werden unverzüglich nach Vorlage der vereinbarten Bürgschaften an den AN ausbezahlt. Auf Verlangen des AN sind Einbehalte auf ein gemeinsames Konto bei einem zu benennenden Geldinstitut einzuzahlen. Kommt der AG dem trotz Aufforderung nicht nach, hat er den Einbehalt sofort an den AN herauszugeben.“

Das erstinstanzliche Gericht kam ebenso wie das Oberlandesgericht Frankfurt zu dem Schluss, dass diese Regelungen gegen § 305 ff. BGB verstoßen und deshalb unwirksam sind. Die Klauseln können dahingehend ausgelegt werden, dass zur Sicherung sämtlicher Ansprüche aus dem Bauvertrag auch solche Ansprüche zählen, die Mängel nach der Abnahme der Werkleistung betreffen. Dies gilt auch dann, wenn die Bürgschaft als Vertragserfüllungsbürgschaft bezeichnet wird. Das Oberlandesgericht Frankfurt macht deutlich, das maßgebend die verwenderfeindlichste Auslegung ist, wenn es um die Frage geht, ob eine unangemessene Benachteiligung des AN vorliegt. Insoweit folgt sie der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Regelungen zur Vertragserfüllungsbürgschaft, die eine Absicherung in dem für sich genommenen Zeitraum bis zur Abnahme unbedenklichen Umfang von 10% der Auftragssumme als Sicherungsumfang vorsehen, stellen dann eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dar, wenn bei verwenderfeindlichster Auslegung nicht nur die bis zur Abnahme entstandenen Ansprüche, sondern auch solche Gewährleistungsansprüche erfasst werden, die im Zeitraum nach Abnahme entstehen. Ist der Umfang der Vertragserfüllungsbürgschaft auf einen Betrag deutlich oberhalb der für die Angemessenheit von Gewährleistungsbürgschaften grundsätzlich noch nicht unangemessenen Schwelle von 5% der Nettoauftragssumme festgelegt worden, wie dies jedenfalls bei einem Anteil von 10% der Nettoauftragssumme der Fall ist, ergibt sich die Unangemessenheit schon aus dem isolierten Umfang des Sicherungsrechtes (siehe auch BGH, Urteil vom 20. März 2014, VII ZR 248/13).

Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich außerdem auch dann, wenn der Umfang einer Vertragserfüllungsbürgschaft, die nach ihrem Inhalt bei verwenderfeindlichster Auslegung auch noch nach Abnahme entstandene Gewährleistungsansprüche absichert, für sich genommen in dem für den Zeitraum nach Abnahme hinnehmbaren Bereich von 5% der Nettoauftragssumme liegt. Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich daraus, dass der Auftraggeber bzw. Sicherungsnehmer zusätzlich zu dieser Vertragserfüllungsbürgschaft noch weitere zur Absicherung der nach Abnahme entstandenen Gewährleistungsansprüche bestimmte Sicherungsrechte parallel zur Vertragserfüllungsbürgschaft in Anspruch nehmen kann. Eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers fällt in diesen Fällen nur dann weg, wenn der Auftragnehmer durch die Regelungen über die Voraussetzungen der Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft einen durchsetzbaren Anspruch darauf hat, dass die Erfüllungsbürgschaft, auch wenn sie nach der Abnahme entstandene Ansprüche mit umfasst, in einem zeitnahen Zusammenhang mit der Abnahme an den Auftragnehmer zurückgegeben werden muss. Sind die Vertragsgrundlagen allerdings so beschaffen, dass der Auftraggeber bzw. Sicherungsnehmer befugt ist, eine Vertragserfüllungsbürgschaft auch längere Zeit nach der Abnahme zu behalten, insbesondere wegen ihres Inhaltes, wonach sämtliche Ansprüche des Auftraggebers durch die Bürgschaft abgesichert werden sollen, liegt in dem Austauschrecht des Sicherungsgebers kein taugliches Mittel, um die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers auszuschließen, die sich in diesem Fall daraus ergibt, dass die Bürgschaft den Satz von 5% der Nettoauftragssumme übersteigt, der nach der Abnahme entstandene Mängelrechte die Obergrenze einer angemessenen Sicherung übersteigt. Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich insoweit daraus, dass der Auftraggeber bzw. der Sicherungsnehmer die Bürgschaft für ein unter Umständen erheblichen Zeitraum behalten darf, während dessen durch die Bürgschaft gesicherte Mängelansprüche entstehen können (so auch BGH Urteil vom 20. März 2014). Er steht sich dadurch ebenso, wie er auch stehen würde, wenn er eine isolierte Mängelgewährleistungssicherheit in einem von der Rechtsprechung als unangemessen angesehenen Umfang von 10% der Nettoauftragssumme erhalten hätte.

Fazit

Es ist immer wieder darauf zu achten, dass die Formulierungen in den Bürgschaftsvereinbarungen und in den Bürgschaftsmustern bei verwenderfeindlichster Auslegung nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers führen. Insbesondere kritisch sind hier die Übergänge zwischen Erfüllungsbürgschaft und Bürgschaft zur Absicherung von Mängeln, die nach Abnahme auftreten.

Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
28. Januar 2020

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Anwendung des UN-Kaufrechts im Bauvertragsrecht - BGH, Urteil vom 07.12.2017 - VII ZR 101/14 (OLG Naumburg)

Auch im Rahmen von Bauprojekten kann bei grenzüberschreitenden Sachverhalten das UN-Kaufrecht (CISG) Anwendung finden. Dies muss nicht grundsätzlich nachteilig sein. Es erfordert hier stets eine Prüfung im Einzelfall, ob eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts unter Ausschluss des CISG vereinbart werden sollte.

Das CISG findet im Ausgangspunkt auf grenzüberschreitende Kaufverträge über Waren Anwendung (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 CISG). Dies könnte schnell zu dem Fehlschluss führen, dass das CISG im Bauvertragsrecht regelmäßig unanwendbar wäre. Dies ist offensichtlich unzutreffend, soweit es um die Belieferung von Baumaterial im grenzüberschreitenden Verkehr geht. Unbedingt zu beachten ist darüber hinaus die Regelung in Art. 3 CISG:

(1) Den Kaufverträgen stehen Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware gleich, es sei denn, dass der Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat.
(2) Dieses Übereinkommen ist auf Verträge nicht anzuwenden, bei denen der überwiegende Teil der Pflichten der Partei, welche die Ware liefert, in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht.

Damit sind zum einen – wie im deutschen Recht auch – Werklieferungsverträge dem Kaufrecht im Grunde gleichgestellt. Zum anderen ergibt sich aus Abs. 2, dass auch Kauf- und Werklieferungsverträge mit Montagepflichten unter den Anwendungsbereich des CISG fallen können. Unanwendbar ist das CISG insoweit auf Verträge, bei denen der überwiegende Teil der Pflichten der Partei, die die Ware liefert, in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht. Mit Urteil vom 07.12.2017, VII ZR 101/14, hat der BGH dazu Stellung genommen, wann ein solches „Überwiegen“ vorliegen soll:

„Ein „Überwiegen“ ist immer anzunehmen, wenn der Wert der „Arbeiten und anderen Dienstleistungen“ den Wert der herzustellenden und zu liefernden Ware (deutlich) übersteigt (mwN). Zusätzlich ist der Wille der Vertragsparteien und sind ihre Interessen von wesentlicher Bedeutung. Stehen aus der für den Lieferanten erkennbaren Sicht des Erwerbers die „Arbeiten und anderen Dienstleistungen“ im Mittelpunkt, ist es nicht erforderlich, dass der Wert dieser Arbeiten den Wert der Ware erreicht (mwN). Entscheidend ist, dass nach dem Vertragsinhalt die Beschaffung von Material zur Verwirklichung des Hauptzwecks nur nebenbei geschuldet wird (mwN).“

Wenngleich auch hiernach große Rechtsunsicherheit in diesem Bereich verbleibt, so steht die Auslegung des BGH mit der Entstehungsgeschichte des CISG im Einklang. Hier wurde bewusst davon abgesehen, einzig auf den Wert der Leistungen abzustellen.

Es empfiehlt sich letztlich – wie so oft – eine klare vertragliche Regelung zur Anwendung oder zum Ausschluss des CISG zu vereinbaren.

Lars Maria Markmann
Rechtsanwalt
23. Januar 2020

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