Tätigkeitsgebiete Versicherung // Haftung
Die Versicherung von Insolvenzanfechtungen – das neue „Must have“ für Unternehmen?
Die Regelungen der Insolvenzordnung geben den Insolvenzverwaltern Möglichkeiten an die Hand, die nicht in allen Unternehmen und noch weniger in ihrer wirtschaftlichen Tragweite bekannt sind.
Die Rede ist von Insolvenzanfechtungen nach den §§ 129 ff. InsO. Die Insolvenzanfechtung ist für Unternehmen ein großes Risiko. Diese sind durch die betreffenden Vorschriften der InsO der Gefahr ausgesetzt, Geld zurückzahlen zu müssen, das in ihren Büchern längst verbucht und oft auch schon wieder ausgegeben ist. Der Insolvenzverwalter kann nämlich Zahlungen eines insolventen Unternehmens zurückverlangen, die bis zu zehn Jahre vor dem Eintreten der Insolvenz an das Gläubigerunternehmen geleistet wurde; so lange währt die Frist, innerhalb derer ein Insolvenzverwalter eine Zahlung anfechten kann.
Das richtige Ziel des Gesetzes ist die quotal gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger eines Unternehmens. Die zurückverlangten Beträge fließen schlussendlich wieder der Insolvenzmasse zu und erhöhen so die jeweiligen Quoten der Insolvenzgläubiger.
Der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) hat in einer kürzlich veröffentlichten Studie dargelegt, dass in zwölf Prozent der angestrengten Insolvenzanfechtungsverfahren die Anfechtung schlussendlich auch erfolgreich durchgesetzt werden konnte. Dies entsprach jedem achten Fall. Durchschnittlich verlangten die Insolvenzverwalter von den jeweiligen Unternehmen EUR 38.760,-- zurück.
Nicht selten haben die Insolvenzanfechtungen aber auch für die ehemaligen Gläubigerunternehmen existenzgefährdende Ausmaße.
Als bekanntestes Beispiel aus jüngerer Vergangenheit ist die erfolgreiche Insolvenzanfechtung des Verwalters der insolventen Teldafax AG, seinerzeit Hauptsponsor des Fußball- Bundesligisten Bayer Leverkusen, zu nennen. Der Insolvenzverwalter erstritt gegen allein gegen den Bundesligisten eine Rückzahlung zwischen 10 und 16 Millionen EUR zzgl. Zinsen.
Die Anzahl von Insolvenzanfechtungen stieg in den vergangenen Jahren stetig an, nicht zuletzt wegen der anfechtungsfreundlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat im sogenannten Nikolaus-Urteil vom 06. Dezember 2012 (Az. IX ZR 3/12) die Anwendung erheblich ausgeweitet.
Mit dieser Entscheidung ließ der BGH vom 06.12.2012 eine Ratenzahlungsbitte des späteren Insolvenzschuldners ausreichen, um sämtliche hierauf (und aus anderen nachfolgenden Geschäften) erfolgte Zahlungen im Rahmen der insolvenzrechtlichen Anfechtung zurückzufordern zu lassen. Der BGH ging in dem vorbenannten Urteil davon aus, dass durch die Bitte um Ratenzahlung der spätere Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit offenbart hat und die Gegenseite dies allein durch die Ratenzahlungsbitte erkennen hätte müssen.
Neuerdings hat der BGH mit einer Entscheidung aus dem letzten Jahr diese Haltung etwas entschärft (Beschluss vom 16.04.2015, Az. IX ZR 6/14). Allein die Bitte um eine Ratenzahlung, ohne Vorliegen anderer Indizien, soll nun nicht mehr dazu führen, dass ein Vertragspartner von einer Zahlungseinstellung, mithin von einem Insolvenzrisiko beim späteren Insolvenzschuldner ausgehen muss.
Gleichwohl bleibt die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Insolvenzanfechtungen auch nach dieser neueren Entscheidung für Gläubigerunternehmen riskant. Der im Jahr 2015 entschiedene Fall ist nämlich nur nur für solche Sachverhalte justiziabel, in denen die Ratenzahlungsbitte einziges Indiz für eine Zahlungseinstellung ist. Sobald weitere Indizien hinzukommen, ist mit der Rechtsprechung des BGH nach wie vor vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung auszugehen.
Die Versicherer haben deshalb Policen entwickelt, die vor dem Risiko schützen. Seit 2014 sind Anbieter mit Versicherungsprodukten auf dem Markt, die in der Regel zusätzlich zu einer Warenkreditversicherung, neuerdings aber auch als eigenständige Versicherung (sogenannte Stand-Alone Lösungen) abgeschlossen werden können.
Diese greifen noch in Fällen ein, die über eine klassische Kreditversicherung nicht geschützt sind. Eine Warenkreditversicherung deckt nämlich zwar alle unbezahlten Forderungen, nicht jedoch längst geleistete Zahlungen, die das vereinbarte Kreditlimit übersteigen. Allein diese Deckungslücke kann aber für Unternehmen schnell zu hohen Verlusten führen oder im schlimmsten Fall sogar zur Existenzbedrohung werden.
Die sog. „Stand-Alone Lösungen“ bieten neuerdings für diese Risiken individuell auf die Bedürfnisse des zu versichernden Unternehmens abgestimmte Abwehr- und Versicherungsleistungen. Typischerweise bieten die gesonderten Insolvenzanfechtungsversicherungen eine Abwehrleistung. Hier werden dem Versicherungsnehmer spezialisierte Anwälte zur Seite gestellt, die die Insolvenzanfechtung abwehren sollen. Der Versicherer trägt in diesem Zusammenhang die Kosten der Schadenfeststellung sowie die Anwalts- und Gerichtskosten.
Berechtigte Insolvenzanfechtungen werden vom Versicherer im Rahmen der Versicherungssummen, Entschädigungsgrenzen und Selbstbehalte entschädigt.
Die weitreichendsten Produkte bieten – entsprechend der gesetzlichen Anfechtungsfrist des § 133 InsO – eine rückwirkende Deckung für 10 Jahre die auch Insolvenzverfahren einschließt, die vor Vertragsbeginn eröffnet wurden.
Solche, auf den Bedarf eines Unternehmens angepassten Stand-Alone Produkte für Insolvenzanfechtungen sollte jeder Betrieb mit weit gefächertem und fluktuierendem Kundenstamm im Rahmen seines Risikomanagements überdenken und ggf. in sein Versicherungsportfolio aufnehmen. Spezialisierte Anwälte und Versicherungsmakler können bei der Bestimmung und Auswahl passender Lösungen beratend hinzugezogen werden.
Christian W. Terno
Rechtsanwalt
22. Juli 2016
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