Tätigkeitsgebiete Immobilie // Bau
Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede betreffend eine Vertragserfüllungsbürgschaft
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16. Juni 2016, AZ: VII ZR 29/13 zur Frage der Wirksamkeit einer Sicherungsabrede betreffend eine Vertragserfüllungsbürgschaft nähere Ausführungen gemacht.
Danach können Abschlagszahlungsregelungen, die vorsehen, dass der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns einbehalten darf, zur Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede betreffend eine Vertragserfüllungsbürgschaft führen, wenn sie in Verbindung mit dieser bewirken, dass die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreiten. Die Entscheidung erfolgte im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus dem Urteil vom 9. Dezember 2010, AZ: VII ZR 7/10.
I.
Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin beauftragte die Unternehmerin B unter Einbeziehung der VOB/B (2006) mit der Errichtung von Wohneinheiten. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag war eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5% der Bruttoauftragssumme zu stellen. Der Vertrag lautete hierzu in § 12.1.1:
„Ausführungsbürgschaft
Zur Absicherung der vertragsgemäßen Erfüllung seiner Leistungspflichten, insbesondere der vertragsgemäßen Ausführung der Bau- und Planungsleistungen, der Rückerstattung eventueller Vorauszahlungen und Überzahlungen einschließlich Zinsen sowie von Schadensersatz und Vertragsstrafeansprüchen, stellt der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Erfüllungsbürgschaft einer deutschen Großbank oder eines deutschen Kreditinstitutes öffentlichen Rechts oder eines allgemein anerkannten Kreditversicherers in Höhe von 5% der Bruttoauftragssumme.
Die Bürgschaft ist spätestens vor Auszahlung der ersten Abschlagszahlung zu stellen.
……
Die Bürgschaft ist unbedingt, unbefristet, unwiderruflich und selbstschuldnerisch auszustellen und hat den Verzicht auf das Recht zur Hinterlegung sowie die Einreden der Anfechtbarkeit, Aufrechenbarkeit und der Vorausklage gemäß §§ 770, 771 BGB sowie den Hinweis zu enthalten, das § 775 BGB nicht zur Anwendung kommt. Für die Einrede der Aufrechenbarkeit gilt dies nur insoweit, als die Gegenforderung nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist…..“
In dem Vertrag war ferner in § 10.5 eine Regelung enthalten, wonach ein Einbehalt von der Schlusszahlung in Höhe von 5% der Bruttoauftragssumme zur Sicherung der Mängelansprüche der Klägerin gemacht werden konnte, wobei die B berechtigt war, den Einbehalt durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft in gleicher Höhe abzulösen.
Bei den Regelungen des Vertrages handelte es sich um vorformulierte gestellte Geschäftsbedingungen.
In § 13.1 war ferner vorgesehen, dass Abschlagsrechnungen entsprechend von Zahlungsplänen erfolgen sollten. Die drittletzte Abschlagszahlung in Höhe von 5% der vereinbarten Vergütung sollte mit vollständiger Fertigstellung und Übergabe an den Kunden des Auftraggebers, die vorletzte Abschlagszahlung in Höhe von 5% der vereinbarten Vergütung nach Beseitigung der Mängel aus den Abnahmeprotokollen und Kundenunterschriften und die letzte Abschlagszahlung in Höhe von 5% der vereinbarten Vergütung nach erfolgter Abnahme, Ablösung des Sicherheitseinbehalts für die Gewährleistung durch eine Bürgschaft und Fälligkeit der vorletzten Rate fällig werden. Die Fälligkeit der Abschlagsforderung sollte sich allerdings nach § 632 a BGB richten, sofern die B Sicherheiten gem. § 648 a BGB verlangte.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten übernahm eine entsprechend dem Vertrag vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaft. Die B fiel in Insolvenz. Die Klägerin ließ nach entsprechender Kündigung das Bauvorhaben durch Drittunternehmen fertigstellen und machte Mehrkosten von über 1 Mio. € geltend. Sie nahm deshalb die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung gegen das Urteil hatte keinen Erfolg.
Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
II.
Der Bundesgerichtshof ist anders als die Vorinstanzen der Auffassung, dass gem. § 307 Abs. 1 BGB die im Vertrag getroffene Regelung über die Vertragserfüllungsbürgschaft die B unangemessen benachteiligt und unwirksam ist. Abschlagszahlungsregelungen aufgrund derer der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns eingehalten darf, ohne dem Auftragnehmer hierfür eine Sicherheit leisten zu müssen, bewirkten, dass dem Auftragnehmer bis zur Schlusszahlung Liquidität entzogen wird. Außerdem trägt dieser das Risiko, dass der Auftraggeber insolvent wird und er in Höhe des Einbehalts mit seiner Leistung ausfällt. Im Gegenzug erhält der Auftraggeber seinerseits aber durch die Einbehalte nicht nur eine Sicherung vor Überzahlung, sondern er kann vielmehr gegen die einbehaltenen Restforderungen des Auftragnehmers jederzeit mit sonstigen Forderungen aus dem Werkvertrag aufrechnen. Damit stellen die Einbehalte eine Sicherung sämtlicher vertraglicher Ansprüche des Auftraggebers dar, also auch solcher, auf die sich die der Vertragserfüllungsbürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede bezieht. Deshalb können die Abschlagszahlungsregelungen zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führen, wenn sie in Verbindung mit der Vertragserfüllungsbürgschaft bewirken, dass die Gesamtbelastung des Auftragnehmers als unangemessen anzusehen ist. Der Bundesgerichtshof legt die vertraglichen Klauseln so aus, dass die Klägerin, trotz Fertigstellung des Bauwerks, 15% des Werklohnes einbehalten durfte. Gegen diese Restforderungen hätte sie jederzeit mit sonstigen Forderungen aus dem Werkvertrag aufrechnen können. Die Einbehalte stellten damit eine Sicherung sämtlicher vertraglicher Ansprüche der Klägerin dar, also auch solcher, auf die sich die der Vertragserfüllungsbürgschaft zugrundeliegende Sicherungsabrede bezieht. Die Gesamtbelastung der B betrug also insgesamt bis zu 20% der vereinbarten Vergütung. Dies überschreitet nach Meinung des Bundesgerichtshofes das Maß des Angemessenen und lässt sich durch das Sicherungsinteresse der Klägerin nicht rechtfertigen.
Allerdings weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass es noch weiterer Feststellungen zu der Frage bedarf, ob die vereinbarten Zahlungspläne die Auftragnehmerin tatsächlich konkret unangemessen benachteiligen. Die Auslegung der Zahlungspläne könne der Senat nicht selbst vornehmen, da es an hinreichenden Feststellungen fehle.
III.
Im Rahmen der weiteren Ausführungen führt der Bundesgerichtshof aus, dass die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5% der Bruttoauftragssumme für sich genommen nicht zu beanstanden sei, da das Verlangen von Vertragserfüllungssicherheiten in einer Größenordnung von bis zu 10% der Auftragssumme nicht als missbräuchliche Durchsetzung der Interessen des Verwenders anzusehen sei (Urteil des BGH vom 7. April 2016, AZ: VII ZR 56/15).
Weiterhin weist der 7. Zivilsenat darauf hin, dass eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers auch nicht vorliegt, wenn die vom Auftraggeber gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu führen, dass der Auftragnehmer durch ein zeitliches Nebeneinander von Vertragserfüllungs- und Mängelsicherheit für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Mängelrechte des Auftraggebers eine Sicherheit in Höhe von 5% der Auftragssumme zu leisten hat (s. auch Urteil des BGH vom 22. Januar 2015, AZ. VII ZR 120/14). Soweit in den vertraglichen Vereinbarungen im vorliegenden Fall zum einen eine Vertragserfüllungssicherheit und zum anderen eine Mängelsicherheit vereinbart wurden, ist dies von dem Bundesgerichtshof nicht beanstandet worden. Beide Sicherheiten seien nicht zeitgleich nebeneinander beanspruchbar. Die Vertragserfüllungsbürgschaft sei nämlich nicht zeitlich unbegrenzt zu stellen, sondern mit Abnahme und Stellung der Sicherheit für die Mängelansprüche zurückzugeben. Damit lag keine Kumulierung vor, die ggfs. Zu einer unangemessenen Übersicherung geführt hätte.
Weiterhin interessant sind auch die Ausführungen des Bundesgerichtshofes zu der Einredeverzichtsklausel des § 770 Abs. 1, 2 BGB. Dabei lässt der Senat es dahinstehen, ob eine Klausel, wie im vorliegenden Fall, eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Zumindest würde die Unwirksamkeit dieses Teils der Klausel nicht zu einer Gesamtunwirksamkeit der vertraglichen Regelung führen. Eine Gesamtnichtigkeit ergebe sich nur dann, wenn der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so entscheidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss. Das könne im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen werden, weil die Ausgestaltung des Bürgschaftsvertrages im 4. Absatz der Regelung inhaltlich von der Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft im 1. Absatz der Regelung des Vertrages trennbar und von untergeordneter Bedeutung sei. Die Vereinbarung, eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen sei auch ohne die Regelung zum Inhalt der Bürgschaft aus sich heraus verständlich und sinnvoll. Vor diesem Hintergrund bleibe selbst bei einer unwirksamen Regelung der 4. Absatz des Vertrages, die Verpflichtung der Auftragnehmerin, eine einfache Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen, bestehen. Aus denselben Gründen sei die Sicherungsabrede auch nicht deshalb unwirksam, weil die B verpflichtet gewesen sei, eine Vertragserfüllungsbürgschaft unter Verzicht auf das Recht des Bürgen zur Hinterlegung und auf Befreiung aus § 775 BGB zu stellen. Beide Verzichte würden sich nicht nachteilig auf die Rechtsstellung des Auftragnehmers auswirken.
Es könne auch dahinstehen, ob sich die Regelung im Vertrag, wonach die Zahlungspläne unbeachtlich sein sollen, wenn die Fälligkeit der Abschlagsforderungen sich nach § 632 a BGB richten (sofern die B gemäß § 648 a BGB Sicherheiten verlangt) gegen § 648 a Abs. 7 BGB verstößt. Auch hier geht der Senat davon aus, dass eine Trennbarkeit innerhalb der Regelung vorliegt, so dass die Vereinbarung eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen, auch ohne die Regelung aus Absatz 5 heraus verständlich sei.
IV.
Das Urteil des Bundesgerichtshofes macht deutlich, dass bei den vertraglichen Regelungen darauf geachtet werden muss, dass es nicht nur zu keiner unangemessenen Benachteiligung des AN durch Übersicherung aufgrund Überschneidens von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften kommt, sondern das auch Abschlagszahlungen in Verbindung mit Vertragserfüllungsbürgschaften zu einer Übersicherung und damit unwirksam Sicherungsabrede führen können.
Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
12. Juli 2016
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