Keine Anfechtung einer Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses bei "spekulativer Annahme" - Ein Blogbeitrag anlässlich des Beschlusses des OLG Düsseldorf vom 17.10.2016 - I-3 Wx 155/15

Die Entscheidung, ob man eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen soll, ist nicht immer einfach zu treffen. Insbesondere wenn die Erben nur oberflächlichen Kontakt zum Erblasser hatten oder der Erblasser sie schlicht nicht über seine Finanzen informiert hat, kaufen die Erben mit der Annahme der Erbschaft "die Katze im Sack". Das Gesetz erleichtert die Entscheidung für die Erben kaum. Die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft ist mit sechs Wochen ab Kenntnis von dem Tod des Erblassers bzw. seiner letztwilligen Verfügung extrem kurz. Wird die Erbschaft nicht innerhalb dieser Frist ausgeschlagen, gilt sie als angenommen. Innerhalb dieser kurzen Zeit ist es aber meist nicht möglich, sich ein vollständiges Bild von dem Nachlass zu machen.

Dr. Susanne Sachs
Rechtanwältin
27. April 2017

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OLG München: Addition sämtlicher Planungsleistungen eines Bauvorhabens für die Bestimmung des Auftragswertes!


Als erstes deutsches Gericht hat das OLG München in dem Beschluss vom 13.03.2017, Verg 15/16 entschieden, dass sämtliche Planungsleistungen für ein Bauvorhaben, also z.B. die Objektplanung, die Tragwerksplanung, die Technische Gebäudeausrüstung etc., für die Bestimmung des Auftragswertes zu addieren sind.

Der Entscheidung lag ein Vergabeverfahren zugrunde, das die Antragsgegnerin, die im Bereich Strom-, Erdgas-, Trinkwasser- und Wärmeversorgung, also im Sektorenbereich, tätig ist, mit EU-weiter Bekanntmachung begonnen hatte. Beschaffungsgegenstand war die Tragwerksplanung für den Neubau ihres Verwaltungsgebäudes. Für diese Architektenleistung lag die Kostenschätzung bei 385.350,00 EUR, also unter dem maßgeblichen EU-Schwellenwert von 418.000,00 im Sektorenbereich. Im Laufe des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer, in dessen Rahmen die Antragstellerin verschiedene Vergabefehler bemängelte, vertrat die Antragsgegnerin mit Hinweis auf die Kostenschätzung, dass der EU-Schwellenwert nicht erreicht werde und dass damit das EU-Vergaberecht nicht einschlägig sei.

Anders – zu Gunsten der Antragstellerin - entschied das OLG München: Der EU-Schwellenwert von 418.000,00 EUR werde sehr wohl überschritten, da die Kostenschätzungen hinsichtlich der weiteren erforderlichen Planungsdisziplinen der technischen Ausrüstung, der thermischen Bauphysik und nicht zuletzt der Objektplanung hinzuzuaddieren seien. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich bei diesen Planungsleistungen um unterschiedliche Leistungsbilder der HOAI handelt. Auch die Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO stehe nicht entgegen. Diese Norm entspricht wortgleich der Regelung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV. Hiernach ist bei Planungsleistungen im Rahmen einer Losvergabe nur dann der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen, wenn es sich um Lose über gleichartige Leistungen handelt.

Nach deutschem Verständnis dieser Norm und seiner Vorgängerregelung stellten bislang die unterschiedlichen Leistungsbilder der HOAI keine gleichartigen Leistungen dar, so dass eine Addition der Werte der Planungsleistungen für ein Bauvorhaben zur Bestimmung des Auftragswertes in der Praxis im Regelfall nicht vorgenommen wurde. Bereits die Entscheidung des EuGH vom 15.03.2012 in Sachen „Autalhalle“ (C-574/10) deutete in eine andere Richtung. Danach sei für die Frage, ob es sich um einen Dienstleistungsauftrag handelt, der nur in getrennte Lose aufgeteilt, aber für die Berechnung des Schwellenwertes als ein Auftrag zu behandeln ist, eine funktionale Betrachtung maßgeblich. Noch klarer formulierte die EU-Kommission diese Rechtsauffassung in dem von ihr angestrengten Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland „Sanierung Schwimmbad Stadt Elze“, welches sich letztlich ohne Entscheidung in der Sache erledigte. Das OLG München folgt nun – jedenfalls auf den konkret vorliegenden Einzelfall bezogen – den Grundzügen der Argumentation der EU-Kommission im Vertragsverletzungsverfahren. Es sei von einer funktionalen, wirtschaftlichen und technischen Einheit der genannten Planungsleistungen auszugehen. Diese wiesen eine innere Kohärenz und funktionale Kontinuität auf, die durch die Losaufteilung nicht also durchbrochen angesehen werden könne.    

Fazit:

Die Entscheidung des OLG München könnte den Beginn eines Paradigmenwechsels darstellen: Wird diese Entscheidung auch von anderen Obergerichten so bestätigt, wird die Beauftragung mit Planungsleistungen vielfach eine Pflicht zur EU-weiten Vergabe auslösen, da der EU-Schwellenwert von 209.000,00 EUR netto (vorliegend 418.000,00 EUR, da Sektorenbereich) bei der Addition der diversen Planungsleistungen schnell überschritten sein wird. Auch bei kleineren Bauvorhaben mit einem niedrigen Volumen wird dies häufig der Fall sein. Das wird jedenfalls zu einem erheblichen Mehraufwand für die Auftraggeber führen, aber auch für die Architekten, die sich als Bieter einem EU-weiten Vergabeverfahren zu stellen haben.


David Poschen
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Vergaberecht
3. April 2017

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Mängelrechte vor Abnahme?

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2017, AZ: VII ZR 193/15 zu der Frage Stellung genommen, ob ein Besteller Mängelrechte bereits vor Abnahme geltend machen kann. Nach Auffassung des 7. Zivilsenats ergibt sich aus § 634 BGB, dass der Besteller grundsätzlich Mängelrechte erst nach Abnahme des Werkes mit Erfolg geltend machen kann. Ausnahmsweise ist er aber berechtigt, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB auch ohne Abnahme geltend zu machen, und zwar dann, wenn er nicht mehr die (Nach-)Erfüllung des Vertrages verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Allerdings ist alleine das Verlangen eines Vorschusses zur Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme nicht ausreichend. In einem solchen Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis nur dann, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, dass er unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten will.

Fazit:

Nach dem alten Schuldrecht setzte die Geltendmachung von Mängelansprüchen gemäß § 633 ff. BGB a.F. eine Abnahme nicht voraus. In Rechtsprechung und Literatur war es lange umstritten, ob die Mängelrechte aus § 634 BGB n.F. vom Besteller schon vor Abnahme geltend gemacht werden können. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof diese Frage endlich entschieden. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die Abnahme des Werkes den maßgebenden Zeitpunkt markiert, ab dem die Mängelrechte des Bestellers aus § 634 BGB eingreifen. Bis dahin kann der Unternehmer frei wählen, wie er den Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung aus § 631 Abs. 1 BGB erfüllt. Der vorliegende Rechtsstreit zeigt allerdings, dass es keinen Grundsatz ohne Ausnahmeregelung gibt.

Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
3. April 2017

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Kein Anspruch des Architekten auf Übertragung der Beseitigung des Schadens

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16. Februar 2017, AZ: VII ZR 242/13 zu der in den Architektenverträgen teilweise enthaltenen Klausel:

 „Wird der Architekt wegen eines Schadens am Bauwerk auf Schadensersatz in Geld in Anspruch genommen, kann er vom Bauherrn verlangen, dass ihm die Beseitigung des Schadens übertragen wird.“

Stellung genommen.

Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes ist diese Klausel in einem vom Architekten als allgemeine Geschäftsbedingung gestellten Vertragswerk unwirksam.

Allerdings führt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidungsbegründung aus, dass kein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB oder § 309 Nr. 8 b), bb) BGB vorliegt. Auch eine nach § 309 Nr. 7 a) und b) BGB unzulässige Haftungsbeschränkung liegt nicht vor. Mit der Vertragsbestimmung werden nämlich die Mängelrechte des Bauherrn gegenüber dem Architekten wegen Mängeln der Planung und Überwachung lediglich modifiziert. Die Regelung betrifft nur die Art der Schadensbeseitigung, denn die Klausel begründet zu Gunsten des Architekten ein Optionsrecht, den auf Geld gerichteten Schadensersatzanspruch des Bauherrn wegen eines am Bauwerk eingetretenen Schadens in einen auf Naturalrestitution gerichteten Anspruch umzuwandeln. Sie enthält keine Haftungsbeschränkung, weil neben den Mängelbeseitigungsarbeiten weiterhin auch Gutachterkosten oder Rechtsverfolgungskosten sowie sonstige Einbußen am Vermögen des Auftraggebers geltend gemacht werden können.

Allerdings führt der Bundesgerichtshof im Weiteren in seiner Begründung aus, dass die Klausel gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB verstößt. Sie benachteiligt nach seiner Auffassung den Auftraggeber entgegen Treu und Glauben unangemessen. Eine solche Benachteiligung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann vor, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.

Auszugehen ist davon, dass der Architekt grundsätzlich Schadensersatz wegen der von ihm zu vertretenden Planungs- und Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, schuldet und nicht Beseitigung der Mängel. Der Sache nach handelt es sich um einen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB, denn die Mängel können nicht durch Nacherfüllung der Architektenleistung beseitigt werden.

Der Bundesgerichts stellt darauf ab, dass der Schaden des Auftraggebers darin besteht, dass er für das vereinbarte Architektenhonorar im Ergebnis ein Bauwerk erhält, das hinter dem im Architektenvertrag als Ziel vereinbarten Werk zurückbleibt. Nach § 249 Abs. 1 BGB muss der Architekt den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn er nicht mangelhaft geleistet hätte. Dann wäre von vornherein ein mangelfreies Bauwerk durch den Unternehmer entstanden. Der Architekt muss dem Auftraggeber daher die Mittel zur Verfügung stellen, die dieser zur Kompensation des verletzten Interesses benötigt. Dem Auftraggeber steht es in diesem Zusammenhang frei, ob er eine Beseitigung der in Folge des Mangels der Architektenleistung am Bauwerk eingetretenen Mängel veranlassen will oder den Schadensersatz in Höhe des durch die mangelhafte Leistung bedingten Architektenwerkes als Minderwert des Bauwerkes behalten will. Letztere Option wird dem Auftraggeber allerdings durch die Klausel in dem Architektenvertrag abgeschnitten. Er kann sich nicht mehr dafür entscheiden, lediglich Schadensersatz in Höhe des durch die mangelhafte Leistung des Architekten bedingten Minderwerts zu verlangen. Der Architekt kann vielmehr dem Auftraggeber nach dem Wortlaut der Klausel im Vertrag eine Beseitigung der bestehenden Mängel aufzwingen, denn nach dem Wortlaut der Vertragsbestimmung kann der Architekt ohne jede Einschränkung, also auch für den Fall, dass der Auftraggeber eine Beseitigung des Schadens am Bauwerk selbst nicht vornehmen will, eine Übertragung der Beseitigung des Schadens verlangen. Diese Einschränkung des Wahlrechtes beeinträchtigt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes den Auftraggeber entgegen Treu und Glauben unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine Beeinträchtigung liegt aber nicht nur dann vor, wenn der Auftraggeber keine Mängelbeseitigung durchführen will, sondern nach Auffassung des Senates auch dann, wenn der Auftraggeber die Beseitigung der eingetretenen Mängel noch anstrebt. Es kann nämlich im Einzelfall dem Interesse des Auftraggebers zuwider laufen, dies durch den Architekten durchführen zu lassen, insbesondere, wenn er das Vertrauen in dessen Leistungsfähigkeit und fachliche Kompetenz verloren hat und ihm die Beseitigung der am Bauwerk eingetretenen Schäden durch den Architekten nicht zuzumuten ist.

Die Klausel führt darüber hinaus auch zu einer wesentlichen Verkürzung des dem Auftraggeber bei einer zum Schadensersatz verpflichtenden mangelhaften Leistung des Architekten zustehenden Rechts, den mit der Beseitigung der Mängel am Bauwerk zu beauftragenden Unternehmer selbst auszuwählen.

Fazit:

Der Bundesgerichtshof macht es sich zur Aufgabe, immer mehr der in den Architektenmusterverträgen vorhandenen Klauseln zum Gegenstand seiner rechtlichen Beurteilung zu machen. Tatsächlich hat die vorliegende Klausel allerdings wenig praktische Relevanz. Es ist eher selten, dass der Architekt verlangt, die Beseitigung des Schadens selber übernehmen zu können.

Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
1. April 2017

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