2016
Versicherung // Haftung

Haftung des Insolvenzverwalters bei Beendigung einer D&O- Versicherung und Unwirksamkeit einer Klausel, die die Nachmeldefrist für den Fall der Insolvenzantragstellung vollständig ausschließt

Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vom 08.07.2015 (Az. 11 U 313/13)


Das Oberlandesgericht Hamburg hatte sich in seiner Entscheidung vom 08.07.2015 mit zwei interessanten Fragen im Zusammenhang mit der D&O- Versicherung zu befassen.

1. Zum einen ging es um die Frage, ob sich ein Insolvenzverwalter nach § 60 Abs.1 InsO dadurch schadensersatzpflichtig gegenüber einem ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH gemacht haben kann, dass er die zu dessen Gunsten aufgrund einer entsprechenden Zusatzvereinbarung zu seinem Managementvertrag zustande gekommenen D&O- Versicherung nach der über das Vermögen der GmbH erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet hatte.

Der ehemalige Geschäftsführer der GmbH vertrat die Ansicht, dass angesichts der Tatsache, dass der Insolvenzverwalter bereits in seinem ersten Bericht an das Insolvenzgericht davon ausgegangen war, dass die GmbH bereits seit längerer Zeit zahlungsunfähig gewesen sei und demzufolge eine Antragsverschleppung von ca. 16 Monaten vorgelegen habe, es der Pflicht des Insolvenzverwalters entsprochen hätte, den zugunsten des GmbH- Geschäftsführers bestehenden D&O- Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten. Dies insbesondere deshalb, da die maßgeblichen Bedingungen der Allianz für den betreffenden D&O- Versicherungsvertrag den Ausschluss der regelmäßigen dreijährigen Nachmeldefrist nach Beendigung des Versicherungsvertrages vorsahen.

Da die Allianz Versicherungs- AG dem Geschäftsführer bei seiner späteren Inanspruchnahme nach § 64 GmbHG unter Berufung auf eben jene Ausschlussklausel die Deckung aus dem Versicherungsvertrag versagte, sah der ehemalige GmbH- Geschäftsführer in der Beendigung des Vertrages durch den Insolvenzverwalter einen Pflichtverstoß, der ihn zur Geltendmachung von Schadensersatz in Höhe der gegen ihn geltend gemachten Ersatzansprüche nach § 64 GmbHG berechtige.

Mindestens, so der Geschäftsführer weiter, hätte der Insolvenzverwalter ihn vor der beabsichtigten Beendigung der D&O- Versicherung rechtzeitig in Kenntnis setzen müssen, um ihm so Gelegenheit zu verschaffen, sich innerhalb der Kündigungsfrist selbst um eine Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes, gegebenenfalls durch eigene Übernahme der Prämienzahlung, kümmern zu können.

Eine eigene Haftung des Insolvenzverwalters lehnte dieser bereits dem Grunde nach mit der Begründung ab, die Wahrnehmung der Interessen des GmbH- Geschäftsführers falle nicht in den Pflichtenkreis eines Insolvenzverwalters. Dieser sei vielmehr lediglich den Interessen der Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger verpflichtet, so dass eine Haftung des Insolvenzverwalters schon deshalb ausscheide, da der GmbH- Geschäftsführer nicht zum Kreis der Beteiligten im Sinne des § 60 Abs.1 InsO gehöre.

Dieser Argumentation des Insolvenzverwalters wollte das Oberlandesgericht Hamburg indes nicht folgen.

Einer Haftung stehe nicht entgegen, dass der GmbH- Geschäftsführer von vornherein nicht in den Kreis der von § 60 Abs.1 InsO geschützten Beteiligten des Insolvenzverfahrens einbezogen ist. Nach Auffassung des erkennenden Senats hat ein Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit der ihm gemäß § 103 Abs.1 InsO (Wahlrecht des Insolvenzverwalters zur Fortführung von Verträgen) obliegenden Entscheidung auch über den Fortbestand von Versicherungsverträgen, die die Vermögensinteressen von Organen der insolventen Gesellschaft unmittelbar betreffen, deren Belange zumindest mit zu berücksichtigen und darf diese nicht durch die unabgestimmte und ankündigungslose Beendigung derartiger Versicherungen potentiell existenzgefährdenden Risiken aussetzen.

Im zu entscheidenden Fall bedeutete dies nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg, dass der Insolvenzverwalter den GmbH- Geschäftsführer zumindest über die beabsichtigte Beendigung der zu seinen Gunsten bestehenden D&O- Versicherung in Kenntnis hätte setzen müssen um ihm dadurch Gelegenheit zu geben, den Versicherungsschutz gegebenenfalls mit eigenen Mitteln aufrechtzuerhalten.
Da der Insolvenzverwalter dies im zu entscheidenden Fall unterließ bejahte das Oberlandesgericht Hamburg eine Haftung dem Grunde nach.

2. Ein Anspruch des GmbH- Geschäftsführer wurde diesem gleichwohl aber nicht zugesprochen, da die Pflichtverletzung nicht adäquat kausal zu einem Schaden des Geschäftsführers geführt habe.

Nach Auffassung des OLG Hamburg hat die Beendigung des D&O- Versicherungsvertrages durch den Insolvenzverwalter nämlich gar nicht zu einem Anspruchsverlust aus der D&O- Versicherung geführt.

Die maßgebliche Ausschlussklausel der Versicherungsbedingungen, die für den Fall der Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft als Schuldnerin ausdrücklich den Ausschluss der generell vorgesehenen Nachmeldefrist von drei Jahren festlegte, wurde vom Oberlandesgericht Hamburg nämlich für unwirksam erachtet.

Der erkennende Senat folgte insoweit der obergerichtlichen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 08.05.2009 – Az. 25 U 5136/08 – VersR 2009, 1066) bzw. des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. (Urteil vom 05.12.2012 – Az.: 7 U 73/11 – r+s 2013, 329) nach denen das der D&O- Versicherung zugrunde liegende „Claims-Made-Prinzip“ nur dann zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Personen  führt, wenn die immanenten Nachteile nicht u.a. durch eine Nachhaftungsregelung kompensiert werden.

Gemessen an diesen obergerichtlichen Vorgaben war im zu entscheidenden Fall der vollständige Ausschluss einer Nachmeldefrist gerade für den für Organe von Kapitalgesellschaften regelmäßig mit erheblichen Haftungsrisiken verbundenen Fall der Insolvenzantragstellung nicht wirksam.

Dies bedeutete für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch des GmbH- Geschäftsführers gegen den Insolvenzverwalter indes das Scheitern, da eine Inanspruchnahme der D&O- Versicherung aufgrund der unwirksamen Ausschlussklausel auch noch nach der unangekündigten Beendigung der Versicherung durch den Insolvenzverwalter möglich gewesen wäre.

Diese instruktiven Schlüsse des Oberlandesgerichts Hamburg sind aus haftungsrechtlicher Sicht aber auch aus versicherungsvertraglicher Sicht bemerkenswert.

Christian W. Terno
Rechtsanwalt
11. Mai 2016

 

von Christian W. Terno

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