Tätigkeitsgebiete Versicherung // Haftung
Reichweite des Regressverzichts des Sachversicherers beim Mieterregress – Landgericht Krefeld, 01.07.2015 - Az. 2 O 123/13
Eine große Anzahl von Brandschäden ereignet sich in Mietwohnungen oder gewerblich genutzten vermieteten Immobilien, für die eine Gebäudeversicherung besteht. Oftmals gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Schaden von einem Mieter, einem Handwerker oder einem Besucher verursacht wurde.
Grundsätzlich geht ein Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten nach der Regulierung durch einen Gebäudeversicherer gemäß § 86 I 1 VVG auf diesen über. Bei einer Schadensverursachung eines Mieters des Versicherungsnehmers erscheint eine uneingeschränkte Regressmöglichkeit des Gebäudeversicherers bedenklich, da der Mieter zumindest wirtschaftlich die Gebäudeversicherungsprämie trägt.
Der Mieterregress des Sachversicherers ist seit Jahren immer wieder Gegenstand streitbarer Gerichtsentscheidungen. Nach einigen Wendungen in der Judikatur hat sich die sogenannte „versicherungsrechtliche Lösung“ des BGH (Entscheidung vom 08.11.2000, Az. IV ZR 298/99) trotz gewichtiger Gegenstimmen in der Rechtsprechung durchgesetzt. Im Wege ergänzender Vertragsauslegung des Gebäudeversicherungsvertrags nimmt der BGH einen Regressverzicht des Versicherers für die Fälle an, in denen der Mieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht habe. Diese Auslegung wird auf das dem Versicherer erkennbare Interesse des Versicherungsnehmers gestützt, das vertragliche Verhältnis zum Mieter möglichst nicht zu belasten. In einem Schadenfall würde die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, den Versicherer bei der Durchsetzung der Regressforderung zu unterstützen, mit dem Interesse des Mieters an der Abwehr der Regressforderung kollidieren. Der Mieter hege die Erwartung, bei dem Brand eines versicherten Gebäudes bei nur leicht fahrlässiger Verursachung nicht in Anspruch genommen zu werden.
Das Landgericht Krefeld hat in einer nicht aktuellen rechtskräftigen Entscheidung vom 01.07.2015 (2 O 123/13) den konkludenten Regressverzicht des Sachversicherers beim Mieterregress auch auf Erfüllungsgehilfen des Mieters ausgedehnt.
Die Kammer hatte über den Regress eines Gebäudeversicherers zu befinden. Die Klage richtete sich gegen den Pächter der Versicherungsnehmerin für eine zu dem versicherten Gebäude gehörende Halle, in dem dieser eine Werkstatt betrieb sowie gegen dessen im Betrieb aushelfenden Bekannten. Der Pächter gestattete einem Kunden den sich noch im Tank dessen zu verschrottenden Fahrzeug befindlichen Kraftstoff abzulassen. Dieser verbrachte gemeinsam mit dem ebenfalls verklagten Freund des Pächters das Fahrzeug auf eine Hebebühne. Dort schlugen sie mit einem Hammer ein Loch in den Tank und versuchten mit einem Akkubohrer dieses zu vergrößern, um den Fluss des Benzins zu beschleunigen. Der Einsatz des Akkubohrers führte zu einem Funkenschlag, der das auslaufende Benzin entzündete und die Lagerhalle in Brand setzte.
Das Landgericht Krefeld entschied, dass die Klage gegen den Helfer dem Grunde nach begründet sei und der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz von 40 % des bürgerlich-rechtlichen Schadens zustehe. Die Klage gegen den Pächter sei hingegen unbegründet.
Dem beklagten Pächter sei ein über einfache Fahrlässigkeit hinausgehendes schuldhaftes Verhalten nicht nachzuweisen, so dass nach der versicherungsrechtlichen Lösung kein Regress gegenüber dem Pächter eröffnet sei. Der ebenfalls verklagte Helfer des Pächters habe jedoch nach der durchgeführten Beweisaufnahme im Zusammenwirken mit dem Kunden den zum Schadensereignis führenden Brand schuldhaft verursacht. Angesichts seiner Fachkunde warf ihm das Landgericht grobe Fahrlässigkeit vor. Der auf die Klägerin übergegangene Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB sei allerdings gemäß § 81 Abs. 2 VVG in Höhe von 60% zu kürzen. In den Anwendungsbereich der versicherungsrechtlichen Lösung zum Regressverzicht des Sachversicherers seien nach Ansicht des Gerichts auch solche dem Mieter nahestehenden Personen einzubeziehen, die nach den übereinstimmenden Vorstellungen des Vermieters und Mieters mit der versicherten Sache in Berührung kommen sollen und bei denen der Vermieter als Versicherungsnehmer davon ausgehen müsse, dass der Mieter ihnen für den Versicherer erkennbar und berechtigterweise den Schutz des Regressverzichts zugute kommen lassen wolle. Im Gewerbemietverhältnis sei dieser Kreis der in den Regressverzicht einzubeziehenden Personen auf Arbeitnehmer, freie Mitarbeiter oder sonstige Personen zu erstrecken, denen im Falle der Inanspruchnahme durch den Vermieter oder Versicherer gegebenenfalls ein Ausgleichs- oder Freistellungsanspruch gegen den Mieter zustehe. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus regelmäßigen den Unterstützungs- und Aushilfstätigkeiten ein besonderes Näheverhältnis, so dass er als dessen Erfüllungsgehilfe anzusehen und in den vom konkludenten Regressverzicht umfassten Personenkreis einzubeziehen sei. Der konkludente Regressverzicht begrenze bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach den Grundsätzen des § 81 Abs. 2 VVG den Rückgriff des Versicherers, da der Pächter so zu stellen sei, als sei er Versicherungsnehmer einer Gebäudeversicherung.
Die Entscheidung des Landgerichts wendet die ständige Rechtsprechung zur versicherungsrechtlichen Lösung beim Regress des Sachversicherers an und dehnt diese in streitbarer und extensiver Auslegung auch auf nahestehende Personen aus. Das Gericht geht dabei nicht auf § 86 III VVG ein, obwohl diese gesetzliche Regelung Anhaltspunkte für die begrenzte Reichweite einer Erstreckung geben könnte. Ferner nimmt das erkennende Gericht eine Anwendbarkeit des § 81 II VVG in eigener Anpassung der Grundsätze zum Mieterregress nach der VVG-Reform an. Gegen die Entscheidung wurde Berufung eingelegt. Diese Gesichtspunkte sind bislang in der Literatur streitig und höchstrichterlich noch nicht entschieden. Das OLG Düsseldorf wird über die zahlreichen und in der Rechtsprechung noch ungeklärten Streitpunkte (Anwendung der versicherungsrechtlichen Lösung nach der VVG-Reform, mögliche Ausdehnung auf nahestehende Personen, Anwendung des § 81 II VVG) zu befinden haben.
Marc Anschlag, LL.M.
Rechtsanwalt
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