Tätigkeitsgebiete Immobilie // Bau
Pflicht zur Kaufpreisnachzahlung an die Gemeinde bei vorzeitigem Weiterverkauf eines Grundstücks unwirksam
Vor allem im Rahmen der Wohnraumförderung ist es weit verbreitete Übung von Städten und Gemeinden, Grundstücke aus dem eigenen Bestand an bauwillige Interessenten zu verkaufen. Um die Verwirklichung des städtebaulichen Ziels, der Schaffung von Wohnraum, zu sichern, muss sich der Käufer dabei in aller Regel verpflichten, innerhalb einer bestimmten Frist ein Wohngebäude zu errichten, und es sodann für einen bestimmten Zeitraum auch selbst zu nutzen. Dabei sehen diese Verträge dann unterschiedliche Sanktionen für den Fall vor, dass der Käufer sich nicht an die übernommene Bau- und Nutzungspflicht hält. Die Spanne reicht vom Recht der Gemeinde zum Rückkauf des Grundstücks bis zur Pflicht des Käufers, eine Nachzahlung auf den Kaufpreis zu leisten.
Gelegentlich erfolgt der Verkauf der Baugrundstücke dabei zu einem Preis unterhalb des ortsüblichen Marktpreises. Das ist trotz des haushaltsrechtlichen Verbotes der Unterwertveräußerung zulässig, wenn entsprechender Bedarf besteht und die Gemeinde auf diese Weise ihrer Aufgabe zur Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung nachkommt (BauGB, § 1 WoFG). Häufig erfolgt die Veräußerung aber auch ohne eine derartige Subvention.
Bei der Gestaltung solcher Verträge setzt das Gesetz aber Grenzen, die die Gemeinde auch dann zu beachten hat, wenn sie nicht im Rahmen der vorbeschriebenen Zielverfolgung handelt: Verträge der in Rede stehenden Art sind so genannte „städtebauliche Verträge“ gemäß § 11 BauGB, für die § 11 Abs. 2 S.1 BauGB vorschreibt, dass die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen. Dieses Gebot beruht nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2015, 3436) auf dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gilt daher auch dann, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen für einen städtebaulichen Vertrag i.S.d. § 11 BauGB nicht gegeben sind (BGH a.a.O: Es gab keinen Zusammenhang zu einer Bauleitplanung, weil lediglich Erbbaurechte an lange bestehenden Gebäuden veräußert wurden).
Eine weitere Schranke der Vertragsgestaltung ergibt sich aus den Vorschriften des BGB über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), welche gemäß § 62 VwVfG (des jeweiligen Bundeslandes) auch auf solche Verträge Anwendung finden. Dabei ist insbesondere auf § 307 BGB zu achten, der Bestimmungen in AGB für unwirksam erklärt, die den anderen Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Der BGH hat sich in der Vergangenheit verschiedentlich mit den Grenzen der Vertragsfreiheit befasst, die sich aus den genannten Schranken ergeben. In seiner jüngsten Entscheidung (Urt. v. 20.4.2018 – V ZR 169/17) hat er geurteilt:
„Verkauft eine Gemeinde im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags ein von dem Erwerber mit einem Eigenheim zu bebauendes Grundstück zum Verkehrswert, verstößt eine Regelung, die dem Erwerber eine von einer Verkehrswertsteigerung des Grundstücks unabhängige Zahlung bei dessen Weiterverkauf innerhalb von acht Jahren nach Errichtung des Eigenheims auferlegt, gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung.“
Der BGH bestätigte damit eine Entscheidung des OLG München.
Die Gemeinde hatte mit notariellem Kaufvertrag Grundbesitz mit einer Gesamtfläche von 857 m² zu einem Quadratmeterpreis von 106,75 € einschließlich Erschließungskosten veräußert. Insgesamt betrug der Kaufpreis 91.482,07 €, was -wie in dem Vertrag ausdrücklich festgehalten ist- dem Markt- wert des Grundstücks entsprach. Der Grundbesitz befand sich im Baugebiet der beklagten Gemeinde. Im Kaufvertrag verpflichteten sich die Käufer innerhalb von acht Jahren nach Vertragsschluss auf dem Grundstück ein bezugsfertiges Wohnhaus zu errichten und dieses ab Bezugsfertigkeit acht Jahre lang selbst zu bewohnen und während dieser Zeit nicht zu veräußern. Für den Fall des Verstoßes gegen die Selbstnutzungspflicht verpflichteten sich die Käufer zu einer Zahlung von 5 € pro Quadratmeter und für den Fall der Weiterveräußerung des Grundbesitzes vor Ablauf von acht Jahren ab Bezugsfertigkeit an Dritte, bei denen es sich nicht um seit mindestens drei Jahren auf dem Gebiet der beklagten Gemeinde wohnhafte näher bestimmte Verwandte oder den Ehegatten handelt, zu einer Zahlung von 25 € pro Quadratmeter. Entsprechende Klauseln wurden von der beklagten Gemeinde bei zahlreichen Verkäufen in dem Baugebiet verwendet.
Nach Scheidung ihrer Ehe veräußerten die Käufer vor Ablauf der Bindungsfrist zur Selbstnutzung das Grundstück mit dem fristgerecht errichteten Eigenheim weiter.
Die Gemeinde verlangte daraufhin vom Kläger und seiner früheren Ehefrau einen Betrag von insgesamt 21.425 €. Die Käufer zahlten unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Der von der Gemeinde vereinnahmte Betrag überstieg die Wertsteigerung des Grundbesitzes seit dem Erwerb Juli 2009. Mit der Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung des von ihm getragenen hälftigen Anteils i.H.v. 10.712,50 €. Zu Recht, wie der BGH entschied. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung des unter Vorbehalt gezahlten Betrages gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu, denn die Nachzahlungsverpflichtung im Kaufvertrag verstoße gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB und sei mithin unwirksam. Ob die Regelung auch gegen das Verbot unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 BGB verstoße, bedürfe daher keiner Entscheidung.
Der BGH stellt zunächst fest, dass es sich bei dem Kaufvertrag um einen städtebaulichen Vertrag im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB handelt. Das folgt aus dem Zusammenhang des Vertrages mit der gemeindlichen Bauleitplanung. Das Grundstück war an den Kläger und seine damalige Ehefrau als Bauplatz verkauft worden mit der Auflage, innerhalb bestimmter Frist ein Wohnhaus zu errichten, um das Bauland zeitnah einer durch die Bauleitplanung zugelassenen Bebauung zuzuführen. Mit dieser Feststellung war der Weg zur unmittelbaren (nicht nur analogen) Anwendung des § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB eröffnet.
Das nach dieser Vorschrift geltende Gebot angemessener Vertragsgestaltung verlangt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des gesamten Vorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und dass die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt. Diesen Anforderungen entsprach die vertragliche Regelung im vorliegenden Fall nicht.
Die Regelung entspricht vor allem nicht den vom Senat bereits entschiedenen Fällen, in denen er Nachzahlungsverpflichtungen für zulässig erachtet hatte. Eine Vertragsgestaltung im so genannten „Einheimischenmodell“, bei dem der Verkauf -anders als im vorliegenden Fall- zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis erfolgt war, hat der Senat entschieden, dass eine Nachforderung im Umfang des eingeräumten Preisvorteils grundsätzlich möglich ist. Eine Nachzahlungsverpflichtung in Höhe der Kaufpreisverbilligung stellt nichts anderes dar, als den Widerruf einer an bestimmte Bedingungen geknüpften Subvention. Auch etwaige Bodenwertsteigerungen müssen nach Auffassung des Senats -wenn der Subventionszweck verfehlt wird- nicht stets dem Käufer verbleiben. Allerdings müsse eine Nachzahlungszinsen, die neben der Kaufpreisverbilligung auch künftige Bodenwertsteigerungen einbezieht, die Möglichkeit stagnierender oder sinkender Bodenpreise berücksichtigen und die Nachzahlung auf den tatsächlichen Vorteil begrenzen (Urt. v. 16.4.2010 -V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn.21).
Bei einem Fall eines nicht subventionierten Grundstücksverkaufs hatte der Senat eine Klausel für angemessen erachtet, die dem Käufer, wenn er das Grundstück in unbebautem Zustand innerhalb von fünf Jahren ab Vertragsschluss weiterverkauft, die Verpflichtung zur Abführung des erzielten Mehrerlöses auferlegt (Urt. v. 16.3.2018 -V ZR 306/16).
Die Regelung im vorliegenden Fall entspricht dieser Rechtsprechung aber nicht. Die dem Käufer auferlegte Nachzahlungsverpflichtung ist in ihren Voraussetzungen völlig unabhängig davon, ob eine Verkehrswertsteigerung des Grundstücks eingetreten ist und damit unabhängig von einem tatsächlichen Vorteil der Erwerber. Eine vorteilsunabhängige Nachzahlungsklausel lässt sich nach Auffassung des BGH nicht mit dem Zweck der Verhinderung von Bodenspekulationen rechtfertigen, wie dies die beklagte Gemeinde vertreten hatte. Beschränkungen, die die öffentliche Hand dem Käufer auferlegt, entsprechen nur dann dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung, wenn sie geeignet und erforderlich sind, um das Erreichen der zulässigerweise verfolgten Zwecke im Bereich der Wohnungsbau-, Siedlungs- oder Familienpolitik für einen angemessenen Zeitraum sicherzustellen. Auch wenn die Abwehr von Grundstücksspekulationsgeschäften ein anerkennenswertes städtebauliches Ziel darstelle, sei es dazu nicht erforderlich, dem Käufer für den Fall des Weiterverkaufs des Grundstücks eine vorteilsunabhängige Zuzahlungspflicht aufzuerlegen. Das Ziel der Spekulationsbekämpfung könne auch erreicht werden, indem sich der Zuzahlungsbetrag nach der tatsächlichen Bodenwertsteigerung bemisst. Der Pflicht zur Zahlung eines hiervon unabhängigen Betrages komme dagegen strafähnlicher Charakter zu und gehe über das verfolgte Ziel hinaus.
Die Argumentation des BGH ist überzeugend. Mehr noch: Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die Nachzahlungsverpflichtung nach den kaufvertraglichen Vereinbarungen greift, obwohl ersichtlich kein Fall der Bodenspekulation vorliegt. Die Vorstellung, jemand würde ein Einfamilienhausgrundstück erwerben, es bebauen und selbst beziehen, für Jahre bewohnen mit dem Ziel, eine Marktwertsteigerung des Grundstücks zu vereinnahmen, ist abwegig. Der Sachverhalt hatte ersichtlich nichts mit Bodenspekulation zu tun. Die Nachzahlungsverpflichtung war damit nicht geeignet Bodenspekulationen entgegenzuwirken.
Der BGH führt weiter aus, dass auch ein Interesse der beklagten Gemeinde an einer Selbstnutzung der Immobilie durch den Käufer die Nachzahlungsklausel nicht rechtfertige. Eine Selbstnutzungsverpflichtung sei keine zwangsweise durchsetzbare Primärverpflichtung des Käufers, sondern lediglich eine Obliegenheit. Die Auferlegung einer über die Abschöpfung einer gewährten Subvention hinausgehenden Zuzahlungspflicht sei daher schon nicht geeignet, die angestrebte Selbstnutzung durch den Käufer zu erreichen. Wolle die Gemeinde Einfluss auf die Nutzerstruktur nehmen, könne sie dies beispielsweise dadurch erreichen, dass sie mit ihrem Vertragspartner (Käufer) ein Wiederkaufsrecht für den Fall der vorzeitigen Veräußerung der Immobilie vereinbare.
Eine Absage erteilt der BGH auch der von der Gemeinde vorgetragenen Rechtfertigung für die Zuzahlungsklausel, die darin liegen sollte, dass der Käufer das Grundstück an ortsansässige Geschwister oder Verwandte sanktionslos veräußern durfte. Die Ausnahmeregelung sei in ihrem Anwendungsbereich derart begrenzt, dass sie in den überwiegenden Fällen gar nicht zum Tragen kommen könne. Sie könne daher an der Unangemessenheit der Nachzahlungsklausel nichts ändern. Das gelte auch dann, wenn die Regelung den Zweck habe, der Versorgung der einheimischen Bevölkerung mit bezahlbarem Wohneigentum zu dienen.
Andere, die Unangemessenheit der Klausel kompensierend Regelungen sah der BGH in dem Vertrag nicht. Das Berufungsgericht habe zu Recht darauf hingewiesen, dass der einzige Vorteil der Erwerber darin gelegen habe, dass die beklagte Gemeinde bereit war, ihnen die beiden gemeindlichen Grundstücke zum Marktwert zu verkaufen. Unerheblich sei insoweit die Frage, ob sich der Grundstückskauf in ungewisser Zukunft möglicherweise als wirtschaftlich günstig erweisen könnte. Schließlich lehnt der BGH eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung etwa dahin, dass jedenfalls eine Bodenpreissteigerung an die Gemeinde abzugeben sei, nicht für geboten. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung auf das noch Zulässige komme nur in Betracht, wenn das Ergebnis sonst für die Gemeinde schlicht unzumutbar sei. Das sei vorliegend nicht der Fall.
Als Konsequenz aus der vorstehend wiedergegebenen Entscheidung wird man im Rahmen der Vertragsgestaltung, insbesondere dann, wenn die Gemeinde beim Verkauf keinen Preisnachlass gegenüber dem ortsüblichen Marktpreis gibt, sehr sorgfältig zu prüfen haben, unter welchen Umständen der Käufer zu einer Nachzahlung verpflichtet sein soll. Eine über die Abschöpfung eines tatsächlich eingetretenen Vorteils hinausgehende Nachzahlungsverpflichtung dürfte im Zweifel den Anforderungen an eine angemessene Vertragsgestaltung nicht genügen.
Beachtlich erscheint in diesem Zusammenhang auch der vom BGH nicht kritisierte Hinweis der Vorinstanz (OLG München), dass die Regelung keinerlei Abstufungen enthalte, um den Umständen des Einzelfalls gerecht werden zu können und unzumutbare Härten für die Erwerber zu vermeiden.
Schließlich - und auch darauf hatte das OLG München hingewiesen - liegt die Entscheidung, eine Nachzahlungsforderung geltend zu machen, im Ermessen der Gemeinde. Bei der Ausübung dieses Ermessens ist wiederum der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, also die Erforderlichkeit und Geeignetheit der Maßnahme, zu prüfen. Das OLG hat im vorliegenden Fall auch die Ausübung dieses Ermessens als nicht ordnungsgemäß kritisiert. Der Verkauf habe keinen spekulativen Hintergrund gehabt, sondern auf der Scheidung der Eheleute (Käufer) und der damit verbundenen finanziellen Zwänge beruht.
Ulrich Dölle
Rechtsanwalt
20. August 2018
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