Befristete Arbeitsverhältnisse im Profifußball

Hat das LAG Rheinland-Pfalz den Stein der Weisen gefunden?

Als ein Profifußballer, der bei einem Club der ersten Fußballbundesliga seit dem 01.07.2009 als Torhüter beschäftigt und dessen zweiter befristeter Arbeitsvertrag ausgelaufen war, ohne dass ihm eine Verlängerung angeboten wurde, gegen die letzte Befristung klagte, zitterte die gesamte Fußballwelt. Ihre schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt, als das Arbeitsgericht Mainz in erster Instanz feststellte, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der zweiten Befristung nicht zum 30.06.2014 beendet worden ist. Sofort wurde das Menetekel des Zusammenbruchs der gesamten Finanzierung des Systems des bezahlten Fußballs an die Wand gemalt.

Erst als am 17.02.2016 die Berufungsinstanz diese Feststellung des Arbeitsgerichts aufhob, ging eine Welle der Erleichterung durch die Fußballszene.

Das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz ist aber nicht rechtskräftig, da das LAG die Revision zugelassen hat.

Nunmehr liegen auch die Entscheidungsgründe vor. Ist die Begründung revisionsfest? Das LAG wendet bei seiner Rechtsfindung die wenig bekannte Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG an, wonach eine Befristungsabrede auch durch den sachlichen Grund der Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt sein kann.
Aufgrund einer Gesamtbetrachtung des Rechtsverhältnisses zwischen einem Verein der Fußballbundesliga und einem Lizenzspieler stellte das LAG fest, dass diese Beziehung von Besonderheiten gekennzeichnet ist, aus denen sich das berechtigte Interesse des Vereins ergibt, mit dem Spieler statt eines unbefristeten lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen.
Das Arbeitsgericht stellt fest, dass die Befristung im Profifußball ausnahmslos üblich ist und argumentiert: Es liege ein berechtigtes Interesse des Vereins an einer Befristung vor aufgrund eines „außergewöhnlich hohen Maßes an Unsicherheit“ darüber, wie lange der Spieler zur Verfolgung der sportlichen und damit einhergehenden wirtschaftlichen Ziele des Vereins erfolgversprechend eingesetzt werden kann. Eine gewisse Ungewissheit gebe es zwar bei einem Abschluss eines jeden Arbeitsvertrages; im Profifußball beständen allerdings Besonderheiten, die dazu führen, dass das Maß dieser Ungewissheit bei Abschluss sonstiger Arbeitsverträge erheblich übersteigt.
Dabei bezieht sich das LAG zum Einen auf die Verletzungsgefahr, die grundsätzlich und oftmals geeignet ist, die Leistungsentwicklung und Leistungsfähigkeit eines Spielers nicht unerheblich einzuschränken; zum anderen seien weitere nicht vorhersehbare Umstände, dass die Leistungsfähigkeit eines Spielers innerhalb des Mannschaftsgefüges auch insbesondere von dem vom Trainer vorgegebenen spieltaktischen Konzept abhängig sei. Die Leistungsfähigkeit des Spielers sei zudem immer in ein Verhältnis zum Leistungsniveau der Mannschaft zu setzen, so dass bei einem gestiegenen Leistungsniveau die Leistungsfähigkeit des Einzelspielers vielfach nicht mehr ausreiche, da die Bundesligavereine aus sportlichen Gründen ständig bestrebt seien, die Mannschaft durch Verpflichtung neuer Spieler zu verbessern. Bemerkenswerterweise nimmt das LAG Rheinland-Pfalz es in Kauf, dass die Beurteilung, ob ein Spieler zum sportlichen Erfolg der Mannschaft beitrage, so dass er im Spielbetrieb eingesetzt werden kann, dem Trainer des Vereins obliegt und nicht nur von objektiven, sondern auch von rein subjektiven Einschätzungen und Vorstellungen geleitet wird. Dass eine solch subjektiv determinierte Entscheidung einem Kündigungsschutzprozess nicht standhalten würde, begründet nach Auffassung des LAG bereits ein berechtigtes Interesse des Vereins, die Arbeitsverträge seiner Lizenzspieler zu befristen.

Als weiteres Argument für die Zulässigkeit der Befürwortung ergebe sich aus der dem Profifußball immanenten Eigenart der besonderen Notwendigkeit einer ausgewogenen sportlichen Zielsetzung gerechtwerdenden Altersstruktur des Spielerkaders. Das Gericht stellt fest, dass, wenn mit den Lizenzspielern unbefristete Verträge bestünden, dies „nach gewisser Zeit zwangsläufig zu einer immensen Aufblähung und völligen Überdimensionierung des Spielerkaders führen würde der sodann - jedenfalls für die meisten Vereine - nicht mehr finanzierbar wäre“.

Auch hier vertritt das LAG die Auffassung, dass eine Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz wenig Erfolgsaussichten hätte.

Beim dritten Argument nimmt das LAG auf die Rechtsprechung für den Bühnenbereich Bezug und den Gesichtspunkt des Abwechslungsbedürfnisses des Publikums.
Daraus folge im Übrigen, dass durch die Befristung dem Spieler vorübergehend das Risiko des Verlustes seines Arbeitsplatzes genommen wird (wobei allerdings vorausgesetzt wird, dass die Kündigungsmöglichkeit während der Befristung ausgeschlossen oder nicht durch Verleihklauseln unterlaufen wird).

Schließlich argumentiert das LAG, dass es im eigenen Interesse der Lizenzspieler läge, das hinsichtlich ausschließlich befristeter Arbeitsverträge Freizügigkeit besteht. Diese begünstigen einen späteren Vereinswechsel, weil dann auch bei anderen Vereinen durch die Beendigung befristeter Verträge Arbeitsplätze frei würden.

Als letztes berücksichtigt das LAG die typischerweise außergewöhnliche Höhe der im Profifußball an den Lizenzspieler gezahlten Vergütungen, die das LAG in der ersten Bundesliga auf durchschnittlich 1,5 Mio. jährlich beziffert.

Wendet man diese Erwägung, mit Ausnahme des hohen Einkommens, auf die Berufsgruppe der Verkäuferinnen in Spezialboutiquen im Einzelhandel z.B. für Gothic-Mode an, so kommt man zwangsläufig zum selben Ergebnis: Befristungen sind unabhängig von den Beschränkungen des TzBfG und auch über zwei Jahre hinaus wirksam. Die Leistungsfähigkeit der Verkäuferinnen ist auf Dauer nicht vorhersehbar und leistungshindernde Krankheiten sind nicht ausgeschlossen, jeder Arbeitgeber ist stets bemüht die Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter zu erhöhen und ist nie sicher, ob dies klappt.
Auch der Arbeitgeber hat subjektive Einschätzungen von der Leistungsfähigkeit einzelner Mitarbeiterinnen die kündigungsrechtlich unerheblich sind.
Auch die Boutique wird, wenn sie ständig junge Mitarbeiter einstellt und die alten nicht entlassen kann, zu viel Personal haben und dies nicht finanzieren können.
Auch bei Verkäuferinnen würde der Wechsel erleichtert, wenn alle nur befristete Arbeitsverträge hätten. Welcher Jugendliche möchte in einer Boutique für jugendliche Mode von einer Verkäuferin im Alter seiner Mutter oder Großmutter bedient werden?
Ein gewisses Abwechslungsbedürfnis besteht in jeder Branche, man denke an die Wandlung der Kaufhäuser und ihre Verkaufskonzepte in den letzten Jahrzehnten.

Fazit:

Die einzelnen Argumente des LAG Rheinland-Pfalz sind nicht überzeugend, was das LAG im Text der Entscheidungsgründe selbst anerkennt. Deshalb greift das LAG zu „einer Gesamtbetrachtung aller Umstände“; damit kann aber jederzeit jedes Ergebnis begründet werden.

Das Dilemma ist, dass der Gesetzgeber auch hier nicht handelt. Er alleine könnte durch eine Abänderung des Kündigungsschutzes für den Bereich des Bundesligasportes, etwa in Ausbau einer Ausnahmeregelung, wie sie schon für Leistungsträger vorhanden ist, helfen.
Dies hätte den Vorteil, dass ein Minimum an Kündigungsschutz und Überprüfbarkeit erhalten bliebe und damit der Grundgedanke des Kündigungsschutzes. Die Spieler wären dann nicht mehr der subjektiv determinierten Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit durch einen einzelnen Trainer ausgeliefert. Es kommt nämlich nicht selten vor, dass Spieler, die von einem Trainer nicht mehr berücksichtigt wurden, nach einem Trainerwechsel vom neuen Trainer als Leistungsträger aufgebaut und angesehen werden.


Es bleibt natürlich abzuwarten, ob das BAG diese schwache Begründung kritiklos übernimmt. Wahrscheinlich ist, dass sich die Parteien wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits während des Verfahrens vor dem BAG einigen und der Kläger eine Zahlung der Beklagten akzeptiert, so dass ein weiteres Interesse an dem Rechtsstreit zum Erliegen kommt. Die Arbeitgeber des bezahlten Profifußballs würden sich selbstverständlich freuen, da sie in Zukunft auf das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz verweisen können und darauf vertrauen, dass die Allgemeinheit sich nicht mit den einzelnen Argumenten des LAG auseinandersetzt.

Gerd Raguß
Rechtsanwalt
24. Mai 2016

weiterlesen

Umsatzbezogenes Unternehmensbußgeld - Strafen für Marktmanipulationen und Insiderhandel verschärft

Der Bundesrat billigte am 13.05.2016 die drastische Erhöhung von Strafen, die für Marktmanipulationen und Insiderhandel drohen (Pressemitteilung des BR v. 13.05.2016). Das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG) sieht vor, leichtfertige Verstöße von Einzelpersonen mit Geldbußen bis zu 5 Mio. Euro zu ahnden – bisher lag die Grenze bei 1 Mio. Besonders schwere Fälle vorsätzlicher Marktmanipulationen gelten künftig als Verbrechen und werden mit Freiheitsstrafen zwischen 1 und 10 Jahren bestraft. Sind die Verstöße einem Unternehmen zuzurechnen, knüpft das ihnen drohende Bußgeld an dem Konzernumsatz des Geschäftsjahres an.

Hintergrund – Umsetzung europäischer Vorgaben

Mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes werden zahlreiche nationale Vorschriften im Bereich der Finanzmärkte an neue europäische Vorgaben (Marktmissbrauchsrichtlinie, Marktmissbrauchsverordnung, Zentralverwahrer- und PRIIPs-Verordnung) angepasst. Diese sollen die Integrität und Transparenz der Kapitalmärkte stärken und den Anlegerschutz verbessern.

Das Gesetz - das dem Bundespräsidenten bereits zur Unterschrift und Verkündung vorliegt - sieht ein abgestuftes Inkrafttreten der Regelungen vor, die Verschärfung der Straf- und Bußgeldvorschriften in §§ 38 ff. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) wird aller Voraussicht nach ab 2. Juli 2016 in Kraft treten.

Die neuen Regeln der Marktmissbrauchsverordnung und -richtlinie sind bereits am 2. Juli 2014 in Kraft getreten und lösen die bisherige Marktmissbrauchsrichtlinie ab. Während die meisten Vorschriften der Verordnung ab dem 3. Juli 2016 direkt anwendbar sind, werden ihre Vorgaben zu den Aufsichts- und Sanktionsbefugnissen der BaFin sowie sämtliche Vorschriften der Richtlinie mit dem 1. FiMaNoG  in nationales Recht umgesetzt. Aufgrund der neuen europäischen Marktmissbrauchsregeln werden in Deutschland insbesondere die Straf- und Bußgeldvorschriften angepasst. Da die neue Marktmissbrauchsverordnung direkt anwendbar ist, verweisen die Bußgeldvorschriften nicht mehr wie bisher auf die entsprechenden Verbote und Gebote des WpHG, sondern direkt auf die der Verordnung.

Zudem wird die Höhe der Bußgelder im WpHG deutlich angehoben: Sah es zum Beispiel bislang für natürliche Personen, die gegen das Verbot der Marktmanipulation verstießen, eine Geldbuße von bis zu einer Million Euro vor, so kann die BaFin für eine solche Ordnungswidrigkeit künftig bis zu fünf Millionen Euro Geldbuße verhängen.

Umsatzbezogene Geldbußen für Unternehmen - 3-fache Gewinnabschöpfung

§ 39 Abs. 4a S. 2 WpHG enthält in Zukunft konkrete Vorgaben für Bußgelder gegen juristische Personen. Bei Verstößen können auch umsatzbezogene Geldbußen verhängt werden, bei Verstößen gegen das Verbot des Insiderhandels oder der Marktmanipulation etwa bis zu 15 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes. Darüber hinaus kann künftig die Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 4a S. 3 WpHG mit einer Geldbuße bis zum Dreifachen des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils geahndet werden, wobei der Vorteil geschätzt werden kann.

Auch die Strafvorschriften des WpHG werden angepasst: Aufgrund der Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie stehen nicht mehr nur für Primärinsider, sondern auch für Sekundärinsider alle Formen des Insiderhandels unter Strafe. Ferner steht künftig nicht mehr nur der Versuch des Insiderhandels, sondern auch der Versuch der Marktmanipulation unter Strafe.

Künftig Internetplattform der BaFin für Whistleblower

Das Gesetz sieht auch die Einrichtung einer Meldeplattform auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor. Dort können sogenannte Whistleblower auf Fehlverhalten einzelner Personen oder ganzer Unternehmen innerhalb des Finanzsektors anonym hinweisen. Damit werden künftig die bereits seit 2014 im Banken und Sparkassensektor eingeführten Hinweisgebersysteme (§ 25a KWG) durch ein Portal auf Seiten der Aufsichtsbehörde flankiert.

Auch im Bereich der Corporate Compliance sollten Unternehmen prüfen, ob die eigenen Compliance- und Risikomanagementsysteme ausreichen, um Insiderhandel und Marktmanipulation effizient vorzubeugen bzw. frühzeitig aufzudecken. Sofern nicht bereits umgesetzt, sollte die Installation eines Hinweisgebersystems für Mitarbeiter geprüft werden. Denn der Vorstand kann persönlich haften, wenn er nicht für geeignete Compliance- und Risikomanagementsysteme sorgt – und damit sind auch Hinweisgebersysteme gemeint.

Siegfried Weitzel
Rechtsanwalt
18. Mai 2016

 

weiterlesen

Blog-Beiträge nach Tätigkeitsgebieten

Archiv

Standorte

Köln
Sachsenring 69
D-50677 Köln
T +49 221 / 92 081-0
F +49 221 / 92 081-91
koeln@hwhlaw.de

Leipzig
Beethovenstraße 35
D-04107 Leipzig
T +49 341 / 71 04-4
F +49 341 / 71 04-600
leipzig@hwhlaw.de

Düsseldorf
Ritterstraße 10
D-40213 Düsseldorf
T +49 211 / 17 16 06 57
F +49 211 / 17 16 06 58
duesseldorf@hwhlaw.de

Stuttgart
Königstraße 26
D-70173 Stuttgart
T +49 711 / 18 56 72 16
F +49 711 / 18 56 74 55
stuttgart@hwhlaw.de

Berlin
Hohenzollerndamm 7
D-10717 Berlin
T +49 30 / 88 56 60-0
F +49 30 / 88 56 60-66
berlin@hwhlaw.de

München
Leonrodstraße 68
D-80636 München
T +49 89 / 24 41 03 8-0

F +49 89 / 24 41 03 8-29
muenchen@hwhlaw.de