Direktzahlungen des Auftraggebers an einen Nachunternehmer unter insolvenzrechtlichen Aspekten

Vorsicht bei Direktzahlungen des Auftraggebers an den Subunternehmer des in Insolvenz geratenen Hauptauftragnehmers

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 02.12.2008 (AZ: IX ZR 2/05) folgendes festgehalten:

"Direktzahlungen des Auftraggebers gemäß § 16 Nr. 6 VOB/B an einen Nachunternehmer gewähren diesem eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO."

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin der E-GmbH und verlangt von der Beklagten 28.216,28 € nach erfolgter Anfechtung zurück.

Die spätere Gemeinschuldnerin (E-GmbH) schloss mit der Auftraggeberin (H-GmbH) mehrere Bauverträge, denen die Bestimmungen der VOB/B zugrunde lagen. Sie übertrug die von ihr auszuführenden Arbeiten auf die Nachunternehmerin (P-GmbH). Diese wiederum trat ihre gegenüber der E-GmbH bestehenden Werklohnansprüche (zu denen auch die Forderung auf Abschlagszahlungen gehörte) an die Beklagte (Factoring-Gesellschaft) ab.

Nachdem die E-GmbH keine Zahlungen mehr leistete, stellte die P-GmbH ihre Arbeiten ein und kündigte den Werkvertrag. Wegen der Begleichung der noch offen stehenden Forderung wandte sich die P-GmbH zusammen mit der Beklagten an die H-GmbH. Die E-GmbH hatte bereits im Juni 1993 ihre Werklohnforderungen im Rahmen einer Globalzession an eine Bank abgetreten. Dies war der H-GmbH bekannt gemacht worden. Letztere vereinbarte daher mit der Bank, dass nach einer Zahlung von 200.000,00 € an die Bank keine weiteren Ansprüche aus der abgetretenen Forderung mehr von der Bank geltend gemacht werden. Der über 200.000,00 € liegende Betrag sollte von der H-GmbH einbehalten und damit Zahlungen an die Subunternehmer bzw. die Beklagte gemäß § 16 Nr. 6 VOB/B erbracht werden.

Nach Zahlung der 200.000,00 € an die Bank zahlte die H-GmbH deshalb weitere 28.216,28 € am 04.07.2000 gemäß § 16 Nr. 6 VOB/B an die Beklagte. Die E-GmbH stellte am 10.07.2000 Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Insolvenzeröffnung erfolgte am 01.09.2000. Die Klägerin als Insolvenzverwalterin hat gegenüber der Beklagten die Zahlung wegen inkongruenter Deckung angefochten und verlangt Rückzahlung. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Die von der Klägerin eingelegte Revision hat Erfolg.

Der geltend gemachte Anfechtungsanspruch aus §§ 129 ff., 143 Abs. 1 InsO scheitert nicht am Fehlen einer Gläubigerbenachteiligung. Eine solche liegt vor, wenn eine Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert hat. Eine Verkürzung der Masse in diesem Sinne kann eintreten, wenn eine dem Schuldner zustehende Forderung durch Zahlung an einen Dritten getilgt wird. Die Werklohnforderung der E-GmbH gegenüber der H-GmbH für Arbeiten, die von der Nachunternehmerin im Rahmen des Bauvorhabens ausgeführt worden waren, stand am 04.07.2000 der E-GmbH und nicht der Bank zu. Letztere hatte erklärt, keine Ansprüche mehr geltend zu machen und damit zu erkennen gegeben, dass der Sicherungszweck erledigt war. Es ist somit zu einer Verkürzung der Masse dadurch gekommen, dass eine dem Schuldner (E-GmbH) zustehende Forderung durch Zahlung an einen Dritten (Beklagte) getilgt wurde, sodass die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger sich schlechter gestalteten. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor.

Auch die übrigen Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs nach §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 143 Abs. 1 InsO sieht das Gericht als erfüllt hat.

Es weist darauf hin, dass die Rechtsprechung bereits im Zusammenhang mit § 30 Nr. 2 KO eine inkongruente Deckung angenommen hat, wenn eine Direktzahlung des Auftraggebers gemäß § 16 Nr. 6 VOB/B an einen Nachunternehmer vorlag. Das gilt auch für § 131 Abs. 1 InsO. Der Nachunternehmer hat keinen Anspruch darauf, seine Forderung gegen den Auftragnehmer durch Direktzahlung des Auftraggebers an sich zu verlangen. Es handelt sich um eine nicht in der Art zu beanspruchende Befriedigung im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO.

Da die Zahlung der H-GmbH am 04.07.2000 veranlasst worden und bei der Beklagten am 10.07.2000 einging, sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben.

Rechtsfolge ist, dass die Beklagte die vereinnahmte Zahlung in Höhe von 28.216,28 € an den Insolvenzverwalter auskehren muss. Ihre Forderung kann sie lediglich als einfache Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden.

Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin

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