Tätigkeitsgebiete Immobilie // Bau
Keine Verpflichtung des Bauherrn zur Erstellung eines Witterungsschutzes während der Durchführung des Bauvorhabens
Der Bundesgerichtshof hat sich mit seiner Entscheidung vom 20. April 2017, AZ: VII ZR 194/13 mit der Frage beschäftigt, ob der Auftraggeber eine ihm obliegende erforderliche Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642 BGB verletzt, wenn er während der Dauer des Herstellungsprozesses auftretende außergewöhnlich ungünstige Witterungseinflüsse auf das Baugrundstück in Form von Frost, Eis und Schnee, mit denen nicht gerechnet werden musste, nicht abwehrt.
In dem vorbenannten Verfahren begehrt die Klägerin (Unternehmerin) von der Beklagten (Bauherrin) Zahlung wegen witterungsbedingter Unterbrechung der Bauausführung bei der Errichtung einer Autobahnbrücke. Aufgrund einer außergewöhnlich langen Frostperiode hatte die Klägerin die Bauarbeiten über einen längeren Zeitraum eingestellt. Die Beklagte verlängerte entsprechend die Ausführungsfrist um den Zeitraum des witterungsbedingten Stillstandes. Die Klägerin verlangte von der Beklagten aber weiterhin auch im Rahmen eines Nachtragsangebotes die Kosten für Bauhilfsmittel, Baustelleneinrichtung, Baustellengemeinkosten, Verkehrssicherung, Personal sowie wegen Unterdeckung der allgemeinen Geschäftskosten aufgrund der witterungsbedingten Verzögerung der Bauausführung. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab. Die Klägerin hatte mit ihrem Begehren in allen Instanzen keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof führt in dem Zusammenhang u.a. aus, dass ein Anspruch auf Entschädigung aus § 642 BGB nicht gegeben sei. § 642 BGB ist ein Sonderfall einer vom Auftraggeber zu vertretenden Behinderung im Sinne des § 6 Nr. 6 VOB/B, nämlich der des Unterlassens einer zur Herstellung des Werks erforderlichen Mitwirkungshandlung. Insofern trifft ihn eine Obliegenheit, dem Auftragnehmer das Baugrundstücks für dessen Leistung aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen. Allerdings kann aus dieser Obliegenheit des Auftraggebers nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass er das Baugrundstück stets in bebaubarem Zustand zur Verfügung stellen muss und für sämtliche Umstände, auch unvorhergesehene Witterungsverhältnisse, einstehen muss. Insoweit kommt es maßgeblich auf die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung an. Dem vorliegenden Vertrag hat der BGH nicht entnehmen können, dass es der Auftraggeberin oblegen hätte, für die Dauer des Herstellungsprozesses äußere Einwirkungen in Form von Frost, Eis und Schnee auf das zur Verfügung gestellte Baugrundstück abzuwehren. Eine ausdrückliche Regelung zu einer derartigen Mitwirkungshandlung haben die Parteien nicht getroffen. Auch eine konkludente Einigung in dieser Hinsicht konnte das Gericht dem Vertrag nicht entnehmen. Bei Frost, Eis und Schnee handelt es sich um Umstände, die von keiner Partei beeinflusst werden können. Darüber hinaus sind auch tatsächlich oder zumindest wirtschaftlich vernünftige Mittel gegeben, die es ermöglichen, diese Einwirkungen auf das Baugrundstück durch Schutzmaßnahmen abzuwehren. Deshalb kommt der Bundesgerichtshof zu dem Schluss, dass eine hierauf gerichtete Mitwirkungshandlung der Auftraggeberin nicht existiert. Es gibt auch keine darüber hinausgehende allgemeine Risikozuweisung zu Lasten des Auftraggebers betreffend der Auswirkung von außergewöhnlich ungünstigen Witterungseinflüssen auf das zur Verfügung zu stellende Baugrundstück.
Einen Anspruch gibt es auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Es liegt hier keine planwidrige Regelungslücke vor. In dem Vertrag waren zahlreiche Vereinbarungen hinsichtlich des Baus bei ungünstigen Witterungsverhältnissen enthalten. Keine sah jedoch monetäre Ansprüche des Auftragnehmers im Hinblick auf die entstehenden Mehrkosten bei Verlängerung der Ausführungszeit aufgrund witterungsbedingter Behinderung vor. Die Parteien haben vielmehr eine komplexe Risikoverteilung im Zusammenhang mit Auswirkungen von unvorhergesehenen Witterungseinflüssen vorgenommen, ohne dass dem Auftraggeber das Risiko für die vorliegend geltend gemachten Kosten auferlegt wurde.
Dem Urteil des Bundesgerichtshofes ist zuzustimmen. Interessant ist die Abgrenzung zu der Entscheidung des Senates vom 20. Oktober 2005 (AZ: VII ZR 190/02). Im dortigen Fall (Schürmann-Bau) ging es um die Unterbrechung der Bauausführung aufgrund eines unzureichenden Hochwasserschutzes. Anders als im vorliegenden Fall, war damals davon auszugehen, dass mit eintretendem Hochwasser gerechnet werden musste und dagegen geeignete Vorkehrungen getroffen werden konnten. Der Hochwasserschutz war aufgrund unzureichender Planung und Ausführung lückenhaft. Deshalb kam es zur Überflutung der Baustelle. Dem Auftraggeber wurde deshalb vorgehalten, dass er eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung nicht erbracht hatte.
Dr. Petra Christiansen-Geiss
Rechtsanwältin
23. Juni 2017
Blog-Beiträge nach Tätigkeitsgebieten
Letzte Posts
Archiv
-
2024
- April 2024 (2 Einträge)
- März 2024 (2 Einträge)
- Januar 2024 (2 Einträge)
-
2023
- Dezember 2023 (3 Einträge)
- November 2023 (2 Einträge)
- März 2023 (1 Eintrag)
- Februar 2023 (1 Eintrag)
-
2022
- Dezember 2022 (1 Eintrag)
- November 2022 (2 Einträge)
- Oktober 2022 (1 Eintrag)
- September 2022 (3 Einträge)
- August 2022 (1 Eintrag)
- Juli 2022 (2 Einträge)
- Juni 2022 (1 Eintrag)
- April 2022 (1 Eintrag)
- März 2022 (1 Eintrag)
- Januar 2022 (1 Eintrag)
-
2021
- November 2021 (1 Eintrag)
- Oktober 2021 (1 Eintrag)
- Juli 2021 (1 Eintrag)
- Juni 2021 (1 Eintrag)
- Mai 2021 (1 Eintrag)
- März 2021 (1 Eintrag)
- Januar 2021 (3 Einträge)
-
2020
- November 2020 (1 Eintrag)
- September 2020 (1 Eintrag)
- August 2020 (2 Einträge)
- Juli 2020 (1 Eintrag)
- Juni 2020 (1 Eintrag)
- Mai 2020 (2 Einträge)
- April 2020 (3 Einträge)
- März 2020 (16 Einträge)
- Februar 2020 (2 Einträge)
- Januar 2020 (3 Einträge)
-
2019
- November 2019 (1 Eintrag)
- Oktober 2019 (3 Einträge)
- August 2019 (2 Einträge)
- Juli 2019 (3 Einträge)
- Juni 2019 (1 Eintrag)
- Mai 2019 (1 Eintrag)
- April 2019 (1 Eintrag)
- Februar 2019 (3 Einträge)
- Januar 2019 (2 Einträge)
-
2018
- Oktober 2018 (2 Einträge)
- August 2018 (4 Einträge)
- Juli 2018 (5 Einträge)
- Juni 2018 (2 Einträge)
- Mai 2018 (3 Einträge)
- April 2018 (3 Einträge)
- März 2018 (2 Einträge)
- Februar 2018 (1 Eintrag)
- Januar 2018 (6 Einträge)
-
2017
- Dezember 2017 (2 Einträge)
- November 2017 (3 Einträge)
- September 2017 (2 Einträge)
- August 2017 (1 Eintrag)
- Juli 2017 (2 Einträge)
- Juni 2017 (3 Einträge)
- Mai 2017 (2 Einträge)
- April 2017 (4 Einträge)
- März 2017 (2 Einträge)
- Februar 2017 (2 Einträge)
- Januar 2017 (3 Einträge)
-
2016
- Dezember 2016 (2 Einträge)
- November 2016 (4 Einträge)
- Oktober 2016 (3 Einträge)
- September 2016 (3 Einträge)
- August 2016 (4 Einträge)
- Juli 2016 (6 Einträge)
- Juni 2016 (4 Einträge)
- Mai 2016 (5 Einträge)
- April 2016 (5 Einträge)
- März 2016 (10 Einträge)
- Februar 2016 (6 Einträge)
- Januar 2016 (9 Einträge)
-
2015
- Dezember 2015 (9 Einträge)
- November 2015 (4 Einträge)
- Oktober 2015 (5 Einträge)
- September 2015 (5 Einträge)
- August 2015 (3 Einträge)
- Juni 2015 (8 Einträge)
- April 2015 (2 Einträge)
- Januar 2015 (2 Einträge)
-
2014
- Dezember 2014 (2 Einträge)
- November 2014 (1 Eintrag)
- Mai 2014 (1 Eintrag)
- April 2014 (2 Einträge)
- Februar 2014 (3 Einträge)
- Januar 2014 (1 Eintrag)
-
2013
- November 2013 (1 Eintrag)
- Juni 2013 (3 Einträge)
- Mai 2013 (2 Einträge)
- April 2013 (1 Eintrag)
-
2012
- November 2012 (1 Eintrag)
- August 2012 (1 Eintrag)
- Juli 2012 (1 Eintrag)
- März 2012 (1 Eintrag)
- Januar 2012 (3 Einträge)
-
2011
- Dezember 2011 (1 Eintrag)
- November 2011 (1 Eintrag)
- Oktober 2011 (1 Eintrag)
- September 2011 (1 Eintrag)
- Juli 2011 (2 Einträge)
- Juni 2011 (2 Einträge)
- Februar 2011 (2 Einträge)
-
2010
- Juli 2010 (1 Eintrag)
- Juni 2010 (1 Eintrag)
- Mai 2010 (1 Eintrag)
- April 2010 (1 Eintrag)
- März 2010 (1 Eintrag)
- Februar 2010 (1 Eintrag)
-
2009
- Dezember 2009 (1 Eintrag)
- September 2009 (1 Eintrag)
- August 2009 (1 Eintrag)
- April 2009 (1 Eintrag)
- März 2009 (1 Eintrag)
- Januar 2009 (1 Eintrag)
-
2008
- Oktober 2008 (1 Eintrag)
- Mai 2008 (1 Eintrag)
- April 2008 (4 Einträge)
- März 2008 (2 Einträge)
- Februar 2008 (4 Einträge)
- Januar 2008 (6 Einträge)
-
2007
- Dezember 2007 (2 Einträge)
- November 2007 (2 Einträge)
- Oktober 2007 (2 Einträge)
- August 2007 (3 Einträge)
- Juli 2007 (1 Eintrag)
- Juni 2007 (1 Eintrag)
-
2006
- Juni 2006 (1 Eintrag)