Tätigkeitsgebiete Immobilie // Bau
Voraussetzungen der Bindung des Architekten an seine Schlussrechnung
Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19. November 2015 (Az. VII ZR 151/13)
Der Bundesgerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zur Bindung des Architekten an die Schlussrechnung bestätigt. Danach ist ein Architekt an eine Schlussrechnung dann gebunden, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann.
Alleine die Bezahlung der Schlussrechnung stellt keine Maßnahme dar, mit der sich der Auftraggeber in schutzwürdiger Weise auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung eingerichtet hat. Auch ein längerer Zeitraum zwischen der Erteilung bzw. dem Ausgleich der Honorarrechnung des Architekten und der erstmaligen Geltendmachung eines weitergehenden Honoraranspruchs auf Basis der Mindestsätze der HOAI macht die Zahlung des beanspruchten höheren Differenzbetrages nicht unzumutbar.
In dem zu entscheidenden Fall hatten die Parteien die Erbringung der Leistungsphasen 1 bis 9 zu ein Pauschalhonorar vereinbart, welches unter den Mindestsätzen der HOAI lag. Am 30. Dezember 2006 stellte der Kläger dem Beklagten die letzte Pauschalbetragsrate in Rechnung. Diese wurde am 12. März 2007 bezahlt. Im März 2008 machte der Kläger sodann ein Honorar auf Basis der Mindestsätze geltend. Das Berufungsgericht hat einen solchen Anspruch wegen Bindung des Architekten an die Schlussrechnung abgelehnt. Der Bundesgerichtshof sieht dies anders. Das Oberlandesgericht habe – so der Bundesgerichtshof – Unrecht, wenn es aus dem Ablauf eines Jahres seit vollständiger Bezahlung der Schlussrechnung und aus der Erteilung der Zahlungsquittung schließe, dass sich der Beklagte auf den abschließenden Charakter seiner Zahlung eingerichtet habe. Vielmehr hätte es darüber hinaus eines konkreten Sachvortrages dazu bedurft, welche Dispositionen der Bauherr im Vertrauen auf die Schlussrechnung getroffen hat. Alleine die Bezahlung der Schlussrechnung reicht als Vortrag nicht aus. Es gebe noch keine allgemeine Lebenserfahrung, dass sich ein Auftraggeber nach bestimmter Zeit darauf eingerichtet habe, nichts mehr zahlen zu müssen. Der Bundesgerichtshof betont, dass es jeweils um eine Einzelfallbetrachtung geht. Danach muss gerade die durch eine Nachforderung entstehende zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung aller Umstände als nicht mehr zumutbar anzusehen sein. Ferner ist auch zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Auftraggeber im Hinblick auf ein schützenswertes Vertrauen vorgenommen oder unterlassen hat. Insoweit bestätigt der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung (siehe u. a. Urteil vom 23. Oktober 2008, Az. VII ZR 105/07).
Festzuhalten ist demnach, dass nicht jede Nachforderung des Architekten nach Bezahlung einer unter den Mindestsätzen liegenden Honorarabschlussrechnung ausgeschlossen ist. Es muss vielmehr jeweils im Einzelfall überprüft werden, ob sich der Auftraggeber auf die Endgültigkeit der Schlussrechnungen in schutzwürdiger Weise eingerichtet hat, so dass die Nachforderung nicht mehr zumutbar ist. Es gibt keine allgemeine Lebenserfahrung, dass dieses beispielsweise durch Bezahlung der Schlussrechnung der Fall ist. Gleichwohl birgt eine spätere Nachforderung des Architekten immer das Risiko, dass im Einzelfall die Geltendmachung der Forderung gegen § 242 BGB verstößt. Deshalb sollte die Rechnung möglichst sorgfältig und unter Berücksichtigung der Vorgaben der HOAI erstellt werden.
Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
27. Januar 2016
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