Tätigkeitsgebiete Immobilie // Bau
Zuschlag für Wagnis ist bei „freier“ Kündigung des Werkunternehmervertrages nicht als ersparte Aufwendung von der Vergütung nach § 649 S. 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2006) in Abzug zu bringen.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 24.03.2016 (AZ: VII ZR 201/15) ausgeführt, dass der vom Auftragnehmer im Rahmen eines Einheitspreisvertrages auf der Basis des Formblattes 221 (VHB 2008) kalkulierte Zuschlag für Wagnis nicht als ersparte Aufwendung von der Vergütung nach § 649 S. 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2006) in Abzug zu bringen ist, weil damit das allgemeine unternehmerische Risiko abgesichert werden soll. Die Entscheidung erfolgt in Abgrenzung zu dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30.10.1997 (AZ: VII ZR 222/96).
Die Klägerin machte in dem vorliegenden Rechtsstreit als Werkunternehmerin nach einer freien Kündigung der Beklagten restlichen Werklohn geltend. Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, dass die Klägerin sich ersparte Aufwendungen abziehen lassen muss. Hierzu gehöre auch der Zuschlag für Wagnis.
Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Grundsätzlich kann der Auftragnehmer im Falle der Kündigung des Auftraggebers die vereinbarte Vergütung verlangen. Zwar muss er sich dasjenige in Anrechnung bringen lassen, was er in Folge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben bzw. zu erwerben böswillig unterlassen hat. Erspart sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes diejenigen Aufwendungen, die der Unternehmer ohne die Kündigung gehabt hätte und die in Folge der Kündigung entfallen sind. Als Ersparnisse kommen vor allem projektbezogene Herstellungskosten und die variablen projektbezogenen Gemeinkosten in Betracht. Gewinn und allgemeine Geschäftskosten, die nicht projektbezogen anfallen, sind dagegen nicht erspart. Dies entspricht der allgemeinen Rechtsprechung.
Auf Basis dieser Grundsätze ist der vom Auftragnehmer kalkulierte Zuschlag für Wagnis im Falle der Kündigung nicht in Abzug zu bringen, wenn mit dem Zuschlag das allgemeine unternehmerische Risiko für die durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers allgemein begründete Verlustgefahr abgesichert werden soll. Wie der kalkulierte Gewinn ist auch dieser kalkulierte Zuschlag im Falle einer Kündigung des Werkvertrages durch den Auftraggeber nicht erspart, denn es handelt sich nicht um Kosten des Auftragnehmers (die in Folge der Kündigung des Vertrages wegfallen). Vielmehr dient die kalkulierte Kostenposition zur Absicherung von Risiken, die mit dem Geschäftsbetrieb als solchem verbunden sind, d.h. dem allgemeinen Unternehmerwagnis. Dem stehen keine tatsächlichen Kosten des Auftragnehmers gegenüber. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob sich das Risiko, das mit dem Wagniszuschlag abgedeckt werden soll, im konkreten Fall verwirklicht hat oder nicht. Der Wagniszuschlag zur Absicherung des allgemeinen Unternehmerrisikos steht dem Auftragnehmer vielmehr zu unabhängig davon, ob vertraglich vereinbarte Leistungen in Folge der Kündigung des Vertrages nicht mehr zur Ausführung gelangen oder nicht, weil das durch den Geschäftsbetrieb im allgemeinen begründete Risiko des Auftragnehmers unabhängig davon besteht, ob im Einzelfall ein Vertrag durchgeführt wird oder nicht. Der Bundesgerichtshof grenzt dieses allgemeine Unternehmerrisiko von Einzelwagnissen, die als Zuschläge kalkuliert werden, ab. Diese sind mit der Leistungserstellung in den einzelnen Tätigkeitsgebieten des Betriebes verbunden. Die für solche Einzelwagnisse kalkulierten Kosten des Auftragnehmers können im Sinne des § 649 S. 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B erspart sein, wenn in Folge der Kündigung des Auftraggebers ein Teil der Leistung nicht mehr zur Ausführung kommt. Diese Kosten muss sich der Auftragnehmer dann anrechnen lassen, denn er ist das mit dieser Kostenposition vergütete Risiko tatsächlich nicht mehr eingegangen.
Im vorliegenden Rechtsstreit ging es bei dem ausgewiesenen Zuschlag für Wagnis allerdings nicht um einen Zuschlag für Einzelwagnisse, sondern für das allgemeine Unternehmerrisiko. Dementsprechend waren diese Kosten nicht als ersparte Aufwendungen in Abzug zu bringen.
Festzuhalten ist demnach, dass bei einer freien Kündigung im Rahmen der Abrechnung der Vergütung des Unternehmers darauf geachtet werden muss, ob der Zuschlag für Wagnis das allgemeine Unternehmerrisiko abdecken soll oder Einzelwagnisse. Je nachdem können hier ersparte Aufwendungen vorliegen oder nicht.
Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
1. Juni 2016
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