2010
Vermögen // Familie

Auf ein Neues: Steuer-CD

Vom Umgang mit Kriminellen und Daten in einem verlotterten Rechtsstaat

Im demnächst erscheinenden Heft 5/2010 des AO-Steuerberaters (AO-StB) wird unter dem vorgenannten Titel ein Beitrag unseres Partners Dr. Frank Heerspink erscheinen, der sich mit dem neuerlichen Ankauf einer Daten-CD durch den Fiskus befasst. Aufgrund der Aktualität des Themas hier eine Kurzzusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse des Beitrags. Zur Begründung der jeweiligen Ergebnisse dürfen wir auf den vorerwähnten Beitrag verweisen.

I. Überblick

Nach der Liechtensteinaffäre hat der Fiskus erneut eine Daten-CD mit steuerlich relevanten Bankdaten aufgekauft. Bei weiteren ihm angebotenen Daten steht die Entscheidung bevor, ob sie angekauft werden. Der Ankauf der Liechtenstein-CD hat einen Markt begründet, auf dem kriminelle Bankmitarbeiter ihr "Diebesgut" zu Geld machen können. Rechtsstaatliche Prinzipien werden fiskalischen Interessen und populistischen Forderungen geopfert. Damit machen sich nicht nur die Bankmitarbeiter, sondern auch die staatlichen Organe strafbar.

Als Straftatbestände kommen in Betracht: § 17 UWG (Verrat von Geschäftsgeheimnissen), § 202a StGB (Ausspähen von Daten) § 257 StGB (Begünstigung), § 259 StGB (Hehlerei), § 261 StGB (Geldwäsche), 266 StGB (Untreue) und §§ 43, 44 BDSG (Datenmissbrauch). Dem steht gegenüber die Steuerhinterziehung (§ 370 AO) von Kapitalanlegern, die sich die Frage stellen müssen, ob sich eine Selbstanzeige (§ 371 AO) empfiehlt. Die Frage, ob eine Selbstanzeige erforderlich ist, hängt unmittelbar zusammen mit der Frage der strafrechtlichen Verwertbarkeit der illegal erlangten Daten. Schließlich stellt sich die Frage der steuerlichen Verwertbarkeit der CD-Rom.

Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass eine Unverwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse geboten ist. Dies auch, um dem Rechtsstaat nicht weiteren Schaden durch staatlich veranlasste Straftaten zuzufügen. Ein bloßes "pecunia non olet" sichert keinen Rechtsstaat, im Gegenteil, er verlottert.
Die Unverwertbarkeit der Daten ist rechtlich allerdings höchst unsicher. Wer den sicheren Weg beschreiten will, sollte den der Selbstanzeige beschreiten. Trotz einiger aufgekommener Irritationen ist dieser Weg nach wie vor gangbar.

II. Einleitung

2007 kaufte der deutsche Auslandsgeheimdienst ─ der BND ─ aus obskurer Quelle eine CD-Rom, die zum Auslöser der so genannten "Liechtensteiner Steueraffäre" wurde. Die CD-Rom beinhaltete steuerlich relevante Daten über deutsche Steuerbürger, die Kunden einer Liechtensteiner Bank waren.
Die CD brachte dem Anbieter € 4,2 Millionen ein, was andere veranlasst hat, ähnliches anzubieten. Laut Spiegel (12/2010, S. 33) sind folgende CDs im Angebot:

  • -Nordrhein-Westfalen: 1.500 Kundendaten der Credit Suisse, Ankauf erfolgt (€ 2,5 Mio.)
  • Baden-Württemberg: 1.600 mutmaßliche Steuerhinterzieher, zudem 20.000 Kleinbeträge, Ankauf ungewiß
  • Bayern: Datensätze von Geldinstituten aus Luxemburg und der Schweiz, Ankauf ungewiß
  • Schleswig-Holstein: 363 Datensätze wurde den Behörden anonym und kostenlos zugespielt
  • Hessen: prüft auf Bitten des Bundes eine weitere Steuersünder-CD
  • weitere CDs in verschiedenen Bundesländern, mit deutlich geringeren Datenbeständen.

Doch die rechtsstaatlichen Bedenken, die bspw. die Baden-Württemberger davon abhielten, die angebotene CD-Rom zu erwerben, wiegen nach wie vor schwer.

III. Gang der Liechtenstein-Affäre

Als Rechtfertigung für den Ankauf dient in der öffentlichen Diskussion stets der Präzedenzfall Lichtenstein. Dabei lässt sich aus diesem Verfahren bislang noch nichts ableiten. Wer auch immer sich aktuell auf Beschlüsse oder Urteile zu diesem Fall beruft, sollte hinzufügen, dass diese Entscheidungen keinen wirklichen Erkenntnisgewinn liefern können.

Die bekannt gewordenen Urteile des Landgerichts Bochum im Fall Zumwinkel und im Fall eines Immobilienmaklers beruhten offensichtlich auf vorangegangenen Absprachen. Bei Zurückstellung aller rechtlichen Bedenken, die gegen die Anklage hätten erhoben werden könne, erklärte man sich mit einem kurzen Prozess bei relativ milden Strafen einverstanden.

Beide Entscheidungen haben damit keine Klärung der mit der Beweismittelgewinnung verbundenen Fragen erbracht: 

  • Ist es zulässig, den Geheimdienst für steuerliche Zwecke einzusetzen?
  • Ist es zulässig, den Geheimdienst für strafrechtliche Zwecke einzusetzen?
  • Darf an den Regeln der Amts- und Rechtshilfe vorbei, im Ausland ermittelt werden?
  • Wie wirken sich etwaige Rechtsverstöße aus?
  • Warum soll der Ankauf einer rechtswidrig produzierten CD, auf der sich fremde Betriebsgeheimnisse befinden, nicht strafbar sein? Wieso sollte hier §§ 17 UWG, 257 StGB nicht greifen?
  • Wie wirkt sich gezielt strafbares Verhalten des Staates auf den eigenen Strafanspruch aus?
  • Welche Folgerungen ergeben sich daraus für das Steuerverfahren?

Einige Fragen könnten allerdings durch das Bundesverfassungsgericht geklärt werden. Dieses befasst sich im Rahmen einer anhängigen Verfassungsbeschwerde (Az.: 2 BvR 2101/09) mit der Frage, ob Durchsuchungsbeschlüsse auf die Daten-CD gestützt werden können. Mit einer zeitnahen Entscheidung ist leider nicht zu rechnen.

IV. Die neuen Daten-CDs

Auf dem lukrativen Markt illegal erlangter Daten sind neue Player aufgetaucht. Woher die von angekauften bzw. zu Ankauf anstehenden Daten stammen ist nebulös. Bisher ist nicht einmal bekannt, ob die Daten tatsächlich von der immer wieder genannten Credit Suisse stammen; auch andere Banken sind im Gespräch (z.B. UBS, HSBC).

Auf der Grundlage der von Nordrhein-Westfalen angekauften CD-Rom sollen mittlerweile 1100 Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet worden sein. Dies obgleich die genannten Rechtsprobleme nach wie vor ungelöst sind. Der erwartete Gewinn, die Bundesregierung (Drucks. 17/1074) rechnet mit Steuermehreinnahmen im "dreistelligen Millionenbereich", scheint die rechtsstaatlichen Bedenken hinwegzuschwemmen.

V. Fragen zur Rechtsstaatlichkeit

1. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft
Eine Zuständigkeitskonzentration auf die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ist grds. möglich. Hier scheint man etwas besser aufgestellt zu sein als im Liechtenstein-Verfahren.

2. Der Staat als Straftäter
Sicher ist, dass sich der Bankangestellt, der die Daten anbietet, strafbar macht: Er macht sich nach dem Recht des jeweiligen Staates strafbar (Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg etc.) und auch nach deutschem Recht. § 17 UWG stellt den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen unter Strafe.

Aber auch die staatlicherseits agierenden Beamten machen sich strafbar. § 17 UWG (Verrat von Geschäftsgeheimnissen), § 202a StGB (Ausspähen von Daten) § 257 StGB (Begünstigung), § 259 StGB (Hehlerei), § 261 StGB (Geldwäsche), 266 StGB (Untreue) und §§ 43, 44 BDSG (Datenmissbrauch) werden als Tatbestände diskutiert, für einige davon bestehen sehr gute Argumente.

Eine sichere Beurteilung der Strafbarkeit ist aber erst bei vollständiger Sachverhaltskenntnis möglich. Diese erschließt sich nicht aus den pressebekannten Tatsachen. Viel spricht für die Strafbarkeit des staatlichen Tuns.

3. Gerichtliche Verwertung der erlangten Daten
Wenn die "gestohlenen" Daten rechtswidrig erlangt wurden, sind sie dann gleichwohl prozessual verwertbar?

a) Strafrechtliche Verwertbarkeit
Beweisverwertungsverbote unterliegen in Deutschland einer höchst streitigen Diskussion. Die Diskussion umkreist zwei widerstreitende und doch zentrale Prinzipien des Strafrechts: effektive Strafverfolgung ist ein hohes staatliches Interesse, das Rechtsstaatsprinzip schützt hingen alle Bürger ─ auch den der sich schuldig gemacht hat ─ vor rechtwidrigen Eingriffen in seine Rechte. Die Wahrheit darf nicht um jeden Preis ermittelt werden (BGH v. 27.2.1992, 5 StR 190/91, NJW 1992, 1463) und doch muss die Allgemeinheit geschützt werden (u.a. BVerfG vom 6.10.2009, 2 BvR 2580/08, www.bverfg.de; vom 25.2.1987, 1 BvR 1086/85, NStZ 1987, 333, 334; 51, 324; 46, 214). Verwertungsverbote bewegen sich in diesem Zielkonflikt, denn es ist abzuwägen ob der rechtswidrige Eingriff so schwer wiegt, dass dahinter der Strafrechtsschutz zurücktreten muss.

Das Landgericht Bochum hat es in der Liechtensteinaffäre zugelassen, dass auf der Basis illegal angekaufter Daten staatlicher Zwang ─ Durchsuchung der Wohnung ─ ausgeübt und in Grundrechte (Art. 13 Grundgesetz) eingegriffen wird.

Eine derart weitgehende Verneinung führt dazu, dass trotz eines gezielten Bruchs der vom Gesetzgeber aufgestellten Regeln, eine Verwertung möglich wäre. Gezielt rechtswidrigen Ermittlungen wäre damit Tür und Tor geöffnet, denn der bewusste Rechtsbruch erzeugt keine Konsequenzen. Vor diesem Hintergrund wird die Verwertbarkeit in der Literatur überwiegend abgelehnt.

Das Bundesverfassungsgericht wird diesen Streit in der Sache 2 BvR 2101/09 (s.o.) zu entscheiden haben. Dabei wird es wohl auch um die Frage der sogenannten Fernwirkung eines Verwertungsverbots gehen; sind die "Früchte des verbotenen Baums" genießbar?

Dahinter steht die Frage, ob die Beweismittel verwertbar sind, die sich anknüpfend an unverwertbaren Erkenntnissen im weiteren Verlauf der Ermittlungen ergeben (z.B. Unterlagen oder ein Geständnis). Wer die Fernwirkung bejaht, kommt zur Unverwertbarkeit auch des Anknüpfungsbeweises. Eine auf der Daten-CD basierende Durchsuchung kann dann keine verwertbaren Beweise generieren. Das Landgericht Bochum hat im Rahmen seiner Liechtensteinentscheidungen eine solche Fernwirkung verneint. In der überwiegenden Zahl von Fällen tut dies auch die herrschende Meinung.

Meines Erachtens liegt hier allerdings eine Ausnahmesituation vor, in der auch eine Fernwirkung bejaht werden sollte. Die Abwägungslehre kann es keinesfalls rechtfertigen, dass sich der Staat bewusst ins Unrecht setzt, um anderes Unrecht (Steuerhinterziehung) aufzuklären. Der Staat hat sich nicht auf eine Stufe mit Gesetzesbrechern zu stellen, sondern sich an die selbst gesetzten Regeln zu halten. Nur bei eigener Regelkonformität kann er auch vom Bürger Rechtstreue einfordern. Dies muss jedenfalls gelten, wenn er die Folgekenntnisse erst aufgrund staatlichen Zwangs erhält, der mit unverwertbaren Tatsachen begründet wurde. Ein auf unverwertbaren Beweismitteln gründender (rechtswidriger) Durchsuchungsbeschluss kann keine verwertbaren Erkenntnisse erbringen.

b) Steuerliche Verwertbarkeit
Schlägt ein strafprozessuales Verwertungsverbot auf das Besteuerungsverfahren durch? Grundsätzlich gibt es im Besteuerungsverfahren keine unzulässige Beweiserhebung, die ipso iure in einem Verwertungsverbot mündet. Die Rechtsstellung des Betroffenen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren richtet sich gemäß § 393 Abs. 1 S. 1 AO nach den jeweiligen Verfahrensvorschriften.

Allerdings gibt es anerkanntermaßen Ausnahmefälle, etwa wenn strafprozessuale Verwertungsverbote auf einem allgemeinen Rechtsgedanken und nicht lediglich strafrechtlichen Zwecken entsprechen.
Vor dem Hintergrund des neu eigeführten § 393 Abs. 3 S. 2 AO muss man wohl noch viel weitgehender argumentieren: Jedwede strafprozessual rechtswidrige Beweisgewinnung ist im Steuerverfahren unverwertbar! Eine solche Auslegung stützt sich auf den neuen Wortlaut der Norm. Dieser stellt auf die "rechtmäßig … gewonnenen" Erkenntnisse ab; nur für diese ist eine Verwertbarkeit im Steuerverfahren vorgesehen. Eine solche Auslegung hätte eine hohe disziplinierende Wirkung.

c) Risiko
Auch wenn es überzeugende Gründe für die Unverwertbarkeit der Daten gibt ist darauf hinzuweisen, dass nach der herkömmlichen Rechtsprechung die Unverwertbarkeit von Beweismitteln regelmäßig abgelehnt wird. Regelmäßig soll die objektive Wahrheit nicht von einer verfahrenstechnischen Illegalität verdrängt werden. Wer sich auf die Unverwertbarkeit der Daten verlässt, steht mithin auf dünnem Eis; allerdings in guter Gesellschaft.

4. Selbstanzeige
Das Risiko vermeidet, wer rechtzeitig eine Selbstanzeige abgibt. Dazu ist es auch noch nicht zu spät, die bloße Berichterstattung durch die Presse verschafft noch nicht die persönliche Kenntnis davon, dass die eigene Steuerhinterziehung schon entdeckt wurde. Dies gilt trotz der gegenteiligen Auffassung die die Staatsanwaltschaft Bochum im Lichtensteinkomplex vertreten hat. An dieser Stelle soll aus dem Argumentationsstrang nur ein Element herausgegriffen werden: Die oberste Steuerbehörde hat zu Selbstanzeigen aufgefordert, so geschehen durch Bundesfinanzminister (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 1 AO) Schäuble (www.ftd.de, "Fiskus holt zum großen Schlag aus" am 03.02.2010). Damit fordert der oberste Steuerbeamte und frühere Innenminister letztlich zu nichts anderem auf, als sich selbst einer Straftat zu bezichtigen.

Doch gerade das Recht, dass ein Straftäter niemals dazu verpflichtet werden kann, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken, ist das zentrale Prinzip unseres Strafprozesses. Die Aufforderung zur Selbstanzeige erweckt subjektiv beim Steuersünder die Gewißheit, dass diese ihm sichere Straffreiheit verschafft. Sollte dies tatsächlich nicht der Fall sein, läge eine Täuschung zur Erwirkung eines Geständnisses vor und damit ein Verstoß gegen § 136a StPO. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot wäre die Folge. Dies würde sich sowohl strafrechtlich als auch steuerlich auswirken.

VI. Fazit

Der Daten-Kauf fügt dem Rechtsstaat Schaden zu. Selbst wenn dereinst das Bundesverfassungsgericht zu einer Verwertbarkeit in Fällen kommen sollte, bliebe ein schaler Beigeschmack. Rechtstaatliche Prinzipien und Garantien, die dem Staat in einem Jahrzehnte andauernden Prozess abgerungen wurden, müssen sich gerade dann bewähren, wenn es unbequem und auch unpopulär ist. Ein bloßes "pecunia non olet" sichert keinen Rechtsstaat, im Gegenteil, er verlottert.
Unabhängig davon ist der Weg über die Selbstanzeige allerdings nach wie vor sicher.

Verfasser: Dr. Frank Heerspink
Rechtsanwalt

Referent: Dr. Frank Heerspink

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