Tätigkeitsgebiete Vermögen // Familie
Widerruf einer Vorsorgevollmacht und Kontrolle des Bevollmächtigten durch einen gerichtlich bestellten “Kontrollbetreuer”
Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Beschluss vom 23.09.2015 – XII ZB 624/14 zu den Voraussetzungen der Anordnung einer Kontrollbetreuung geäußert.
I. In welchen Fällen kann eine Betreuung überhaupt angeordnet werden?
Wenn eine Person aufgrund ihres Alters oder einer Krankheit nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, muss eine andere Person als ihr Vertreter handeln, wenn Entscheidungen für sie zu fällen sind. Das gilt für geschäftliche Entscheidungen (wie etwa das Bezahlen der Miete) ebenso wie für gesundheitliche Entscheidungen (wie über die Art einer medizinischen Behandlung). Hat die betroffene Person keine Vorsorgevollmacht errichtet, also nicht selbst einen Vertreter für diesen Fall bestimmt, kann das Betreuungsgericht einen Betreuer einsetzen. Liegt dagegen eine Vorsorgevollmacht vor, scheidet die Anordnung einer umfassenden Betreuung mangels Erforderlichkeit grundsätzlich aus (s. § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB).
II. In welchen Fällen kommt eine Kontrollbetreuung in Betracht?
Allerdings kann in diesen Fällen eine so genannte „Kontrollbetreuung“ angeordnet werden. Der einzige Aufgabenkreis eines Kontrollbevollmächtigten ist es ggf., die Rechte des Vollmachtgebers gegenüber dem Bevollmächtigten wahrzunehmen (geregelt in § 1896 Abs. 3 BGB). Auch eine Kontrollbetreuung kann jedoch nur angeordnet werden, wenn dies erforderlich ist.
III. Welche Voraussetzungen müssen für die Anordnung einer Kontrollbetreuung vorliegen?
In seinem Beschluss vom 23.09.2015 hat der Bundesgerichtshof konkretisiert, wann eine Kontrollbetreuung als erforderlich zu betrachten ist und damit angeordnet werden darf. Danach muss der „konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht genüge getan wird“ vorliegen. Dies kann nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits dann „der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfts überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung im Interesse des Vollmachtgebers handelt.“
IV. In welchen Fällen kann ein Kontrollbetreuer mit dem Aufgabenkreis des Widerrufs einer Vollmacht bestellt werden?
Hierzu führt der Bundesgerichthof aus: „Soll dem Kontrollbetreuer auch der Aufgabenkreis des Vollmachtwiderrufs übertragen werden, setzt dies tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtsausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich den Versuch, durch einen zu bestellenden (Kontroll-)Betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte.“ Nur dann wenn diese Maßnahmen scheitern kann die Kontrollbetreuung mit dem Aufgabenkreis des Widerrufs der Betreuung als „ultima ratio“ angeordnet werden.
V. Zusammenfassung
Insgesamt stellt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss heraus, dass der Wille des Betroffenen, der in einer Vorsorgevollmacht seinen Ausdruck gefunden hat, bei jeder Entscheidung des Betreuungsgerichts maßgeblich berücksichtigt werden muss. Zwar muss das Betreuungsgericht dafür Sorge tragen, dass das Wohl des Betroffenen (einschließlich seiner finanziellen Interessen) sichergestellt ist, es muss hierzu aber jeweils die Maßnahme auswählen, die die Verfügungsgewalt des von dem Betroffenen ausgewählten Bevollmächtigten möglichst wenig einschränkt.
Dr. Susanne Sachs
Rechtsanwältin
5. Januar 2016
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