Wann ist die VOB/B Bestandteil eines Bauvertrages?

Wenn ein Auftraggeber als „Privatmann“ handelt, dann genügt der Hinweis auf die Geltung der VOB/B im Angebot des Auftragnehmers nicht, um die VOB/B in den Vertrag einzubeziehen, falls der Auftraggeber zu seiner Unterstützung keinen Architekten eingeschaltet hat.

Besprechung des Urteils des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27.11.2013 (Az. 6 U 521/09)
(Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde am 10.09.2015 durch den Bundesgerichtshof zurückgewiesen)

In dem vorgenannten Rechtsstreit verlangte die Klägerin restlichen Werklohn für Arbeiten am Dachstuhl des Hauses des Beklagten, der wiederum mit seiner Widerklage Schadensersatzansprüche geltend machte. Dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien lag ein Angebot der Klägerin zugrunde bei dem es am Ende heißt:

„Dem Angebot liegt die VOB zugrunde.“

Der Auftrag wurde der Klägerin von dem Beklagten mündlich erteilt. In seiner Entscheidung führt das Oberlandesgericht Nürnberg unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, BauR 1999, 1186, 1187) sowie die Kommentierung in Werner/Pastor (Der Bauprozess, 14. Aufl., Rdn. 1250) aus, dass der bloße Hinweis auf die VOB/B in dem Angebot nicht ausreicht, um eine Einbeziehung in den Vertrag zu bewirken. Es sei nicht davon auszugehen, dass dem Auftraggeber als „Privatmann“ die VOB/B bekannt gewesen sei. Deshalb genüge der bloße Hinweis auf die VOB nicht, um diese in den Vertrag einzubeziehen.

Dies ist grundsätzlich zutreffend. In einem solchen Falle verlangt der Bundesgerichtshof nämlich, dass der Auftragnehmer als Verwender seinen „weder im Baugewerbe tätigen noch sonst im Baubereich bewanderten Vertragspartner in die Lage versetzt, sich in geeigneter Weise Kenntnis von der VOB/B zu verschaffen und seine Informationsmöglichkeiten zu nutzen“. Zwar wird nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur eine Textaushändigung nicht verlangt. Es reicht aber beispielsweise nicht aus, dass darauf hingewiesen wird, dass der VOB-Text in der Buchhandlung erhältlich sei. Vielmehr muss dem anderen Vertragspartner die Möglichkeit eröffnet werden, ohne Aufwand von Zeit und Kosten Kenntnis von der VOB/B zu erlangen. So kann der Text z. B. zur Einsicht ausgelegt werden oder ausgeliehen werden (siehe auch Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rdn. 1250).

Bei mündlichen Vertragsschlüssen muss die VOB den Vertragsparteien am Ort des Vertragsschlusses zumindest einsehbar vorliegen (Werner/Pastor, a.a.O., Rdn. 1252 m.w.N.). Die Pflicht zur Kenntnisverschaffung beschränkt sich allerdings auf den Teil B der VOB (Werner/Pastor, a.a.O., Rdn. 1253).

Es ist also bei einem Privatmann sorgfältig darauf zu achten, dass dann, wenn man die VOB/B mit in den Vertrag einbeziehen will, diesem ausreichend Möglichkeit zur Kenntnisnahme verschafft wird.

Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
1. November 2015

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Zulässige Unterschreitung der Mindestsätze gemäß § 4 Abs. 2 HOAI a. F.

Besprechung des Urteiles des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28.05.2013 (Az. 2 U 111/12)
(Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof am 25.06.2015 zurückgewiesen)

Die Parteien des Rechtsstreits hatten mündlich eine Pauschalhonorarvereinbarung getroffen, die unter den Mindestsätzen der HOAI lag. Der Kläger verlangte dennoch Bezahlung des restlichen Architektenhonorars auf Basis der Mindestsätze des § 4 Abs. 1 HOAI a. F. Das Oberlandesgericht Oldenburg ging davon aus, dass dem Kläger weitere Ansprüche gegen die Beklagte auf Architektenhonorar nicht zustehen, weil er an die Pauschalpreisabsprache gebunden sei.

Grundsätzlich geht der Senat davon aus, dass die Honorarvereinbarung im vorliegenden Fall einen Ausnahmefall im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI a. F. darstellt, wonach die Unterschreitung der Mindestsätze ausnahmsweise zulässig sein kann. Dies ist beispielsweise dann möglich, wenn zwischen den Parteien eine enge Beziehung rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Art vorliegt. Das sei hier der Fall, so das OLG Oldenburg. Es habe sich nämlich nicht um einen typischen Fall eines Bauprojekts gehandelt, bei dem sich die Beziehung zwischen Architekt und Bauherrn auf den Architektenvertrag beschränkte. Vielmehr lag faktisch eine gemeinsame wirtschaftliche Unternehmung des Klägers mit den übrigen Gesellschaftern der Beklagten und weiteren Beteiligten vor. Der Kläger habe das Projekt initiiert und auch schon andere gemeinsame Bauprojekte mit den Gesellschaftern der Beklagten durchgeführt. Die genauen Beziehungen zwischen den Parteien werden von dem Oberlandesgericht Oldenburg in der Entscheidung im Einzelnen näher erläutert. Danach lag nach Meinung des Senates ersichtlich eine enge wirtschaftliche und rechtliche Verflechtung der Parteien vor, die deutlich vom Normalfall eines Architektenvertrages abwich. Die Parteien waren nicht im klassischen Sinne beauftragter Architekt und beauftragender Bauherr, sondern gleichwertige Partner im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes. Hinzu kam auch noch eine besondere persönliche Verbundenheit untereinander. Grundsätzlich sei daher eine Vereinbarung mit Unterschreitung der Mindestsätze des § 4 Abs. 1 HOAI a. F. zulässig gewesen.

Das Problem im vorliegenden Fall bestand allerdings darin, dass die Honorarvereinbarung nicht schriftlich getroffen worden war, sondern auf einer mündlichen Abrede beruhte. § 4 Abs. 2 HOAI a. F. setzt aber eine schriftliche Honorarvereinbarung voraus. Nach Meinung des Oberlandesgerichtes Oldenburg ist die fehlende Schriftform jedoch nicht schädlich. Der Kläger könne sich auf das fehlende Formerfordernis nicht berufen, weil ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung vorliege. Die Berufung auf Treuwidrigkeit im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung von Formvorschriften ist zwar nur in extremen Ausnahmefällen möglich, so z. B. dann, wenn das Berufen auf die fehlende Schriftform für die betroffene Partei dazu führen würde, dass das Ergebnis schlechthin untragbar ist. Ein solcher Fall liegt bei besonders schweren Treuepflichtverletzungen vor. Das war hier gegeben. Der Kläger hatte nämlich, nachdem die Pauschalpreisabrede unter allen Gesellschaftern mündlich besprochen worden war, rechtlich gesehen in Form eines Insichgeschäftes die Vereinbarung geschlossen, da er damals Geschäftsführer der Beklagten gewesen war. Der Vertrag wurde durch die übrigen beteiligten Gesellschafter anschließend genehmigt. Bei einer solchen Konstruktion handelt der Kläger dann besonders treuwidrig, wenn er sich auf die Nichteinhaltung der Formvorschrift beruft und er es selbst bei dem Insichgeschäft unterlassen hat, auf die Einhaltung der notwendigen Formvorschriften zu achten. Besonders treuwidrig sei es – so das Gericht –, dass er die übrigen Gesellschafter vor der Genehmigung noch nicht einmal darauf hingewiesen habe, dass die Pauschalpreisabrede allein wegen fehlender Einhaltung der Schriftform unwirksam gewesen sei und ihm die Möglichkeit eröffnen würde, später weitere Forderungen geltend zu machen. Hinzu kommt, dass sich der Kläger zunächst einmal bei der Abrechnung auch an die pauschale Abrechnungsweise gehalten hat und entsprechend bezahlt wurde. Erst nachdem es zum Streit über mögliche Fehler des Klägers gekommen war, hat er sich dazu entschlossen, das weitergehende Honorar geltend zu machen.

Dementsprechend hat das Oberlandesgericht Oldenburg zutreffend aus der Gesamtheit der Umstände den Schluss gezogen, dass die Nichteinhaltung der Schriftform und die daraus resultierende Nachforderung gegen Treu und Glauben verstößt. Die Entscheidung des Gerichts macht allerdings auch deutlich, dass sowohl die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 4 Abs. 2 HOAI a. F. als auch der Einwand der Treuwidrigkeit bei fehlender Schriftform nur in Ausnahmefällen Erfolg haben kann.

Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
27. Oktober 2015

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