2016
Unternehmen // Unternehmer

Verschärfte Haftung für Sanierungs-Geschäftsführer

Sanierungsgeschäftsführer, die in kriselnden Unternehmen eingesetzt werden, um eine Insolvenz abzuwenden, unterliegen strengen Haftungsregeln. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einer Entscheidung klar gemacht, dass sie sich auch nicht auf die besonderen Umstände der Krise berufen dürfen. Sie haften im Zweifel für ausgehende Zahlungen, die die Insolvenzmasse schmälern. Besonders gefährlich für die Sanierer: Die Zeitspanne, die das Gericht dem neuen Geschäftsführer zur Einarbeitung zusteht, ist sehr kurz.

In seiner Entscheidung vom 12. Januar 2016 (Az. 6 U 123/13) lässt sich das Oberlandesgericht Brandenburg zur Haftung von Sanierungs-Geschäftsführern aus, die in Unternehmen in der Krise eingesetzt werden. Auch sie unterliegen der strengen Haftung des Paragraf 64 GmbH-Gesetz (GmbHG). Das OLG Brandenburg hat dargelegt, dass sich auch der Sanierungsgeschäftsführer, der in der kritischen Phase zur Vermeidung einer Insolvenz eingesetzt wird, nicht auf die besonderen Umstände der Krise berufen kann.
Nach Paragraf 64 GmbHG haften Geschäftsführer grundsätzlich für sämtliche Zahlungen, die von einer GmbH geleistet wurden, nachdem eine Zahlungsunfähigkeit nach Paragraf 17 Insolvenz-Ordnung (InsO) oder eine insolvenzrechtliche Überschuldung nach Paragraf 19 InsO eingetreten ist. Ein eng definierter Kreis von Zahlungen, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs als zwingend erforderlich anzusehen sind, ist aber auch in dieser Zeit weiterhin möglich. Die Haftung für alle anderen Zahlungen trifft den Geschäftsführer persönlich, das heißt er haftet für diese Zahlungen mit seinem Privatvermögen.

Ansprüche nach Paragraf 64 GmbHG (für die AG entsprechend in den Paragrafen 92 und 93 Aktiengesetz) werden typischerweise nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft von dem dann eingesetzten Insolvenzverwalter geltend gemacht. Es gehört hier zum Standard-Repertoire eines jeden Insolvenzverwalters, dass er derartige Ansprüche prüft und diese auch gegenüber den Geschäftsführern durchsetzt. Hierzu sind die Insolvenzverwalter aus Gründen der Massemehrung verpflichtet.

Auch aus dem eng definierten Kreis von Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Betriebes können in einer Gesellschaft Zahlungen mit erheblichen Summen ausgelöst werden. Es liegt auf der Hand, dass Haftungsansprüche nach Paragraf 64 GmbHG oftmals erhebliche Beträge umfassen, die die betroffenen Geschäftsführer vor existenzielle Probleme stellen können.

Schwierigkeiten bei der rechtlichen Bewertung des Zahlungsverbots bereitet zudem die Tatsache, dass häufig verkannt wird, dass die Haftung grundsätzlich keine Kenntnis vom Vorliegen eines Insolvenzgrundes voraussetzt. Es reicht aus, dass der Insolvenzgrund bereits eingetreten ist, unabhängig davon, ob die Geschäftsführer dies richtig beurteilen. Des Weiteren führt auch eine Ressortaufteilung der Geschäftsführer nicht zu einer Enthaftung, für Masseschmälerungen haben immer alle Geschäftsführer einzustehen.
 
Dem zur Unternehmenssanierung angestellten Geschäftsführer istbei der Übernahme seiner Aufgabe bewusst, dass die materielle Insolvenz der Gesellschaft nur durch ein tragfähiges, sorgfältig geprüftes Konzept überwunden werden kann. Er muss deshalb das Gesellschaftsvermögen für den Fall sichern, dass seine Sanierungsbemühungen scheitern und eine Verteilung des Vermögens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens stattzufinden hat. In einer solchen Situation entsprechen nur diejenigen Zahlungen der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, die zur Aufrechterhaltung des Unternehmens im Sinne des Erhalts der Sanierungschancen unter Beachtung der Pflicht zum Masseerhalt erforderlich sind.

Das OLG Brandenburg hat nun in seiner Entscheidung hohe Anforderungen an Geschäftsführer im Allgemeinen, insbesondere aber an sogenannte Sanierungs-Geschäftsführer gestellt und die strenge Haftung für diesen Personenkreis deutlich dargelegt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der eigens eingesetzte Sanierungs-Geschäftsführer innerhalb von neun Tagen einen Insolvenzantrag gestellt. Bei Übernahme des Amts war ihm bereits bekannt, dass eine Insolvenz nicht ausgeschlossen werden kann.
Das OLG gesteht dem Geschäftsführer zwar zu, dass er die Maximalfrist des Paragraf 15a Abs. 1 InsO von drei Wochen zur Insolvenzantragstellung nutzen durfte, um ein Sanierungskonzept umzusetzen. Gleichzeitig stellt das Gericht aber klar, dass der Sanierungs-Geschäftsführer in dieser Lage verpflichtet bleibt, die potenzielle Insolvenzmasse zu schonen. Er darf also nicht gegen das Zahlungsverbot aus Paragraf 64 GmbHG verstoßen.

Das eigentliche Risikopotenzial dieser Entscheidung:Das Gericht hat dem Sanierungs-Geschäftsführer die Möglichkeit gegeben, sich einen Überblick über die aktuelle Lage des Unternehmens zu verschaffen, insbesondere auch aller Konten und Vermögenspositionen. Er darf auch den Zahlungsfluss im Unternehmen neu steuern. Allerdings ist die vom Gericht hierfür für erforderlich und angemessen erachtete Zeitspanne von zwei Tagen mit einem enormen Risiko für die Sanierungs-Geschäftsführer behaftet.

Das OLG geht davon aus, dass der Geschäftsführer nach Ablauf dieser Zwei-Tages-Frist das Erfordernis eines Zahlungsverbots erkennen und in allen Abteilungen des Unternehmens umsetzen konnte und musste. Dazu gehörte auch der Widerruf sämtlicher Lastschriftermächtigungen und die Vermeidung von Zahlungseingängen auf debitorischen Konten.

Nach Ablauf der im konkreten Fall auf zwei Tage bemessenen Frist haftet der Geschäftsführer für sämtliche Masseschmälerungen, die nicht zur Aufrechterhaltung des Unternehmens zwingend erforderlich sind.
 
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Rechtsprechung des OLG Brandenburg die Umsetzung der komplexen Vorschriften zur Einhaltung des Zahlungsverbots innerhalb einer extrem kurzen Zeit fordert. Wenn der Geschäftsführer hier nicht über die entsprechenden Kenntnisse und Mechanismen verfügt, um alle denkbaren Haftungsgefahren  zu beseitigen, muss er sich zwingend entsprechender externer Berater bedienen, die in solchen Fällen kurzfristig für Rechtssicherheit sorgen können. Ansonsten können beträchtliche Haftungssummen auf die Geschäftsführer persönlich zukommen. Ob Zahlungen an solche Berater noch dem eng begrenzten Kreis der zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft in Krise zu zählen sind, ist fraglich.

Fraglich ist ebenfalls, ob die mit diesem erheblichen Haftungsrisiko belasteten Sanierungs- Geschäftsführer das entsprechende Risiko über eine gesonderte D&O- Versicherung abdecken können. Eine generelle Bewertung dieser Frage ist angesichts der erheblichen Abweichungen bei den verschiedenen auf dem Markt befindlichen D&O- Bedingungen, insbesondere bei etwaigen Insolvenz-Ausschlüssen, kaum möglich.
Auch dieser Umstand ist deshalb vielleicht ein Grund, warum Sanierungs- Geschäftsführer die haftungsträchtige Prüfung des Erfordernisses eines Zahlungsverbotes nur ungern ohne Zuhilfenahme externer Berater vornehmen. In den Versicherungsbedingungen der Vermögensschadenhaftpflichtpolicen der externen Berater sind Deckungsausschlüsse mit Insolvenzbezug deutlich seltener als in D&O- Versicherungsbedingungen, so dass Haftungsrisiken insoweit in gewisser Weise versucht werden auf externe Berater „auszulagern“.

Christian W. Terno
Rechtsanwalt
11. Juli 2016

von Christian W. Terno

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