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Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Gesellschaftsrecht

Der Bundestag hat nunmehr dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie zugestimmt. Damit einher gehen auch Änderungen im Gesellschaftsrecht, die es Unternehmen ermöglichen sollen, in Zeiten massiver Versammlungs- und Ausgangsbeschränkungen ihre Handlungsfähigkeit zu erhalten. Kern der Änderungen sind Erleichterungen bei der Durchführung der Haupt- und Gesellschafterversammlungen ohne physische Präsenz der beteiligten Akteure. Flankiert werden diese Regelungen von Einschränkungen des Auskunfts- sowie Anfechtungsrechts der Aktionäre, um schnell und effektiv unternehmerische Entscheidungen treffen zu können. Sämtliche Regelungen sind in zeitlicher Hinsicht befristet und betreffen Haupt- und Gesellschafterversammlungen im Jahr 2020.

I. Einberufung und Teilnahme an der HV durch elektronische Kommunikationsmittel und Online-HV

Die Regelung ermöglicht es dem Vorstand der AG (sämtliche Regelungen gelten entsprechend für die KGaA sowie die SE) mit Zustimmung des Aufsichtsrats zum einen die bereits bestehende Möglichkeit der Online-Teilnahme des einzelnen Aktionärs an der (Präsenz)-Hauptversammlung nach § 118 AktG auch ohne entsprechende Ermächtigung durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung anzuordnen.
Zum anderen hat der Gesetzgeber nunmehr auch die wesentlich weitreichendere und bisher vom Gesetz nicht vorgesehene Möglichkeit geschaffen, auf eine Präsenz-HV gänzlich zugunsten einer rein virtuellen HV zu verzichten. So kann der Vorstand mit Zustimmung der Aufsichtsrats entscheiden, dass die Versammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird, sofern (1.) die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgt, (2.) die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung möglich ist, (3.) den Aktionären eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird und (4.) den Aktionären, die ihr Stimmrecht nach Nr.  2 ausgeübt haben, in Abweichung von § 245 Nr. 1 AktG unter Verzicht auf das Erfordernis des Erscheinens in der Hauptversammlung eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt wird.

Flankiert werden die Regelungen zur Durchführung von Modifikationen bei der Einberufung der Hauptversammlung. So kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats entscheiden, dass die Hauptversammlung abweichend von § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG innerhalb des Geschäftsjahres stattfindet. Zudem kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats in Abweichung von § 123 AktG die Hauptversammlung spätestens am 21. Tag vor dem Tag der Versammlung einberufen. Abweichend von § 123 Abs. 4 Satz 2 AktG hat sich der Nachweis des Anteilsbesitzes bei börsennotierten Gesellschaften auf den Beginn des zwölften Tages vor der Versammlung zu beziehen und muss bei Inhaberaktien der Gesellschaft an die in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adressen bis spätestens am vierten Tag vor der Hauptversammlung zugehen, soweit der Vorstand in der Einberufung der Hauptversammlung keine kürzere Frist für den Zugang des Nachweises bei der Gesellschaft vorsieht; abweichende Satzungsbestimmungen sind unbeachtlich.

II. Einschränkungen von Auskunfts- und Anfechtungsrechten

Wird die HV rein virtuell durchgeführt, steht dem Aktionär kein Auskunftsrecht zu. Die Rechte des einzelnen Aktionärs beschränken sich vielmehr auf die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ein Recht auf Antwort gegenüber dem Vorstand ist damit jedoch nicht verbunden. Über die Beantwortung entscheidet der Vorstand vielmehr nur nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen. Begründet wird diese Einschränkung damit, einer bei der Verwendung von sozialen Medien nicht unüblichen inhaltlich irrelevanten Frageflut entgegenzuwirken. Daher kann der Vorstand Fragen zusammenfassen und im Interesse der anderen Aktionäre sinnvolle Fragen auswählen. Er kann dabei Aktionärsvereinigungen und institutionelle Investoren mit bedeutenden Stimmanteilen bevorzugen.

Auch Anfechtungsrechte werden hinsichtlich der Besonderheiten einer virtuellen HV eingeschränkt. So kann die Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung weder darauf gestützt werden, dass die Regelungen zur Teilnahme und Stimmabgabe im Wege elektronischer Kommunikation, noch dass die oben dargelegten Voraussetzungen der Abhaltung und konkreten Durchführung einer virtuellen HV verletzt sind, es sei denn, der Gesellschaft ist Vorsatz nachzuweisen.

III. Abschlagszahlungen auf den Dividendengewinn

Abweichend von § 59 Abs. 1 AktG kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung durch die Satzung entscheiden, einen Abschlag auf den Bilanzgewinn nach Maßgabe von § 59 Abs. 2 AktG an die Aktionäre zu zahlen. Dies gilt entsprechend für eine Abschlagszahlung auf die Ausgleichszahlung (§ 304 AktG) an außenstehende Aktionäre im Rahmen eines Unternehmensvertrags.

IV. Änderungen im GmbH-Recht

Abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG können Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden, wodurch die Funktions- und Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung gestärkt wird.


Jürgen W. Schwan     
Rechtsanwalt

Stefan Pietzsch
Rechtsanwalt    
26. März 2020

 

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