2016
Immobilie // Bau

Besprechung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 18.11.2015 (Az. VII ZB 2/15)

Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu befinden, ob der Streitbeitritt eines Fachplaners auf Seiten des Antragstellers in einem Selbständigen Beweisverfahren zulässig ist, obwohl ihm (nur) von dem Architekten, dem Antragsgegner, der Streit verkündet worden war und obwohl der Fachplaner allenfalls noch vom Architekten im Gesamtschuldnerinnenverhältnis in Anspruch genommen werden könnte. Daraus schlussfolgerte der Architekt, dass der Fachplaner kein Interesse am Beitritt auf der Gegenseite hat. Denn der Fachplaner könne kein Interesse daran haben, dass im Verhältnis zwischen Antragsteller und Architekt Feststellungen getroffen werden, auf deren Grundlage der Architekt dann im Gesamtschuldnerinnenverhältnis gegen den Fachplaner vorgehen kann; der Fachplaner könne kein Interesse daran haben, dass er haftet.

Das Landgericht sah sich nicht berufen, diese Frage überhaupt zu entscheiden; im Selbständigen Beweisverfahren sei über die Frage der Zulässigkeit eines Streitbeitritts nicht zu befinden.

Das Oberlandesgericht hat die hiergegen erhobene Beschwerde des Architekten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Fachplaner als Nebenintervenient zugelassen werde: In analoger Anwendung von § 71 ZPO sei auch im Selbständigen Beweisverfahren über den Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention zu entscheiden. Für die Zulässigkeit der Nebenintervention sei maßgeblich, wann ein "Obsiegen" im Selbständigen Beweisverfahren vorliege. Aus Sicht des Antragstellers „obsiege“ dieser, wenn die von ihm behaupteten Mängel und deren Verursachung durch den Architekten festgestellt würden. Dem Fachplaner sei zwar am besten damit gedient, wenn die Mängel und/oder deren Verursachung durch den Architekten nicht festgestellt würden, der Antragsteller also nicht "obsiegen" würde. Am zweitbesten sei ihm aber damit gedient, wenn der Antragsteller dadurch obsiege, dass die Mängel und zudem festgestellt auch werde, dass diese - jedenfalls aus technischer Sicht - allein vom Architekten verursacht worden seien. Das könne der Fachplaner praktisch nur durch einen Beitritt auf Seiten des Antragstellers erreichen, weil er im Falle eines Beitritts auf Seiten des Architekten daran gehindert sei, Beweisanträge zu stellen, die zu dessen Vorbringen im Widerspruch stehen. Daraus folge das rechtliche Interesse am Beitritt auf Seiten des Antragstellers.

Der Bundesgerichtshof hat das Ergebnis gehalten: Da die Vorschriften über die Nebenintervention und die Streitverkündung im Selbständigen Beweisverfahren entsprechend anzuwenden sind, ist natürlich auch in diesem entsprechend § 71 ZPO über einen Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention zu entscheiden. Im Ergebnis richtig ist auch, dass der Fachplaner ein rechtliches Interesse am Beitritt auf Seiten des Antragstellers habe. Der Begriff des rechtlichen Interesses in § 66 Abs. 1 ZPO ist dabei weit auszulegen. Ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse genügt jedoch nicht. Erforderlich ist, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt. Das Interesse daran, dass nur der Antragsgegner für die geltend gemachten Mängel am Bauwerk haftet, ist deshalb kein ausreichendes rechtliches Interesse gemäß § 66 Abs. 1 ZPO. Denn ein Obsiegen der Antragstellerin hinge nicht davon ab, ob der Antragsgegner allein oder gemeinsam mit oder neben den Streithelfern haftet. Für das „Obsiegen“ ist dabei nicht auf einen gedachten Hauptsacheprozess abzustellen. Denn eine derartige hypothetische Prüfung könne mangels Kenntnis über die Anträge eines solches Hauptsacheverfahren nicht durchgeführt werden. Der Antragsteller eines Selbständigen Beweisverfahrens obsiegt bei einer entsprechenden Anwendung von § 66 Abs. 1 ZPO dann, wenn die von ihm behaupteten Mängel und deren Verursachung durch den Antragsgegner festgestellt werden. Insoweit besteht sein rechtliches Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Antragsgegner an der Feststellung des Zustandes einer Sache und der Ursache eines Sachmangels, für den eine Haftung des Antragsgegners ihm gegenüber in Betracht kommt. Das rechtliche Interesse an einem Beitritt des Fachplaners auf Seiten des Antragstellers folgt nun daraus, dass dessen Haftung als Gesamtschuldner zusammen mit dem Antragsgegner in Betracht kommt. Wer zu einem Gläubiger in einem Rechtsverhältnis steht, aufgrund dessen er diesem möglicherweise als Gesamtschuldner mit einem weiteren Schuldner haftet, hat ein rechtliches Interesse daran, dass eine Klage des Gläubigers gegen den weiteren Schuldner Erfolg hat. Denn jedenfalls die erfolgreiche Vollstreckung eines Urteils durch den obsiegenden Gläubiger würde rechtlich auf das Rechtsverhältnis einwirken. Der (unterstellte) Anspruch des Gläubigers gegen ihn, den möglichen Gesamtschuldner, würde hierdurch nämlich gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Gläubiger erfüllt und außerdem entweder ganz oder teilweise erlöschen oder auf den weiteren Schuldner übergehen, § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB. Das Ergebnis des Selbständigen Beweisverfahrens und ein Obsiegen des Antragstellers wirken daher jedenfalls mittelbar auf das Rechtsverhältnis der Streithelfer zur Antragstellerin ein, was das nach § 66 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse begründet.

Thomas Käseberg
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht
1. Januar 2016

Referent: Thomas Käseberg

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