Verwaltung // Öffentliche Hand
Kein Schadenersatz für Verdienstausfall bei fehlendem Kinderbetreuungsplatz
Das OLG Dresden hat mit drei Grundsatzurteilen vom 26.08.2015 (Az.: 1 U 319/15, 1 U 320/15 und 1 U 321/15) die Amtshaftungsklagen dreier Mütter auf Schadensersatz für Verdienstausfall bei fehlendem Angebot eines Betreuungsplatzes in einer Kindertageseinrichtung abgewiesen.
Das Gericht hatte sich mit der Frage zu befassen, ob Eltern, deren Kindern kein Betreuungs-platz in einer städtischen Kindertageseinrichtung angeboten wurden und die deshalb erst später als geplant ihre berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen konnten, ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen Verdienstausfalls zusteht. Hintergrund des Rechtsstreits ist die Regelung des § 23 Abs. 2 SGB VIII. Danach steht Kindern, die das erste Lebensjahr vollendet haben, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres seit dem 01.08.2013 ein Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege zu. Dieser Rechtsanspruch richtet sich gegen die Träger der Jugendhilfe, d.h. die Städte und Gemeinden.
In dem vom OLG Dresden zu entscheidenden Fällen konnte die Stadt Leipzig den Kindern der drei klagenden Mütter nicht rechtzeitig, d.h. nicht mit Abschluss des ersten Lebensjahres einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung bzw. Kindertagespflege anbieten. Die Mütter blieben daher länger als geplant zu Hause und machten den ihnen entstandenen Verdienstausfall gegenüber der Stadt Leipzig gerichtlich geltend. Das in der ersten Instanz zuständige Landgericht Leipzig hatte den Klagen der Mütter statt gegeben. Gegen die Urteile des Landgerichts legte die Stadt Leipzig erfolgreich Berufung beim OLG Dresden ein. Nach der Auffassung des OLG Dresden hat die Stadt Leipzig zwar die ihr nach § 24 Abs. 2 SGB VIII obliegenden Amtspflicht, den Kindern einen Platz in eine Kindertageseinrichtung zu verschaffen, verletzt. Diese Amtspflicht schützt jedoch nach Auffassung des OLG Dresden alleine die Kinder und nicht auch deren Eltern. Der aus § 24 Abs. 2 SGB VIII folgenden Anspruch auf frühkindliche Förderung stehe, wie sich aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 SGB VIII ergeben würde, alleine den Kindern zu. Zudem seien nur solche Schäden zu ersetzen, die den Kindern selbst entstanden seien. Verdienstausfallschäden, die den Eltern entstanden seien, würden nicht dazu gehören.
Die Urteile des OLG Dresden sind noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits hat das OLG Dresden die Revision zum BGH zu gelassen. Sollte sich der BGH mit der Entscheidung des OLG Dresden befassen, hat dieser zu klären, ob die Auffassung des OLG Dresden, die Eltern seien nicht vom Schutzbereich des § 24 SBG VIII umfasst, zutreffend ist. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach dem Willen des Gesetzgebers durch den gesetzlich normierten Anspruch auf frühkindliche Förderung auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefördert werden sollte.
Dr. Tobias Junker
Rechtsanwalt
von Dr. Tobias Junker