Architektenhonorar: Wann muss eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden?

Das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 17.09.2007 - 24 U 69/05) hatte darüber zu entscheiden, ob eine nachträglich geschlossene Honorarvereinbarung über die Reduzierung der Vergütung des Architekten wirksam ist oder nicht. Das Oberlandesgericht hat ebenso wie bisher der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, dass eine nachträgliche Änderung einer einmal getroffenen Honorarvereinbarung nach Abschluss des Architektenvertrags und vor Beendigung der Architektentätigkeit nicht wirksam getroffen werden kann.

Eine andere Auffassung wäre mit § 4 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 4 HOAI nicht vereinbar. Die Einschränkung der Vertragsfreiheit soll gerade gewährleisten, dass ein Streit über die Höhe des Honorars nicht geführt werden soll, so lange die Leistungen ausgeführt werden. Es soll auf diese Art und Weise vermieden werden, dass eine Vertragspartei die andere während der Durchführung des Bauvorhabens unter Druck setzt.

In dem Fall des Oberlandesgerichts Rostock (AZ: 2 U 2/07 - Urteil vom 07.11.2007) ging es um die Frage, wann eine schriftliche Honorarvereinbarung getroffen werden muss, wenn eine stufenweise Beauftragung der Leistungsphasen 1-8 der § 15 Abs. 2 HOAI vorgesehen ist.

In dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag war als erste Auftragsstufe eine Beauftragung mit den Grundleistungen der Leistungsphasen 2 und 3 sowie Teilen der Leistungsphasen 4 und 5 vorgesehen. Ferner wurde in dem Vertrag geregelt, dass der Bauherr beabsichtige den Auftragnehmer bei Fortsetzung der Planung und Durchführung der Baumaßnahme mit weiteren Grundleistungen der Leistungsphasen 5-8 des § 15 Abs. 2 HOAI zu beauftragen. Die Auftragserteilung sollte durch schriftliche Mitteilung erfolgen. Der Architekt verpflichtete sich, die weiteren Leistungen zu erbringen, wenn ihm vom Auftraggeber innerhalb einer bestimmten Frist, zumindest ein Teil der Grundleistungen übertragen werde. Der Bauherr hat die Leistungsphasen 5-8 § 15 Abs. 2 HOAI jedoch nicht schriftlich, sondern nur mündlich in Auftrag gegeben. Er wendet gegen die Honorarforderung des Architekten daher ein, dass es an der erforderlichen Schriftform nach § 4 Abs. 1 HOAI fehle.

Dem ist das Oberlandesgericht nicht gefolgt. Es vertritt vielmehr die Auffassung, dass eine schriftliche Honorarvereinbarung auch vor Beauftragung getroffen werden könne. Der Zweck des § 4 Abs. 1 HOAI werde auch dann erfüllt, wenn die Parteien sich über das Honorar schon vor der verbindlichen Auftragserteilung geeinigt haben. § 4 Abs. 1 HOAI solle Honorarabreden in der Zeit zwischen der Begründung der Leistungspflichten und der Beendigung der Architektentätigkeit unterbinden eine Honorarvereinbarung sei dagegen nach Beendigung der Tätigkeit zulässig. Es müsse deshalb auch eine schriftliche Honorarabrede vor verbindlicher Auftragserteilung zulässig sein. Dies sei auch mit den Grundsätzen von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit vereinbar, weil die Höhe des Honorars bei späterer Auftragserteilung bereits feststehe.

In dieser Sache hat das OLG Rostock die Revision zugelassen. Die Frage, ob auch vor Auftragserteilung bei einem Staffelvertrag eine Honorarvereinbarung wirksam getroffen werden kann, ist in der Rechtsprechung umstritten. Es bleibt daher abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof entscheiden wird.

Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin

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Es knarrt im Scharnier zwischen Steuerrecht und Strafrecht

"Die Verhinderung und Bekämpfung der Korruption gehört zu den zentralen gesellschaftspolitischen Aufgaben" (Bundesregierung laut Entwurf-Drucks. 16/6558).

Korruption ist in aller Munde ─ Fahrten von Aufsichtsräten kommunaler Energieversorger, ausländische Großbaustellen Münchner Anlagenbauer, schwedische Möbelhäuser, Verkauf von Flugzeugen, Einkaufsleiter süddeutscher Automobilbauer, Vetternwirtschaft in Brüssel, Zahlungen an Schiedsrichter und Betriebsräte, "schwarze Kassen".

Die Bundesregierung will vor diesem Hintergrund die schon bestehenden scharfen Regeln noch weiter verschärfen (Entwurf vom 04.10.2007 eines Strafrechtsänderungsgesetz ─ Drucks. 16/6558). Die einkommensteuerliche Mitteilungspflicht des § 4 Abs. 5 Nr.10 EStG, laut der Betriebsprüfer und Finanzämter jeden Korruptionsverdacht melden müssen, bekommt somit zunehmende Bedeutung. Diese Denunzierungspflicht widerspricht allerdings der Wertneutralität des Steuerrechts (§ 40 AO).

Steuer- und Strafrecht sind insoweit schlecht miteinander verzahnt.

I. Mitteilungsbefugnis

Amtsträger unterliegen der Mitteilungspflicht des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG, haben aber auch das Steuergeheimnis zu wahren (§ 30 Abs. 1 AO). Verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis, macht er sich strafbar (§ 355 StGB). Von diesem Schutz werden auch amtlich erlangte Kenntnisse über Allgemeinstraftaten also beispielsweise über Korruptionsdelikte€” erfasst.

1. Erkenntnisse aus der Steuererklärung des Bestochenen

Gibt jemand in seiner Steuererklärung wahrheitsgemäß an, dass er Bestechungsgelder eingenommen hat, erfüllt er seine mit Zwangsmitteln erzwingbaren (§§ 328 ff. AO)€” steuerlichen Erklärungspflichten. Darf das Finanzamt von der so erlangten Kenntnis Mitteilung an die Staatsanwaltschaft machen?

a) § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG
Eine Mitteilungsbefugnis gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG besteht keinesfalls, denn diese Norm befasst sich nur mit der „Zuwendung von Vorteilen” nicht mit dem Empfang von Vorteilen. Erfasst wird entsprechend dem Regelungsgehalt des § 4 EStG€” lediglich die Betriebsausgabenseite, nicht die Einnahmenseite.

b) § 30 Abs. 4 AO
§ 30 AO kennt Ausnahmen vom Steuergeheimnis. Hier käme § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b) AO in Betracht. Diese Norm fordert das "Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses (zur Verfolgung von) Wirtschaftsstraftaten …, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören und das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Richtigkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern" (Hervorhebung des Verfassers).

Selbst wenn man in konkreten Einzelfällen zu einer Bejahung der Tatbestandsmerkmale der Norm kommen sollte, scheitert eine darauf basierende Mitteilung. Die Norm ist verfassungswidrig, jedenfalls soweit sie zum Zwecke der Strafverfolgung eingesetzt wird. Da der Steuerpflichtige unter Androhung von Zwangsmitteln (§ 328 ff. AO) zu wahrheitsgemäßen Angaben hinsichtlich aller ─ auch strafbarer (§ 40 AO) — Einnahmequellen verpflichtet ist, gibt es keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für eine hierauf gestützte Strafverfolgung.

Der Steuerpflichtige wird durch das nemo-tenetur-Prinzip geschützt, also seinem verfassungsrechtlichen Recht, sich strafrechtlich nicht selbst belasten zu müssen (str., vgl. Heerspink, AO-StB 2006, 51 ff.; FGJ-Joecks, Steuerstrafrecht, § 393, RN 71 ff.; insoweit problematisch: BGH v. 2.12.2005 ─ 5 StR 119/05 ─ BGHSt 50, 299). Niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten.

2. Erkenntnisse aus der Steuererklärung des Bestechenden

Führt jemand seine Buchhaltung unter Einbeziehung verausgabter Bestechungsgelder, erfüllt er seine steuerlichen Pflichten. Werden die gebuchten Bestechungsgelder nicht als Betriebsausgaben angesetzt (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG), wird steuerpflichtgemäß agiert.

Da die Bestechungsgelder nicht als Betriebsausgaben angesetzt wurden, hat das Finanzamt auch in diesem Fall keine Mitteilungsbefugnis aus § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG (str., vgl. im Einzelnen Heerspink, AO-StB 2001, 47 ff.).

Selbst der BMF-Erlass vom 10.10.2002 (IV A6-S2145-35/02) verweist unter Textziffer 32 darauf, dass eine Mitteilungspflicht im Regelfall entfällt, wenn eine Vorteilszuwendung aufgedeckt wurde, die nicht zu einer Betriebsausgabe geführt hat. Laut Erlass entfällt eine Mitteilung auch, wenn einem Benennungsverlangen nicht nachgekommen wird und daher eine angesetzte Betriebsausgabe nach § 160 AO außer Ansatz bleibt oder ein Betriebsausgabenabzug ohnehin bereits an § 12 EStG scheitert.
Danach mag die Einladung zur Prunksitzung des Traditionsvereins, dessen Vereinsmitglied man zudem ist, eine strafbare Vorteilsgewährung sein (und wird einem Ermittler ohne Sinn für die rheinländische Sozialadäquanz (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 331 RN 25) jedenfalls so vorkommen).

Da die Kosten aber als gemischt betrieblich und privat veranlasst gelten (vgl. Nachw. bei Schmidt-Drenseck, EStG, § 12 RN 25 „Karneval”), scheitert ein Ansatz als Betriebsausgaben ohnehin am Abzugsverbot des § 12 EStG, so dass § 4 EStG nicht anwendbar ist; im BMF-Schreiben heißt es wie folgt:

Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG

3 ….

4 Die Regelung findet nur Anwendung, wenn es sich bei den Aufwendungen um Betriebsausgaben oder Werbungskosten handelt. Sind die Aufwendungen auch privat mitveranlasst, fallen sie unter das Aufteilungs- und Abzugsverbot nach § 12 EStG; bei gesellschaftsrechtlicher Veranlassung handelt es sich um verdeckte Gewinnausschüttungen.

Mitteilungspflicht der Finanzbehörde § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 3 EStG)

31 …

32 Eine Mitteilungspflicht besteht im Regelfall nicht schon dann, wenn das Abzugsverbot nicht anwendbar ist (insbesondere bei privat mitveranlassten Aufwendungen, Tz. 4, bei einer Vorteilszuwendung, die nicht zu einer Betriebsausgabe geführt hat, z.B. bei verbilligten Darlehen, Tz. 7, bei Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 EStG oder bei Anwendung des Abzugsverbots wegen Nichtbefolgung eines Benennungsverlangens nach § 160 AO, Tzn. 34 bis 37). …

Trotz Anfangsverdacht einer Korruptionstat entfällt eine Mitteilungspflicht, weil das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 S. 1 EStG nicht angewendet werden muss; der fehlende Betriebsausgabenansatz wird anderweitig erzielt.

Wenn eine Mitteilung stets entfällt, wenn ein anderweitiges Abzugsverbot besteht, kann man den Steuerbürger, der von Anfang an vom Ansatz abgesehen hat, nicht schlechter behandeln. Denjenigen zu privilegieren, der die Betriebsausgaben ansetzt aber die Empfänger nicht benennt (Fall des Abzugsverbot gemäß § 160 AO), kann nicht überzeugen.

3. Erkenntnisse aus einer Selbstanzeige

Die Abgabe einer Selbstanzeige erfolgt in der (nachholenden) Erfüllung steuerlicher Pflichten. Allerdings ist die Position des Steuerpflichtigen hier schwächer, denn eine Selbstanzeige ist nicht durch Zwangsmittel erzwingbar, so dass das nemo-tenetur-Prinzip jedenfalls nicht unmittelbar greift (vgl. Heerspink, AO-StB 2006, 5154). Im Ergebnis kann aber nichts anderes gelten, da die Selbstanzeige nur dann die ─ gesetzgeberisch erwünschte ─ Rückkehr zur Normtreue ermöglicht, wenn die Angaben im Rahmen der Selbstanzeige nicht zum Anknüpfungspunkt der Strafverfolgung gemacht werden können (FGJ-Joecks, Steuerstrafrecht, § 393, RN 55). Es gilt also das bereits oben Ausgeführte entsprechend.

4. Ermittlungsergebnisse der Betriebsprüfung

Da der Steuerpflichtige auch im Rahmen der Betriebsprüfung mitwirkungsverpflichtet (§ 200 AO) und dies auch mit Zwangsmitteln durchsetzbar (§§ 328 ff. AO) ist, gilt hier nichts anderes als im Rahmen der Erkenntnisgewinnung durch Abgabe einer Steuererklärung. Erst der Wegfall der Erzwingbarkeit der Mitwirkung durch Einleitung des Steuerstrafverfahrens würde zur Verwertbarkeit der sodann erzielten Erkenntnisse führen.

5. Ermittlungsergebnisse eines Steuerstrafverfahrens

Ermittlungsergebnisse, die die Steuerfahndung im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens gewinnt, dürfen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden. Für den Teil der weitergeleiteten Erkenntnisse, der auf den steuererheblichen Ursprungsangaben beruht, gilt aber gemäß § 393 Abs. 2 AO ein strafrechtliches Verwertungsverbot, so dass insoweit keine Strafe verhängt werden darf.
Beispiel: Im Steuerfahndungsbericht wird festgehalten, dass mit Scheinselbständigen gearbeitet und daher Lohnsteuern und Sozialversicherungsabgaben verkürzt und zudem die Aufträge mit Hilfe von Bestechungsgeldern akquiriert wurden. Letztere wurden nicht als Betriebsausgaben angesetzt. Dürfte dieser Bericht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden?

Da neben der Lohnsteuerhinterziehung ein Allgemeindelikt (Nichtabführung von Sozialversicherungsabgaben, § 266a StGB) gegeben ist, besteht eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft (§ 386 AO). Darf diese aber auch die Erkenntnisse hinsichtlich der Auftragsakquisition erhalten und ggf. verwenden?

§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG greift nicht, denn die Bestechungsgelder wurden nicht als Betriebsausgaben steuerwirksam gebucht.

Auch eine Mitteilungsbefugnis gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b) AO wird nicht gegeben sein; diese ist verfassungswidrig (str.), jedenfalls aber äußerst restriktiv auszulegen (s. o.).
Jedoch greifen in dem geschilderten Fall die Offenbarungsbefugnisse des § 30 Abs. 4 Nrn. 1 und 4 AO. Da die Mitteilung zur Durchführung des Strafverfahrens wegen Lohnsteuerhinterziehung und Sozialabgabenverkürzung erforderlich ist, dürfen die Erkenntnisse über die Verausgabung von Bestechungsgeldern mitgeteilt werden. Dies gilt jedenfalls, sofern sie nicht abgeschichtet werden können€” z.B. weil sich die Komplexe vermischen.

Da die Erkenntnisse über die Verausgabung von Bestechungsgeldern aber auf steuerpflichtgemäßem Verhalten einer ordnungsgemäßen Buchführung beruhen, dürfen sie gemäß § 393 Abs. 2 AO nicht verwendet werden. Für sich betrachtet unterliegt die Erkenntnis über die Verausgabung von Bestechungsgeldern dem Steuergeheimnis, sie wird nur als Annextatsache aufgrund der Unlösbarkeit der übrigen strafverfolgungsrelevanten Komplexe mitgeteilt.

6. Konsequenz

Das nemo-tenetur-Prinzip widerstreitet bei freiwillig gemachten Pflichtangaben einer Mitteilung an die Staatsanwaltschaft. In diesen Fällen wird durch die Mitteilung § 355 StGB verletzt.

Eine Verletzung scheidet nur dann aus, wenn freiwillig gemachte Pflichtangaben über strafbares Verhalten als Annex zu mitteilungsrelevanten Tatsachen offenbart werden. In diesen Fällen greift zum Schutz des Steuerpflichtigen lediglich ein Beweisverwertungsverbot.

Freiwillig gemachte steuerliche Angaben dürfen nicht in eine strafrechtliche Selbstbelastung umfunktioniert werden.

III. Offenbarungsvoraussetzung: Anfangsverdacht

Zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses ist mindestens der Anfangsverdacht einer Straftat zu fordern. Eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft zur Prüfung, ob ein Anfangsverdacht überhaupt vorliegt, wäre rechtswidrig. In einem derartigen Falle würde das Steuergeheimnis durchbrochen, obwohl noch kein Anfangsverdacht bejaht wurde. Der Durchbrechung des Steuergeheimnisses würde in einem solchen Fall der rechtfertigende Grund fehlen, so dass der Amtsträger sich strafbar (§ 355 StGB) machen würde.

Die Finanzverwaltung muss also in eigener Kompetenz prüfen, ob ein Anfangsverdacht vorliegt. Nur wenn sie diesen bejaht, darf sie abgeben.

IV. Verfall und seine Rückwirkung auf den Inhalt der Mitteilungspflicht

Vorteile, die aus strafbaren Taten erwachsen, unterliegen grundsätzlich dem Verfall (§§ 73 ff. StGB). Gleichzeitig sind sie aber auch steuerpflichtige Einnahmen (vgl. § 40 AO). Gibt man das bezogene Bestechungsgeld nicht an und fällt dies im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens auf, kommt es zu folgender Merkwürdigkeit: Das Schmiergeld wird nachversteuert (§ 40 AO). Das Steuerstrafverfahren wird an die Staatsanwaltschaft abgegeben (§ 386 AO, § 30 Abs. 4 Nrn. 1 und 4 AO). § 393 Abs. 2 AO bietet keinen Schutz, denn die weitergegebenen Daten basieren auf der Hinterziehung, sind also nicht solche, die der Steuerpflichtige in Erfüllung steuerlicher Pflichten und vor der Bekanntmachung eines Strafverfahrens preisgegeben hätte.

Mangels Verwertungsverbots kann das Gericht im Rahmen des Urteils das erlangte Bestechungsgeld für verfallen erklären (§§ 73 ff. StGB). Vom Verfallsbetrag wird eine etwa schon bezahlte Steuer in Abzug gebracht (str., vgl. Heerspink, AO-StB 2003, 173 ff.). Der Verfallsbetrag ist wiederum eine negative Einnahme und steuerlich zu berücksichtigen (BFH v. 6.4.2000 - IV R 31/99, BStBl. II 2001, 536 ff.). Soweit bilanziert wird, kann eine entsprechende Rückstellung gebildet werden (BFH v. 20.3.2001 ─ IX R 97/97 ─ BB 2001, 1830).

Im Ergebnis wirkt sich die Arbeit der Steuerfahndung für den Fiskus nicht aus. Denn der Einnahmeerhöhung durch Ansatz des Bestechungsgeldes steht in gleicher Höhe die Minderung der Einnahmen aufgrund Verfalls gegenüber; ein steuerliches Mehrergebnis entstünde allenfalls zufällig aufgrund Periodenverschiebung.

Wollte man also eine Mitteilungspflicht der Finanzbehörden auch für den Fall annehmen, dass der Steuerpflichtige aktiv die eigene Bestechlichkeit und die damit verbundenen Einnahmen offenbart, und wollte man weiter annehmen, dass jegliche Mitteilung zum Zwecke der Ahndung der Bestechlichkeit verwertbar ist, würde man die Finanzbehörden zu bloßen Aufdeckungsgehilfen der Staatsanwaltschaft degradieren und den Steuerpflichtigen systematisch zum Beweismittel gegen sich selbst machen. Denn bei konsequenter Anwendung einer Mitteilungspflicht und Verneinung eines strafrechtlichen Verwertungsverbots sind keine Mehreinnahmen zu erzielen.

Dann aber könnte in der Angabe einer Bestechungseinnahme keine steuerliche Pflicht mehr liegen, denn steuerliche Ziele könnten mit einer derartigen Erkenntnisgewinnung nicht verfolgt werden. Der Steuerpflichtige würde mittels des Steuerrechts lediglich gezwungen, strafrechtliches Beweismaterial gegen sich selbst zu liefern. Die Pflicht zur Erklärung von Einnahmen wäre somit ein strafrechtlicher Geständniszwang. Eine solche Regelung wäre mit § 136a StPO und Verfassungsrecht unvereinbar.
Dieses Ergebnis zeigt die Widersinnigkeit einer extensiven Auslegung der Mitteilungspflicht. Fiskalisch ist dergleichen nicht begründbar.

Wenn aber kein fiskalischer Grund vorhanden ist, kann die Mitteilungspflicht nur strafrechtlich begründet sein. Bei einer strafrechtlichen Motivation muss die Mitteilung aber immer dann ausscheiden, wenn aus strafrechtlichen Gründen ohnehin keine Strafbarkeit in Betracht kommt. Dies ist etwa bei einer strafrechtlichen Unverwertbarkeit der Fall, also stets dann, wenn der Steuerpflichtige sich zwar korruptiv aber steuerehrlich verhalten hat.

V. Fazit

Es ist reichlich unübersichtlich geworden vor lauter Verfolgung hehrer Ziele. Das Steuerrecht wird systemwidrig zur Verfolgung außersteuerlicher Zwecke — der Brandmarkung von Korruption €” aufgeladen. Dabei wird das eigentliche Ziel des Steuerrechts — die Finanzierung des Gemeinwesens €” verfehlt. Die aus dem berechtigten Ansatz der Wertneutralität folgende Besteuerung illegaler Einkünfte muss aber auch "moralisch" durchgehalten werden. Wer zur Angabe gesetzeswidriger Einnahmen auffordert, darf vor lauter Moralität nicht die gesetzeskonform gemachten Angaben zur Bekämpfung eben dieser Steuerbürger machen; pecunia non olet. Wer sich an dieser Weisheit Vespasians nicht orientieren will, soll seine steuerliche Nase nicht in den Bodensatz des Wirtschaftslebens stecken.

Dr. Fank Heerspink
Rechtsanwalt

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