Tätigkeitsgebiete Immobilie // Bau
Der BGH hilft: Verkürzung der Gewährleistung im Abnahmeprotokoll Verlängerung der Gewährleistung im VOB-Vertrag
In einer Entscheidung vom 27.09.2018 (VII ZR 45/17, IBRRS 2018, 3735) hat der BGH zu zwei außerordentlich praxisrelevanten Fragen Stellung genommen.
a)
Seit jeher ist anerkannt, dass die Parteien eines Bauvertrages Vereinbarungen über die Dauer der Gewährleistung auch vertragsändernd noch im Abnahmeprotokoll treffen können (Dölle in Werner/Pastor Der Bauprozess Rn. 2821). Befördert durch Formulare zur Fertigung eines Abnahmeprotokolls, in denen die Eintragung eines Datums für den Beginn und das Ende der Gewährleistung (ohne Not) vorgesehen ist, finden sich häufig entsprechende Angaben in Abnahmeprotokollen. Der Umstand, dass es den Parteien unbenommen ist (warum auch nicht?), anlässlich der Abnahme vom Vertrag abweichende Vereinbarungen zu treffen, hat die Rechtsprechung der Obergerichte in der Vergangenheit verschiedentlich dazu bewogen, von solch einer Vereinbarung auszugehen, wenn die Datumsangabe für das Ende der Gewährleistungszeit im Abnahmeprotokoll vor dem auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarung berechneten Ende lag (OLG Braunschweig, BauR 2013, 970; OLG München, NJW-RR 2010, 824; OLG Düsseldorf IBRRS 2017, 0701). Die Rechtsprechung sah hier jeweils im Abnahmeprotokoll eine die vertraglich vereinbarte Verjährungsfrist ändernde, verkürzende Abrede.
Das dürfte in den genannten Entscheidungen, wie auch regelmäßig sonst, unzutreffend sein. Die mit der Erstellung des Abnahmeprotokolls befassten Personen dürften zumeist gar nicht den Willen haben, mit der Angabe von Beginn und Ende der Gewährleitungszeit, den Vertrag diesbezüglich ändern zu wollen. Das gilt vor allem, wenn der Vertrag verschiedene Gewährleitungsfristen für unterschiedliche Gewerke vorsah, aber es gilt auch für den Standard-VOB-Vertrag. Schließlich kennt § 13 VOB/B auch von der Regelfrist von 4 Jahren abweichende Verjährungsfristen: Zu Gunsten des Auftragnehmers etwa die Zweijahresfrist des § 13 Abs. 4 Nr. 2 VOB/B oder die gesetzliche Verjährungsfrist in den Fällen des § 13 Abs. 7 Nr. 4 VOB/B zu Gunsten des Auftraggebers. Dass der eine oder der andere Vertragspartner anlässlich der Abnahme eine für ihn ungünstigere Regelung treffen wollte, kann man ohne konkrete Anhaltspunkte im Zweifel nicht annehmen (Dölle a.a.O; Manteufel, ibr-online-Kommentar VOB/B, Stand: 22.11.2018, § 13 Rz. 223/1). Die Abnahmeformulare sehen regelmäßig gar keine differenzierenden Daten für unterschiedliche Gewerke etc. vor.
In seiner eingangs genannten Entscheidung sah der VII. Zivilsenat keinen Anlass die Auffassung der Vorinstanz (OLG Koblenz) zu beanstanden, welche in der Angabe eines Datums für das Ende der Gewährleistungsfrist keine den Vertrag ändernde Vereinbarung, sondern ein Redaktionsversehen gesehen hatte. Die Beweiskraft der Privaturkunde (Abnahmeprotokoll) beschränke sich gemäß § 416 ZPO darauf, dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen abgegeben worden sind. Demgegenüber sei es eine Frage der freien Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO), ob die in der Privaturkunde enthaltenen Angaben zutreffend sind und welchen Inhalt sie haben. Das Berufungsgericht sei damit frei, aufgrund der Gesamtumstände ein Redaktionsversehen anzunehmen.
Die Instanzgerichte können und müssen also durch Auslegung ermitteln, ob eine die Verjährung verkürzende Vereinbarung vorliegt oder lediglich ein Redaktionsversehen oder eine (fehlerhafte) Wissenserklärung.
Das wird hoffentlich in der Zukunft zu einer vertieften Prüfung führen, die dann auch sicher eher nicht eine Vertragsänderung anlässlich der Abnahme ergeben dürfte. Den Vertragsparteien bleibt aber angeraten, von Angaben zum Ende der Gewährleistung im Abnahmeprotokoll abzusehen, auch wenn das Formular solche Eintragungen vorsieht.
b)
Der zu entscheidende Fall gab dem BGH Gelegenheit, zu einem weiteren Thema Stellung zu nehmen, nämlich der Frage, ob die Vereinbarung einer fünfjährigen Gewährleistungsfrist in „Besonderen Vertragsbedingungen“ des Auftraggebers bei einem VOB-Vertrag einer etwa gebotenen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB standhält.
Die Revision hatte darin eine unangemessene Benachteiligung gesehen, mit der Folge, dass die Regelverjährung nach § 13 VOB/B verlängernde Abrede unwirksam sei.
Dem hat der BGH eine Absage erteilt. Der VII. Zivilsenat hält an seiner für das bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (01.01.2002) geltende Recht ergangenen Rechtsprechung ausdrücklich auch für das neue Recht fest. Er verweist darauf, dass nicht der Inhalt der VOB-Regelung, sondern die gesetzliche Regelung Maßstab ist. Die Vereinbarung einer fünfjährigen Gewährleistungsfrist weicht aber schon nicht vom Inhalt der gesetzlichen Regelung in § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB ab. Daher sei schon der Weg zu einer Inhaltskontrolle nicht eröffnet (§ 307 Abs. 3 BGB). Auch aus dem Zusammenwirken der angegriffenen Regelung mit der Bestimmung aus § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 und Nr. 4 Abs. 1 Fall 1 VOB/B (2000), der sogenannten „Quasiunterbrechung“ durch die erste schriftliche Mängelrüge ergebe sich nichts anderes. Es sei auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes für den Auftraggeber möglich, durch Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens oder Erhebung einer Klage die Verjährung zu hemmen, wenn auch nicht mehr zu unterbrechen, und so eine weit über die Fünfjahresfrist hinausreichende Verjährungsfrist zu erzielen. Außerdem erlaube das Gesetz in § 202 Abs. 2 BGB die Vereinbarung längerer Verjährungsfristen von bis zu 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn.
Wenn die Vereinbarung einer fünfjährigen Verjährungsfrist für Mängelansprüche im Rahmen eines VOB-Vertrages also nicht zu beanstanden ist, so darf dies aber nicht mit der Frage verwechselt werden, ob dann noch die VOB/B „als Ganzes“ vereinbart ist und damit ihre Regelungen einer Inhaltskontrolle entzogen sind (§ 310 Abs. 1 Satz 3 BGB). Das ist für die Fälle, in denen die VOB/B durch sogenannte „Öffnungsklauseln“ abweichende Regelungen ausdrücklich zulässt („soweit nicht Anderes vereinbart ist“), höchst umstritten (vgl. Werner in Werner/Pastor Der Bauprozess Rn. 1264 m.w.N.). Die Gefahr, die für den Auftraggeber in einer solchen Abweichung von den Regeln der VOB/B liegt, ist nicht zu unterschätzen. Der Auftragnehmer ist in der Regel bei solchen Verträgen nicht Verwender der VOB/B, der Allgemeinen Geschäftsbedingung und kann sich auf jede für ihn vorteilhafte Regelung der VOB/B berufen. Der Auftraggeber hingegen läuft Gefahr, dass so manche für ihn günstige Regelung nicht wirksam ist, wenn er in seinen Vertragsbedingungen modifizierend in auch nur eine Bestimmung der VOB/B eingreift und so die Privilegierung der VOB/B verliert.
Ulrich Dölle
Rechtsanwalt
8. Januar 2019
Blog-Beiträge nach Tätigkeitsgebieten
Letzte Posts
Archiv
-
2024
- April 2024 (2 Einträge)
- März 2024 (2 Einträge)
- Januar 2024 (2 Einträge)
-
2023
- Dezember 2023 (3 Einträge)
- November 2023 (2 Einträge)
- März 2023 (1 Eintrag)
- Februar 2023 (1 Eintrag)
-
2022
- Dezember 2022 (1 Eintrag)
- November 2022 (2 Einträge)
- Oktober 2022 (1 Eintrag)
- September 2022 (3 Einträge)
- August 2022 (1 Eintrag)
- Juli 2022 (2 Einträge)
- Juni 2022 (1 Eintrag)
- April 2022 (1 Eintrag)
- März 2022 (1 Eintrag)
- Januar 2022 (1 Eintrag)
-
2021
- November 2021 (1 Eintrag)
- Oktober 2021 (1 Eintrag)
- Juli 2021 (1 Eintrag)
- Juni 2021 (1 Eintrag)
- Mai 2021 (1 Eintrag)
- März 2021 (1 Eintrag)
- Januar 2021 (3 Einträge)
-
2020
- November 2020 (1 Eintrag)
- September 2020 (1 Eintrag)
- August 2020 (2 Einträge)
- Juli 2020 (1 Eintrag)
- Juni 2020 (1 Eintrag)
- Mai 2020 (2 Einträge)
- April 2020 (3 Einträge)
- März 2020 (16 Einträge)
- Februar 2020 (2 Einträge)
- Januar 2020 (3 Einträge)
-
2019
- November 2019 (1 Eintrag)
- Oktober 2019 (3 Einträge)
- August 2019 (2 Einträge)
- Juli 2019 (3 Einträge)
- Juni 2019 (1 Eintrag)
- Mai 2019 (1 Eintrag)
- April 2019 (1 Eintrag)
- Februar 2019 (3 Einträge)
- Januar 2019 (2 Einträge)
-
2018
- Oktober 2018 (2 Einträge)
- August 2018 (4 Einträge)
- Juli 2018 (5 Einträge)
- Juni 2018 (2 Einträge)
- Mai 2018 (3 Einträge)
- April 2018 (3 Einträge)
- März 2018 (2 Einträge)
- Februar 2018 (1 Eintrag)
- Januar 2018 (6 Einträge)
-
2017
- Dezember 2017 (2 Einträge)
- November 2017 (3 Einträge)
- September 2017 (2 Einträge)
- August 2017 (1 Eintrag)
- Juli 2017 (2 Einträge)
- Juni 2017 (3 Einträge)
- Mai 2017 (2 Einträge)
- April 2017 (4 Einträge)
- März 2017 (2 Einträge)
- Februar 2017 (2 Einträge)
- Januar 2017 (3 Einträge)
-
2016
- Dezember 2016 (2 Einträge)
- November 2016 (4 Einträge)
- Oktober 2016 (3 Einträge)
- September 2016 (3 Einträge)
- August 2016 (4 Einträge)
- Juli 2016 (6 Einträge)
- Juni 2016 (4 Einträge)
- Mai 2016 (5 Einträge)
- April 2016 (5 Einträge)
- März 2016 (10 Einträge)
- Februar 2016 (6 Einträge)
- Januar 2016 (9 Einträge)
-
2015
- Dezember 2015 (9 Einträge)
- November 2015 (4 Einträge)
- Oktober 2015 (5 Einträge)
- September 2015 (5 Einträge)
- August 2015 (3 Einträge)
- Juni 2015 (8 Einträge)
- April 2015 (2 Einträge)
- Januar 2015 (2 Einträge)
-
2014
- Dezember 2014 (2 Einträge)
- November 2014 (1 Eintrag)
- Mai 2014 (1 Eintrag)
- April 2014 (2 Einträge)
- Februar 2014 (3 Einträge)
- Januar 2014 (1 Eintrag)
-
2013
- November 2013 (1 Eintrag)
- Juni 2013 (3 Einträge)
- Mai 2013 (2 Einträge)
- April 2013 (1 Eintrag)
-
2012
- November 2012 (1 Eintrag)
- August 2012 (1 Eintrag)
- Juli 2012 (1 Eintrag)
- März 2012 (1 Eintrag)
- Januar 2012 (3 Einträge)
-
2011
- Dezember 2011 (1 Eintrag)
- November 2011 (1 Eintrag)
- Oktober 2011 (1 Eintrag)
- September 2011 (1 Eintrag)
- Juli 2011 (2 Einträge)
- Juni 2011 (2 Einträge)
- Februar 2011 (2 Einträge)
-
2010
- Juli 2010 (1 Eintrag)
- Juni 2010 (1 Eintrag)
- Mai 2010 (1 Eintrag)
- April 2010 (1 Eintrag)
- März 2010 (1 Eintrag)
- Februar 2010 (1 Eintrag)
-
2009
- Dezember 2009 (1 Eintrag)
- September 2009 (1 Eintrag)
- August 2009 (1 Eintrag)
- April 2009 (1 Eintrag)
- März 2009 (1 Eintrag)
- Januar 2009 (1 Eintrag)
-
2008
- Oktober 2008 (1 Eintrag)
- Mai 2008 (1 Eintrag)
- April 2008 (4 Einträge)
- März 2008 (2 Einträge)
- Februar 2008 (4 Einträge)
- Januar 2008 (6 Einträge)
-
2007
- Dezember 2007 (2 Einträge)
- November 2007 (2 Einträge)
- Oktober 2007 (2 Einträge)
- August 2007 (3 Einträge)
- Juli 2007 (1 Eintrag)
- Juni 2007 (1 Eintrag)
-
2006
- Juni 2006 (1 Eintrag)