Tätigkeitsgebiete Vermögen // Familie
Wertzuwachs eines während der Ehe mit einem Nießbrauch belasteten Grundstück im Zugewinnausgleich oder iudex non calculat (der Richter rechnet nicht)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 06.04.2015, XII ZB 306/14, seine bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Wertzuwachs eines mit einem Nießbrauch belasteten Grundstück im Zugewinnausgleich ganz grundlegend geändert.
Kurz allgemein zur Systematik des Zugewinnausgleichs…
Wenn Eheleute keinen Ehevertrag geschlossen haben, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dies bedeutet, dass ihre Vermögenswerte grundsätzlich getrennt bleiben. Nur wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft aufgehoben wird, wie es bei der Scheidung der Fall ist, erfolgt der Zugewinnausgleich. Dabei wird verglichen, wie viel Vermögen die Ehegatten jeweils während der Ehe hinzu gewonnen haben. Der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, hat gegen den anderen einen Anspruch auf Auszahlung der hälftigen Differenz zwischen den jeweiligen Zugewinnen.
…und zur Berücksichtigung von Schenkungen im Zugewinnausgleich
Grundsätzlich nicht in den Zugewinnausgleich fallen Schenkungen. Eine Wertsteigerung, die der geschenkte Gegenstand während der Ehezeit erfährt, wird allerdings berücksichtigt. Rechtstechnisch wird dies dadurch bewerkstelligt, dass der geschenkte Gegenstand zwar im Endvermögen berücksichtigt wird, gleichzeitig aber mit dem Wert, den der Gegenstand zum Zeitpunkt der Schenkung hatte, ins Anfangsvermögen eingestellt wird.
Bisherige und neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung des Wertzuwachses durch Abschmelzen des Nießbrauchs
Wenn einem der beiden Ehegatten während der Ehe ein Grundstück geschenkt wird, das mit einem lebenslangen Nießbrauchrecht belastet ist, steigt der Wert des Vermögens des beschenkten Ehegatten durch Zeitablauf automatisch, da der Wert des Nießbrauchs mit steigendem Alter des Nießbrauchberechtigten automatisch immer weiter abnimmt.
Bisherige Rechtsprechung
Nun hatte der BGH bisher in einem äußerst komplizierten und rechtspraktisch kaum umsetzbaren Gedankengang angenommen, man müsse, um die fortlaufende unentgeltliche Zuwendung, die der beschenkte Ehegatte durch das ständige Abschmelzen des Nießbrauchwertes erfährt, aus dem Zugewinn auszunehmen, den Wert des Grundstücks abzüglich Nießbrauchwert zum Zeitpunkt der Schenkung ins Anfangsvermögen und den Wert des Grundstücks abzüglich dem dann aktuellen Nießbrauchwert ins Endvermögen einstellen. Überdies müsse man den Vermögenszuerwerb durch das Abschmelzen des Nießbrauchwertes dem Anfangsvermögen hinzuaddieren.
Neue Rechtsprechung
In seiner aktuellen Entscheidung vom 06.04.2015 hat der Bundesgerichtshof sich ausdrücklich von dieser Rechtsprechung distanziert. Zwischenzeitlich wurde festgestellt, dass die eben geschilderte Methode zwar zu einem korrekten Ergebnis führt, exakt dasselbe Ergebnis jedoch erzielt wird, wenn der Nießbrauch in der Berechnung schlicht und einfach gar nicht berücksichtigt wird. Ausgeglichen wird bei beiden Berechnungsmethoden ausschließlich der Wertzuwachs des Grundstücks selbst, nicht aber der Wertzuwachs durch das Abschmelzen des Nießbrauchwertes.
Im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen ist der Nießbrauch allerdings weiterhin in den Fällen, in denen sein Wert während der Ehe nicht sinkt, sondern steigt. Das kann trotz fortschreitenden Alters des Berechtigten der Fall sein, wenn die erzielbaren Mieteinnahmen sich entsprechend erheblich steigern. In diesen Fällen ist der Nießbrauch jeweils mit dem Wert in Abzug bringen, den er an den beiden Stichtagen (Schenkung und Zustellung Scheidungsantrag) hatte.
Dr. Susanne Sachs
Rechtsanwältin
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