Tätigkeitsgebiete Immobilie // Bau
Immer wieder…Streit zwischen Bauherrn und Architekten um die Baukostenobergrenze
Streitigkeiten zwischen Architekten und Bauherren beim Überschreiten vereinbarter Baukostenobergrenzen gehören zum Alltagsgeschäft eines jeden Baujuristen. Entsprechend zahlreich sind die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen zum Thema.
Wer da meint, man werde hierin nicht neues finden, wird immer wieder eines Besseren belehrt. Nach herrschender Meinung stellt die Vereinbarung einer Kostenobergrenze eine Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich des vom Architekten geschuldeten Werks dar (so zuletzt BGH, Urteil vom 06.10.2016 - VII ZR 185/13 – IBR 2016,702). Bei einer schuldhaften Überschreitung der Obergrenze kann der Bauherr jedenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen den Architekten haben, der zur Begrenzung des Honorars auf dasjenige führt, was dem Architekten bei Einhaltung der Obergrenze zugestanden hätte. Auch weitergehende Ansprüche sind dann nicht ausgeschlossen, wenn tatsächlich ein Vermögensschaden entstanden ist. Das ist freilich selten in Höhe der Differenz zwischen vereinbarter Obergrenze und tatsächlichen Kosten der Fall, denn der Bauherr kann nur die Wertdifferenz zum Gebäudewert verlangen. Der liegt bei höheren Baukosten meist dann ebenfalls entsprechend höher.
Ganz anders hat dies jüngst das Kammergericht Berlin gesehen (entgegen einer Entscheidung eines anderen Senats des Kammergerichts - KG, IBR 2018, 82). Es hat entschieden, dass die Vereinbarung einer Kostenobergrenze gar keine Beschaffenheitsvereinbarung sei (KG, Urteil vom 28.8.2018 - 21 U 24/16 – IBRRS 2018, 2911; nicht rechtskräftig). Es handle sich vielmehr um die Konkretisierung „der kostenbezogenen Vertragspflichten des Architekten“. Die Entscheidung ist bemerkenswert, aber kaum überzeugend. Es bleibt unklar, was mit der blumigen Umschreibung denn gemeint ist. Soll es sich nur um eine Nebenpflicht handeln, die gegebenenfalls verletzt ist und warum soll das so sein? Auch die Rechtfolge einer entsprechenden Pflichtverletzung bleibt unklar. Der Architekt sollte sich nicht darauf verlassen, dass diese Rechtsprechung sich durchsetzt.
Bedeutungsvoller erscheint da eine Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil vom 21.1.2016 – 11 U 71/14 – IBRRS 2018, 3045; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH Beschl. v. 25.4.2018 –VII ZR 39/16). Das Gericht befand, dass dann, wenn die Parteien eines Architektenvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB dahingetroffen haben, dass das Bauvorhaben zu einem festgelegten Budget verwirklicht werden soll, und war das Bauwerk bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht zu diesen Kosten herstellbar, ein Schadensersatzanspruch des Bauherren gegen den Architekten nach § 311a Abs. 2 BGB in Betracht kommt .
Hier geht es um den Fall, dass der Schuldner (Architekt) dem Gläubiger (Bauherren) eine Leistung versprochen hat, die von Anfang an unmöglich war. Seit der Reform des Schuldrechts im Jahr 2002 ist (anders als nach der früheren Rechtslage, bei der so ein Vertrag nichtig war) der Schuldner dem Gläubiger zum Schadensersatz statt der Leistung oder zum Ersatz vergeblicher Aufwendungen verpflichtet. Das gilt dann nicht, wenn der Schuldner (Architekt) das Leistungshindernis (die Unmöglichkeit der Leistung) nicht kannte und die Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat, ihn oder seine Erfüllungsgehilfen also kein Verschulden an der Unkenntnis trifft.
Letzteres lag im Fall des OLG Frankfurt nicht vor, sodass das Gericht dem Bauherren einen Schadensersatzanspruch zubilligte, der sich der Höhe nach auf die Differenz zwischen realen Kosten und versprochenen Kosten belaufen soll. Der Bauherr sei so zu stellen, als ob die Leistung wie versprochen erbracht worden wäre. Das Gericht beruft sich bei seiner Argumentation auf eine Entscheidung des BGH, in der dieser wohl erstmals im Rahmen baurechtlicher Entscheidungen die Vorschrift des § 311a Abs. 2 BGB bei anfänglicher Unmöglichkeit einer versprochenen Bauleistung herangezogen hat. Hier hatten die Parteien vereinbart, dass eine Glasfassade nur mit Gläsern ohne Einschlüsse errichtet werden dürfe, was technisch nicht möglich ist (BGH, Urteil vom 8.5.2014 – VII ZR 203/11, IBR 2014, 405).
Im Grundsatz dürften die Überlegungen des OLG Frankfurt zutreffend sein. Das Gericht hat aber verabsäumt zu prüfen, ob dem Bauherren nicht im Rahmen des Vorteilsausgleichs der mutmaßliche Mehrwert des errichteten Objektes entgegen zu halten ist (dazu ausführlich OLG Oldenburg, Urteil vom 7.8.2018 – 2 U 30/18, IBRRS 2018, 3035 m.w.N.). Entsprach nämlich der Verkehrswert des errichteten Objektes den aufgewandten Kosten und wäre er bei Einhaltung des Kostenversprechens entsprechend geringer gewesen, so wäre dem Bauherren wohl kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden. Möglicherweise ist das Gericht dieser Überlegung nicht nachgegangen, weil der Schadensersatzanspruch im konkreten Fall nur einem Honoraranspruch gegenüber zur Aufrechnung gestellt war und nach dem vom Architekten vorgetragenen Zahlenwerk die Kostenüberschreitung zehnmal so hoch war, wie der streitgegenständliche Honoraranspruch.
Der Fall, dass eine vereinbarte Kostenobergrenze schon von Anfang an nicht realistisch war (von Anfang an unmöglich), dürfte nicht selten sein. Umso mehr muss der Architekt gewarnt sein, wenn er sich auf die Vereinbarung einer Kostenobergrenze einlässt.
Ulrich Dölle
Rechtsanwalt
4. Oktober 2018
Blog-Beiträge nach Tätigkeitsgebieten
Letzte Posts
Archiv
-
2024
- April 2024 (2 entries)
- March 2024 (2 entries)
- January 2024 (2 entries)
-
2023
- December 2023 (3 entries)
- November 2023 (2 entries)
- March 2023 (1 entry)
- February 2023 (1 entry)
-
2022
- December 2022 (1 entry)
- November 2022 (2 entries)
- October 2022 (1 entry)
- September 2022 (3 entries)
- August 2022 (1 entry)
- July 2022 (2 entries)
- June 2022 (1 entry)
- April 2022 (1 entry)
- March 2022 (1 entry)
- January 2022 (1 entry)
-
2021
- November 2021 (1 entry)
- October 2021 (1 entry)
- July 2021 (1 entry)
- June 2021 (1 entry)
- May 2021 (1 entry)
- March 2021 (1 entry)
- January 2021 (3 entries)
-
2020
- November 2020 (1 entry)
- September 2020 (1 entry)
- August 2020 (2 entries)
- July 2020 (1 entry)
- June 2020 (1 entry)
- May 2020 (2 entries)
- April 2020 (3 entries)
- March 2020 (16 entries)
- February 2020 (2 entries)
- January 2020 (3 entries)
-
2019
- November 2019 (1 entry)
- October 2019 (3 entries)
- August 2019 (2 entries)
- July 2019 (3 entries)
- June 2019 (1 entry)
- May 2019 (1 entry)
- April 2019 (1 entry)
- February 2019 (3 entries)
- January 2019 (2 entries)
-
2018
- October 2018 (2 entries)
- August 2018 (4 entries)
- July 2018 (5 entries)
- June 2018 (2 entries)
- May 2018 (3 entries)
- April 2018 (3 entries)
- March 2018 (2 entries)
- February 2018 (1 entry)
- January 2018 (6 entries)
-
2017
- December 2017 (2 entries)
- November 2017 (3 entries)
- September 2017 (2 entries)
- August 2017 (1 entry)
- July 2017 (2 entries)
- June 2017 (3 entries)
- May 2017 (2 entries)
- April 2017 (4 entries)
- March 2017 (2 entries)
- February 2017 (2 entries)
- January 2017 (3 entries)
-
2016
- December 2016 (2 entries)
- November 2016 (4 entries)
- October 2016 (3 entries)
- September 2016 (3 entries)
- August 2016 (4 entries)
- July 2016 (6 entries)
- June 2016 (4 entries)
- May 2016 (5 entries)
- April 2016 (5 entries)
- March 2016 (10 entries)
- February 2016 (6 entries)
- January 2016 (9 entries)
-
2015
- December 2015 (9 entries)
- November 2015 (4 entries)
- October 2015 (5 entries)
- September 2015 (5 entries)
- August 2015 (3 entries)
- June 2015 (8 entries)
- April 2015 (2 entries)
- January 2015 (2 entries)
-
2014
- December 2014 (2 entries)
- November 2014 (1 entry)
- May 2014 (1 entry)
- April 2014 (2 entries)
- February 2014 (3 entries)
- January 2014 (1 entry)
-
2013
- November 2013 (1 entry)
- June 2013 (3 entries)
- May 2013 (2 entries)
- April 2013 (1 entry)
-
2012
- November 2012 (1 entry)
- August 2012 (1 entry)
- July 2012 (1 entry)
- March 2012 (1 entry)
- January 2012 (3 entries)
-
2011
- December 2011 (1 entry)
- November 2011 (1 entry)
- October 2011 (1 entry)
- September 2011 (1 entry)
- July 2011 (2 entries)
- June 2011 (2 entries)
- February 2011 (2 entries)
-
2010
- July 2010 (1 entry)
- June 2010 (1 entry)
- May 2010 (1 entry)
- April 2010 (1 entry)
- March 2010 (1 entry)
- February 2010 (1 entry)
-
2009
- December 2009 (1 entry)
- September 2009 (1 entry)
- August 2009 (1 entry)
- April 2009 (1 entry)
- March 2009 (1 entry)
- January 2009 (1 entry)
-
2008
- October 2008 (1 entry)
- May 2008 (1 entry)
- April 2008 (4 entries)
- March 2008 (2 entries)
- February 2008 (4 entries)
- January 2008 (6 entries)
-
2007
- December 2007 (2 entries)
- November 2007 (2 entries)
- October 2007 (2 entries)
- August 2007 (3 entries)
- July 2007 (1 entry)
- June 2007 (1 entry)
-
2006
- June 2006 (1 entry)