2015
Versicherung // Haftung

Was muss wann wie feststehen? – über die derzeit bestehende Unklarheit betreffend den Zeitpunkt, der der Invaliditätsbemessung in der privaten Unfallversicherung zugrunde zu legen ist

Früher war alles besser? Das wohl kaum, aber in der Unfallversicherung war früher zumindest manches klarer!

Derzeit herrscht zwischen den Obergerichten Deutschlands Streit darüber, welches der richtige Zeitpunkt ist, auf den beim gerichtlichen Streit um die zutreffende Erstbemessung des Invaliditätsgrades abzustellen ist - der Ablauf der in den Bedingungen (AUB) für die der Erstbemessung nachfolgende Neubemessung bestimmte Zeitraum von 3 Jahren nach dem Unfall, oder- weiter – in jedem Fall der Schluss der mündlichen Verhandlung. 

In einem Beschluss vom 22.04.2009 (IV ZR 328/07) wies der BGH darauf hin, dass der Tatrichter bei der Erstbemessung „theoretisch“ alle bis zur mündlichen Verhandlung eingetretenen Gesundheitsveränderungen berücksichtigen könne - an anderer Stelle ist allerdings von der Maßgeblichkeit des 3-Jahreszeitraums die Rede. Ein weiterer Beschluss vom 21.03.2012 (IV ZR 256/10) nimmt auf diese Entscheidung Bezug und stellt ohne Zusätze fest, dass für die Überprüfung der Erstfeststellung der Invalidität nicht die §- Jahresfrist der AUB gelte. Alles klar?

Dieser Streit kann für beide am Unfallversicherungsvertrag beteiligte Parteien von ganz erheblicher Relevanz und Brisanz sein. Die Frage des Zeitpunkts ist nämlich von erheblicher Bedeutung.
In nicht wenigen Fällen treten noch nach Ablauf der für die Neubemessung bestimmten 3-Jahresfrist gravierende gesundheitliche Änderungen ein, aus der Sicht des Versicherten sowohl in positiver, wie auch in negativer Hinsicht.

Mit dem Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung finden Gesundheitsveränderungen mehr als 3 Jahre nach dem Unfall noch Eingang in die gerichtliche Überprüfung der Erstbemessung. Positive Veränderungen ggf. mit der Auswirkung dass sich der Grad der ursprünglich angenommenen oder prognostizierten Invalidität verringert, negative bzw. progrediente Entwicklungen dergestalt, dass eventuell erst zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung  ein Invaliditätsgrad festgestellt wird, der den Versicherten zum Bezug einer Unfallrente berechtigt.

Bis zur Entscheidung des BGH vom 21.03.2012 war in der gerichtlichen Praxis überwiegend davon ausgegangen worden, dass auch im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Erstbemessung bei der Beurteilung des Invaliditätsgrades auf den 3 Jahre nach dem Unfall vorliegenden und den zu diesem Zeitpunkt erkennbaren, d.h. hinreichend prognostizierbaren Dauerzustand abzustellen ist.

Nunmehr legt das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 06.08.2013 (I-4 U 221/11) den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde, während das OLG Oldenburg mit Urteil vom 21.01.2015 (5 U 103/14) eben dieser Ansicht eine Absage erteilt und  beim Streit um die Erstbemessung weiterhin auf den Gesundheitszustand bei Ablauf der 3-Jahresfrist abstellt.

Ein Urteil des BGH vom 01.04.2015 (IV ZR 104/13) hat diesbezüglich leider auch keine Klarheit erbracht.
Zwar wird darin deutlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung als maßgeblich herausgestellt, diese Aussage aber dadurch relativiert, dass auf den Beschluss vom 22.04.2009 Bezug genommen wird, der die Unklarheit erst hervorgerufen hatte.

Hoffnung besteht nun dergestalt, dass gegen das Urteil des OLG Oldenburg die Revision zugelassen wurde, über die der BGH im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 18.11.2015 zu entscheiden hat.

Es bleibt also zu hoffen, dass jedenfalls mit dieser bevorstehenden Entscheidung die notwendige Klärung der Streitfrage herbeigeführt wird und man anschließend wieder sagen kann: Alles klar!

Christian W. Terno
Rechtsanwalt
13. Oktober 2015

 

von Christian W. Terno

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