Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus abgetretener Sicherungsgrundschuld hängt vom Eintritt in den Sicherungsvertrag ab

Der Bundesgerichtshof hat mit dem Urteil BGH XI ZR 200/09 vom 30. März 2010 eine beachtenswerte Entscheidung aus dem Bereich des Grundschuldrechts getroffen.

Leitsatz:

  1. Der Zessionar einer Sicherungsgrundschuld kann aus der Unterwerfungserklärung nur vorgehen, wenn er in den Sicherungsvertrag eintritt.
  2. Die Prüfung, ob der Zessionar einer Sicherungsgrundschuld in den Sicherungsvertrag eingetreten und damit neuer Titelgläubiger geworden ist, ist dem Klauselerteilungsverfahren vorbehalten.
  3. Die formularmäßige Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in einem Vordruck für die notarielle Beurkundung einer Sicherungsgrundschuld stellt auch dann keine unangemessene Benachteiligung des Darlehensnehmers i.S. des § 307 Abs. 1 BGB dar, wenn die Bank die Darlehensforderung nebst Grundschuld frei an beliebige Dritte abtreten kann (Bestätigung von BGHZ 99, 274; 177, 345)

Sachverhalt

Die Klägerin wehrte sich gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus einer notariellen Urkunde über die Bestellung einer Grundschuld, die sie ihrer Hausbank im Jahr 1989 anlässlich einer Darlehensgewährung zur Absicherung aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung gewährt hatte. In der notariellen Urkunde hatte sich die Klägerin wegen aller Ansprüche aus der Grundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück unterworfen.

Nach Kündigung der Geschäftsverbindung seitens der Hausbank im Jahr 2002 verkaufte die Hausbank am 7. Dezember 2004 sämtliche Forderungen gegen die Klägerin und trat der Käuferin auch die Grundschuld ab. Nach einer weiteren Abtretung der Ansprüche und der Grundschuld im Jahr 2005 wurde im Jahr 2007 die Beklagte als Inhaberin der Grundschuld im Grundbuch eingetragen und auf dem Grundschuldbrief vermerkt. Nach Umschreibung der Vollstreckungsklausel leitete die Beklagte gegen die Klägerin im Mai 2008 die Zwangsvollstreckung ein.

Die Klägerin hielt die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Unterwerfungserklärung unter anderem deshalb für unzulässig, weil diese vorformulierte Klausel in Kombination mit der freien Abtretbarkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs und der Grundschuld sie unangemessen benachteilige und daher gemäß § 9 AGBG (jetzt: § 307 BGB) unwirksam sei.

Entscheidung

Dieser Ansicht folgte der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH nicht. Er sieht die Zwangsvollstreckung als solche aufgrund der formularmäßigen Unterwerfungserklärung als zulässig an. Auch die in den letzten Jahren vermehrt aufgetretenen Kreditverkäufe sind nach der Auffassung des Senats kein Anlass, die ständige Rechtsprechung aller damit befassten Senate des Bundesgerichtshofs zu ändern und die bankübliche Unterwerfungsklausel zu beanstanden. Denn bei der Inhaltskontrolle der klägerischen Vollstreckungsunterwerfung sei auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses (hier: 1989) abzustellen.

Zum anderen gehe auch der Gesetzgeber von der Wirksamkeit entsprechender formularmäßiger Vollstreckungsunterwerfungen aus, weshalb er im Rahmen des Risikobegrenzungsgesetzes vom 12. August 2008 (BGBl. 2008 I S. 1666) keine gesetzlichen Maßnahmen ergriffen habe.

Allerdings kommt der BGH aufgrund der gebotenen "kundenfreundlichsten" Auslegung gemäß § 5 AGBG (jetzt: § 305c Abs. 2 BGB) zu dem Ergebnis, dass sich die formularmäßig erfolgte Vollstreckungsunterwerfung der Klägerin nur auf Ansprüche aus einer treuhänderisch gebundenen Sicherungsgrundschuld erstreckt. Damit wird einer andernfalls möglichen Verschlechterung der Rechtsposition des Kreditnehmers und Grundschuldbestellers entgegengewirkt.

Ein Grundschuldgläubiger, der – wie im zu entscheidenden Fall die Beklagte – den Verpflichtungen aus dem Sicherungsvertrag nicht beitritt, erwirbt eine solche Rechtsposition nicht, so dass er auch nicht Rechtsnachfolger hinsichtlich des titulierten Anspruchs im Sinne der §§ 795 Satz 1, 727 Abs. 1 ZPO wird. Die Prüfung, ob eine Rechtsnachfolge eingetreten ist, bleibt aber dem Klauselerteilungsverfahren vorbehalten, so dass ein Schuldner, der den Übergang der titulierten Forderung auf den Vollstreckungsgläubiger für unwirksam hält, die in diesem Verfahren vorgesehenen Rechtsbehelfe ergreifen muss.

Der von der Klägerin erhobenen Gestaltungsklage analog § 767 ZPO sowie einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO, die sich beide gegen die Vollstreckbarkeit des Titel richten, konnte die fehlende Rechtsnachfolge jedoch nicht zum Erfolg verhelfen. Die fehlende Rechtsnachfolge kann weder gegen den titulierten Anspruch eingewandt werden, noch wird dadurch die Wirksamkeit der Vollstreckungsunterwerfung in Frage gestellt.

Praktische Bedeutung

In Zukunft wird bereits im Klauselerteilungsverfahren von der für die Titelumschreibung zuständigen Stelle (Rechtspfleger, Notar) von Amts wegen zu prüfen sein, ob der neue Grundschuldinhaber den Eintritt in den Sicherungsvertrag nach den Maßgaben des § 727 Abs. 1 ZPO nachgewiesen hat. Dies hat für den Schuldner den Vorteil, dass er nicht aus der Rolle des Verteidigers in diejenige des Angreifers, nämlich des Klägers in einem Vollstreckungsgegenklageverfahren, gezwungen wird. Will sich der Schuldner gegen eine erfolgte Klauselerteilung wehren, kann er hiergegen mit der Erinnerung gegen Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 732 ZPO oder der Klauselgegenklage nach 768 ZPO vorgehen.

Zudem resultiert aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein erhöhtes Schutzniveau für Schuldner und eine weitere Einschränkung von Missbrauchsmöglichkeiten. Der durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12. August 2008 in § 1192 Abs. 1a Satz 1 Halbsatz 2 BGB statuierte Ausschluss des gutgläubig einredefreien Erwerbs von Sicherungsgrundschulden gilt nur für Erwerbsvorgänge von Sicherungsgrundschulden die nach dem 19. August 2008 erfolgt sind (Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB).

Künftig werden vor der Vollstreckung auch die Erwerber von Sicherungsgrundschulden in den Sicherungsvertrag eintreten müssen, die aufgrund eines Erwerbs vor dem Stichtag nicht dem Ausschluss nach § 1192 Abs. 1a Satz 1 Halbsatz 2 BGB unterfallen und die Sicherungsgrundschuld somit ggf. gutgläubig einredefrei erworben haben. Damit wird einem Missbrauch dahingehend, dass die Zwangsvollstreckung in voller Höhe des Nennwerts der Grundschuld betrieben wird, obgleich die Forderung tatsächlich in geringerer Höhe valutiert, ein Riegel vorgeschoben, da zugunsten des Schuldners wieder die Regelungen und Einreden aus dem Sicherungsvertrag greifen.


Siegfried Weitzel
Rechtsanwalt

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