Einmal ist doch nicht keinmal – BverfG kippt die 3-Jahres-Frist des BAG beim Vorbeschäftigungsverbot (BVerfG vom 06.06.2018 – 1 BvL 7/14)

1. Die Rechtslage bisher

Als der Gesetzgeber mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21. Dezember 2000 in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot einführte, um Arbeitnehmer vor Kettenbefristungen zu schützen und das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu sichern, traf dies nicht nur auf Zustimmung.

Arbeitgeber beklagten die Deflexibilisierung von Beschäftigung, die mit der Kontrolle des Verbotes einhergehenden Dokumentationsprobleme und Risiken in einem volatilen Arbeitnehmermarkt. Selbst auf Seiten der Arbeitnehmer war zu vernehmen, das Vorbeschäftigungsverbot beeinträchtige die Freiheit der Berufswahl und schränke Arbeitnehmer unnötig ein.

Mit Urteil vom 6. April 2011 (7 AZR 716/09) legte das BAG § 14 Abs. 2 S.2 TzBfG dann dahingehend aus, dass eine einschlägige Vorbeschäftigung dann nicht gegeben sei, wenn diese länger als drei Jahre zurückliege. Gründe der Praktikabilität und der Rechtssicherheit sowie der Gesetzeszweck, so das BAG, sprächen für ein entsprechendes Verständnis. Der Gesetzeszweck des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG schließlich sei im Kontext von § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG zu sehen. Die Möglichkeit für Arbeitgeber, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Arbeitsmarktbedingungen flexibel zu reagieren korrespondiere mit dem Interesse der an einer befristeten Beschäftigung als Alternative zur Arbeitslosigkeit und Brücke zur Dauerbeschäftigung. Der Sinn und Zweck der Vorschrift sei daher, sogenannte „Kettenbefristungen“ zu verhindern. Bei verfassungskonformer Auslegung werde diesem Zweck im Wege der rechtsfortbildenden Konkretisierung eine Wartephase, die der dreijährigen Verjährungsfrist entspreche, gerecht.

Diese Rechtsprechung des BAG wurde in jüngster Zeit mehr und mehr von Arbeitsgerichten in Frage gestellt (vgl. dazu unseren BLOG-Beitrag https://www.hwhlaw.de/hwh-blog/detail/droht-das-ende-der-sachgrundlosen-befristung-nach-lang-zurueckliegender-vorbeschaeftigung/).

2. Die Entscheidung des BVerfG

Das BVerfG hat am 6. Juni 2018 entschieden, dass § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfassungsgemäß ist und dessen Auslegung den aus der Vorschrift und den Gesetzesmaterialien hinreichend deutlich erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen darf.

Eine Auslegung im Sinne des BAG, so das BVerfG, laufe diesem Willen zuwider. Zwar seien die grundgesetzlich geschützten Interessen der Arbeitnehmer auf Berufswahlfreiheit und der Arbeitgeber auf freie wirtschaftliche Betätigung zu berücksichtigen. In Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis und dem Sozialstaatsprinzip seien die in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verkörperten gesetzgeberischen Zielsetzungen jedoch zumutbar.

Unzumutbar sei das Verbot nur dann, wenn die Gefahr einer Kettenbefristung nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies könne insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliege, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei.

In allen anderen Fällen dürfe das „klar erkennbare gesetzliche Regelungskonzept von den Fachgerichten nicht übergangen und durch ein eigenes Konzept ersetzt werden.“ (Pressemitteilungen des BVerfG, 06.06.2018, 1 BvL 7/14)

3. Und jetzt?

Üblicherweise findet sich an dieser Stelle unser „Praxistipp“. Dieser fällt allerdings so banal aus, dass wir uns heute auf eine Empfehlung beschränken: Sachgrundlose Befristungen mit Mitarbeitern, die bereits „zuvor“ beschäftigt waren, sind – wie bereits in unserem HWH-BLOG im November 2017 angekündigt – keine Option mehr.

Die von dem BVerfG skizzierten Ausnahmefälle „lang zurückliegend“ und „von sehr kurzer Dauer“ oder „ganz anders geartet“ (Nebenbeschäftigungen während der Schul- oder Studienzeit, Werkstudenten, berufliche völlige Neuorientierung) sind wenig praktisch relevant.

Die Gewährung von Vertrauensschutz für bestehende Arbeitsverhältnisse durch die Arbeitsgerichte ist äußerst fraglich (vgl. dazu unseren BLOG-Beitrag https://www.hwhlaw.de/hwh-blog/detail/droht-das-ende-der-sachgrundlosen-befristung-nach-lang-zurueckliegender-vorbeschaeftigung/).

Ob sich damit die Situation Arbeitsuchender verbessert, darf zumindest für die Privatwirtschaft bezweifelt werden. Für bestehende Arbeitsverhältnisse müssen andere Lösungen gefunden werden.

 

Hiltrud Kohnen
Rechtsanwältin
15. Juni 2018

weiterlesen

Allein auf hoher See: Die verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung

1. 
Der Fall „Emmely“ (BAG v. 10.6.2010 –  2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227) hat es ans Licht gebracht: Ein Diebstahl rechtfertigt nicht ohne weiteres eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung, wenn das Arbeitsverhältnis langjährig besteht. Zugegeben, es handelte sich um Pfandbons im Wert von 1,30 €. Andererseits war die Klägerin immerhin als Kassiererin im Einzelhandel in verantwortlicher Position tätig. Außerdem kennt das Arbeitsrecht eine (Un)Wertgrenze vergleichbar den „geringwertigen Sachen“ im Strafrecht (§ 248 a StGB) nicht. Diebstahl ist also „eigentlich“ Diebstahl und Straftat ist Straftat. Das BAG sieht dies indes gelegentlich anders. Der zuständige 2. Senat jedenfalls hat in dieser Entscheidung den schon bekannten Entscheidungsparametern – vielleicht ein klein wenig ergebnisorientiert – noch das sogenannte „Vertrauenskapital“ hinzugefügt: eine Art Vorrat für langjährig beschäftigte Mitarbeiter, der bei einem erstmaligen Verstoß, auch in Form einer Straftat, zunächst einmal aufgebraucht werden darf und muss. Dabei hat das BAG auch das Nachtat-Verhalten der Kassiererin betrachtet, die verschiedene, den Betriebsfrieden durchaus belastende mögliche Geschehensabläufe zu ihrer Entlastung vorgetragen hatte. Das BAG gelangte zu dem Ergebnis, dass auch dieses Verhalten keine andere Beurteilung rechtfertige und die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände unwirksam sei.

2. 
In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Verhalten eines Arbeitnehmers nach der Tat sowohl positiv durch die Einräumung der Tat und Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts oder das Bemühen um Wiedergutmachung als auch negativ durch das Leugnen der Tat oder die Begehung weiterer Täuschungshandlungen berücksichtigt werden kann. Grundsätzlich gilt aber als maßgeblicher Zeitpunkt sowohl für be- als auch entlastende Umstände der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Aber auch von dieser Regel gibt es Ausnahmen.

So hat das BAG in einer Entscheidung vom 20. November 2014 (2 AZR 651/13), die es sogar in die Boulevardblätter geschafft hat, die Kündigung eines seit rund 20 Jahren beschäftigten Kfz-Mechanikers wegen sexueller Belästigung der Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens für unwirksam erklärt. Der dortige Kläger hatte gegenüber der Frau geäußert, sie habe einen schönen Busen und diese dort berührt, sein Verhalten auf Aufforderung der Frau aber sofort unterlassen, dieses gegenüber dem Arbeitgeber auf späteren Vorhalt sofort eingeräumt, sich für sein Verhalten entschuldigt und erklärt, er schäme sich sehr, so etwas werde sich nicht wiederholen. Nach Ausspruch der fristlosen Kündigung hatte der Kläger auch noch ein Entschuldigungsschreiben an die Frau gesendet und dieser ein Schmerzensgeld gezahlt. Das BAG gab der Kündigungsschutzklage mit der Begründung statt, auch wenn entschuldigendes Verhalten erst unter dem Eindruck einer drohenden Kündigung gezeigt werde, könne es die Annahme, es bestehe keine Wiederholungsgefahr, jedenfalls dann stützen, wenn es sich um die Bestätigung einer bereits zuvor gezeigten Einsicht handele.

3. 
Das LAG Berlin-Brandenburg hatte in seinem Urteil vom 17. Mai 2017 (4 Sa 30/17) über die außerordentliche Kündigung einer Energiemanagerin im Außendienst zu entscheiden, die unter Verstoß gegen Compliance-Richtlinien des Arbeitgebers und unter Nichtbeachtung verschiedener abschlägiger Hinweise und Stellungnahmen u.a. der Rechtsabteilung des Arbeitgebers auf ihre entsprechenden Nachfragen hin dem Geschäftsführer eines Kunden für den Abschluss eines Energieversorgungsvertrages mit dessen Unternehmen auf dessen nachhaltiges Drängen einen Bonus für die Energieversorgung seines Privathauses gewährt hatte. Die Klägerin erhielt eine erfolgsabhängige Vergütung bei Erreichung bestimmter Vertriebsziele und stand wegen des Kunden-Bonus auch im Kontakt mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, der zunächst noch versucht hatte, die Zahlung des Bonus durch interne Absprachen zu unterstützen, die Zahlung aber letztlich nicht ausdrücklich genehmigt hatte. Vor Ausspruch der Kündigung nahm die Klägerin auf Aufforderung des Arbeitgebers zweimal unter Verweis auf den umfangreichen Emailverkehr schriftlich Stellung zum Sachverhalt und erklärte ihre umfassende Bereitschaft zur Aufklärung. Der Arbeitgeber wertete das Verhalten der Klägerin – nicht ganz zu Unrecht – als Bestechung und verwies auf seine „Null-Toleranz-Strategie“ in diesen Dingen.

Im Rahmen des Verfahrens hat die Klägerin einen Verstoß gegen die Verhaltens- und Compliance-Regelungen des Arbeitgebers zugestanden,  jedoch die Verantwortung sowohl für die aktive Planung als auch die interne Abstimmung des Vorhabens allein bei ihrem Vorgesetzten gesehen. Ihr sei vorzuwerfen, nicht den Mut gehabt zu haben, sich dem allgemeinen Druck zu widersetzen.
Das LAG hat die erstinstanzliche Entscheidung, die bereits der Kündigungsschutzklage der Klägerin stattgegeben hatte, bestätigt. Zwar rechtfertige das Verhalten der Klägerin „an sich“ eine Kündigung wegen erwiesener Tat. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände im Einzelfall sei die Kündigung aber unverhältnismäßig und damit sozial ungerechtfertigt. Denn die Klägerin habe angesichts des geradezu impertinenten Drucks, den der Geschäftsführer des Kunden durch die Drohung der Verweigerung eines Vertragsschlusses für sein Unternehmen ohne den Bonus für sein Privathaus, ausgeübt habe, unter erheblichem Druck gestanden. Auch dass die Klägerin vor Einräumung des Bonus das ausdrückliche Einverständnis des Vorgesetzten nicht eingeholt habe, rechtfertige die Kündigung nicht. Und schließlich habe die Klägerin in ihren Stellungnahmen nach der Tat auch nicht versucht, einen Verdacht haltlos auf andere Mitarbeiter abzuwälzen oder ihren Verstoß zu vertuschen.

Bei der Entscheidung handelt es sich zweifellos um eine Einzelfallentscheidung, worauf das LAG auch abhebt. Unabhängig von der Frage aber, welche Schlüsse Arbeitgeber aus dem Umstand ziehen sollten, dass der massive Druck eines Kunden mit etwas Pech die Gewährung von strafrechtlich relevanten Vorteilen rechtfertigen könnte, ist bemerkenswert, dass das LAG das Nachtat-Verhalten der Klägerin sehr großzügig und etwas einseitig zu deren Gunsten auslegt. Bei der nachgewiesenen Tat dürfte Arbeitnehmern – anders als im Fall der Verdachtskündigung – selten etwas anderes übrig bleiben, als die Vorwürfe einzuräumen, um zu retten, was noch zu retten ist. Ein durch die Umstände erzwungenes Nachtatverhalten ist aber „neutral“ und kann nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers interpretiert werden. Dass die Klägerin mit ihren Stellungnahmen aus einem Verdacht erst Gewissheit werden ließ, ist nicht ersichtlich.

Der Umstand wiederum, dass sich die Klägerin während des Verfahrens auf ihre Angst vor ihrem Vorgesetzten berief und die Schuld bei diesem suchte, verdichtet die erfolgreiche Verteidigungsstrategie der Klägerin zu einer Art persönlichem Notstand: Branchen- bzw. Kundendruck einerseits und Erwartungen des Vorgesetzten andererseits rechtfertigen strafbare oder jedenfalls verbotene Handlungen selbst dann, wenn diese zuvor ausdrücklich untersagt wurden.

Bleibt zu hoffen, dass der – komplexe – Sachverhalt zu Gunsten der Klägerin und zur Rechtfertigung der Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des LAG erleuchtende Elemente enthält, die nicht in den Entscheidungsabdrucken veröffentlicht wurden. Ansonsten läge wieder ein Beispiel aus der Kategorie „unverständliche Rechtsprechung“ vor.


Hiltrud Kohnen
Rechtsanwältin
5. April 2018

weiterlesen

Droht das Ende der sachgrundlosen Befristung nach lang zurückliegender Vorbeschäftigung?

Nach einer Entscheidung des LAG Hessen (Urteil v. 11.07.2017 – 8 Sa 1578/16)  steht jede Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber einer Befristung ohne Sachgrund  entgegen. Auch das LAG Hessen stellt sich damit gegen den 7. Senat des BAG.

1. Das Problem
Das unbefristete Arbeitsverhältnis soll in Deutschland nach wie vor den Normalfall der Beschäftigung sein, der Abschluss von befristeten Arbeitsverhältnissen eigentlich die Ausnahme bleiben.
Bereits mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985 hat der Gesetzgeber aber die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung geschaffen, um Unternehmen flexible Reaktionen auf unsichere und schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen zu reagieren und Arbeitnehmern einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Galt das sogenannte Anschlussverbot damals noch für befristete Einstellungen mit einem Abstand von weniger als 4 Monaten zu einer Vorbeschäftigung, kam mit der Einführung von  § 14 Abs. 2 TzBfG im Jahr 2001 ein absolutes Anschlussverbot für jeden Fall der Vorbeschäftigung.


Im Jahr 2011 urteilte dann der unter anderem für Befristungsfragen zuständige 7. Senat des BAG in einer in Rechtsprechung und Literatur viel kritisierten, in der Praxis aber begrüßten  Entscheidung, dass ein absolutes Verbot sachgrundloser Befristungen nach einer „Zuvor-Beschäftigung“ dem arbeitsmarktpraktischen Zweck der Befristung und der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer widerspreche. Der Senat legte die Regelung des § 14 Abs. 2 TzBfG so aus, dass eine sachgrundlos befristete Anschlussbeschäftigung nach einer Vorbeschäftigung, die länger als drei Jahre zurückliege, zulässig sei (BAG, Urteil v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09).


2. Die Entscheidung
Das LAG Hessen hat sich in seinem Urteil vom 11.07.2017 (Az. 8 Sa 1578/16) erneut mit der Frage der „Zuvor-Beschäftigung‘“ auseinandergesetzt.  
Die Klägerin in dem dortigen Verfahren war bei der Beklagten zunächst vom 01.02.2005 bis zum 31.12.2008 beschäftigt. Ab dem 01.07.2014 wurde sie erneut befristet bis zum 30.06.2015 eingestellt, die Befristung erfolgte sachgrundlos gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG. Mit Änderungsvereinbarung vom 09.04.2015 vereinbarten die Parteien die weitere Beschäftigung der Klägerin bis zum 30.06.2016. Die Klägerin hat daraufhin Entfristungsklage erhoben.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die letzte sachgrundlose Befristung unwirksam. Der Zulässigkeit einer weiteren sachgrundlosen Befristung stehe die Vorbeschäftigung der Klägerin bei der Beklagten in dem Zeitraum vom 01.02.2005 bis zum 31.12.2008 entgegen. Die Formulierung „bereits zuvor“ in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG enthalte ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot. Die Klägerin könne daher wegen der Rechtsunwirksamkeit der Befristung von der Beklagten verlangen, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Befristungskontrollklage vorläufig weiterbeschäftigt zu werden.


Zur Begründung führt das LAG Hessen aus, der Wortsinn sei eindeutig. „Bereits zuvor“ bedeute, dass jedes frühere Arbeitsverhältnis der Befristung entgegenstehe, gleich ob es erst wenige Tage oder viele Jahre zuvor beendet worden sei. Wenn der Gesetzgeber auf einen unmittelbar vor Abschluss des befristeten Vertrages bestehenden Zeitraum habe abstellen wollen, habe er dies im TzBfG auch ausdrücklich so formuliert, etwa in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TzBfG („Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder an ein Studium“) oder in § 14 Abs. 3 S. 1 TzBfG („unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos“).


Außerdem verstehe der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung unter dem Begriff der „Neueinstellung“ die „erstmalige Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber“. Auch der Normzweck gebiete die Interpretation als zeitlich unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot, da die Einschränkung der erleichterten Befristung von Arbeitsverträgen den Ausschluss der „theoretisch unbegrenzt möglichen Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge“ bezwecke. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle dies dadurch erreicht werden, dass die erleichterte Befristung eines Arbeitsvertrages nur bei einer Neueinstellung zugelassen werde.


Da die Entscheidung des LAG  ausdrücklich von der Grundsatzentscheidung des BAG vom 06.04.2011 abweicht, hat das LAG zu der Frage, ob vom Vorbeschäftigungsverbot ohne zeitliche Einschränkung jegliches vorangegangene Arbeitsverhältnis erfasst wird, die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das Urteil des LAG Hessen liegt damit auf der Linie bereits ergangener Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Niedersachsen und Baden-Württemberg aus 2016 und 2017, die in gleicher Weise entschieden und ebenfalls die Revision zugelassen haben. Das Arbeitsgericht Braunschweig hat eine Entfristungsklage zur gleichen Frage ausgesetzt und eine Entscheidung des BVerfG eingeholt (Beschluss v. 03.04.2015 – 5 Ca 463/13). Weder über die Revisionen noch über die vorgelegte Frage des Arbeitsgerichts Braunschweig ist bislang entschieden. Allerdings hat der Vorsitz des 7. Senats zum 01.10.2014 gewechselt.

3. Praxistipp:
Sollte es zu einer Rechtsprechungsänderung des 7. Senats kommen, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf solche sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse haben, die zwischenzeitlich im Vertrauen auf die Entscheidung des BAG vom 06.04.2011 mit bereits zuvor bei dem betreffenden Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmern abgeschlossen wurden.


Das BAG geht nämlich grundsätzlich davon aus, dass auch die Änderung einer lange geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung Rückwirkung entfaltet. Eine Einschränkung der Rückwirkung sei nur dann vorzunehmen, wenn die von der Rückwirkung betroffene Partei auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte und die Anwendung der geänderten Auffassung wegen ihrer Rechtsfolgen eine unzumutbare Härte bedeuten würde (BAG, Urteil vom 23.03.2006 - 2 AZR 343/05).
Die Gewährung von Vertrauensschutz ist nach dem BVerfG allerdings dann nicht geboten, wenn die Rechtsprechungsänderung hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Dies soll der Fall sein, wenn die Rechtsprechung, von der abgewichen werden soll, auf so erhebliche Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen konnte (BVerfG, Beschluss vom 18.10.2012 - 1 BvR 2366/11, Beschluss vom 26.06.1991 - 1 BvR 779/85).


Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung des BVerfG hat das LAG Niedersachen in einem gleichgelagerten Sachverhalt (Urteil vom 20.07.2017 - 6 Sa 1125/16) die Gewährung von Vertrauensschutz ausdrücklich abgelehnt. Das LAG Niedersachsen hat argumentiert, das Urteil des BAG vom 06.04.2011 sei von Anfang an deutlicher Kritik in Rechtsprechung und Literatur ausgesetzt gewesen. Jedenfalls im Januar 2016 habe die dortige Beklagte aufgrund der Vorlageentscheidung des ArbG Braunschweig und der Zulassung der Revision durch mehrere Landesarbeitsgerichte, welche von der Entscheidung des BAG abgewichen waren, nicht mehr in die unveränderte Fortgeltung der Rechtsprechung des BAG vertrauen dürfen.


Sollte das BAG seine Rechtsprechung nunmehr ändern und aus den vorgenannten Gründen von der Gewährung von Vertrauensschutz absehen, wird der betroffene Arbeitgeber die Befristung auch nicht stets dadurch „retten“ können, dass er sich alternativ auf das tatsächliche Vorliegen eines Befristungsgrundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG bei Vertragsschluss berufen kann (BAG, Urteil vom 29.06.2011 - 7 AZR 774/09). Da eine Unwirksamkeit der Befristung zur Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses führt, empfehlen wir, bis zur endgültigen Klärung der Frage durch das BAG mit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen im Falle einer Vorbeschäftigung - auch wenn diese länger als 3 Jahre zurückliegt - zurückhaltend umzugehen.

Hiltrud Kohnen
Rechtsanwältin

Kevin Woicke
Rechtsanwalt
27. November 2017

weiterlesen

Das Praktikum vor dem Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses – Eine verlängerte Probezeit?

Berufsausbildungsverhältnisse sind vom Ausbilder nur während der maximal viermonatigen Probezeit (jederzeit) kündbar, danach bedarf eine Kündigung eines sogenannten wichtigen Grundes. Zweifel an der Befähigung des Auszubildenden gehen also zu Lasten des Ausbilders. Das BAG hat jetzt in einer aktuellen Entscheidung offenbar eine Möglichkeit zur intensiveren Erprobung, die bislang streitig war, eröffnet: Das vorgeschaltete Praktikum (BAG, Urteil v. 19. November 2015, 6 AZR 844/14). Bis zur Abfassung dieses Beitrags lag nur die Pressemitteilung vor.

Berufsausbildungsverhältnisse beginnen gem. § 20 BBiG mit der Probezeit, die mindestens einen Monat muss und höchstens vier (früher drei) Monate betragen darf. Während dieser Zeit ist das Ausbildungsverhältnis gem. § 22 Abs. 1 BBiG jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar. Nach der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis von Seiten des Ausbilders gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Für eine solche Kündigung aus wichtigem Grund liegt die Messlatte aber hoch: Arbeitsgerichte und Literatur sind sich einig, dass an die Anforderungen an die Kündigungsgründe wegen der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Fähigkeiten des Auszubildenden strengere Maßstäbe als an die Kündigung eines erwachsenen Arbeitnehmers zu stellen sind. Außerdem gewinnt das Interesse des Auszubildenden an der Aufrechterhaltung des Ausbildungsverhältnisses mit fortschreitender Dauer der Ausbildung immer mehr an Gewicht (statt vieler z.B. LAG Köln, Urteil v. 8.1.2003 – 7 Sa 852/02 m.w.N.). Ob eine Probezeit von vier Monaten den oft komplexen Anforderungen an die Fähigkeiten des Auszubildenden in modernen Ausbildungsberufen aber in allen Fällen gerecht wird, darf bezweifelt werden. Abgesehen von wenigen tariflichen Ausnahmeregelungen in vom Anwendungsbereich des BBiG gem. § 3 Abs. 2 BBiG ausgenommenen Bereichen (so z.B. im öffentlichen Dienst gem. § 3 Abs. 1 Ausbildungstarifvertrag TVöD-Pflege: 6 Monate), die eine längere Probezeit zulassen, muss der Ausbilder daher spätestens kurz vor dem Ablauf von vier Monaten entscheiden, ob nach seinem Eindruck der Auszubildende das Ausbildungsverhältnis erfolgreich absolvieren kann oder will.

Das Bedürfnis nach erweiterten „Erprobungsmöglichkeiten“ stellt sich deshalb insbesondere in einarbeitungsintensiven oder solchen Ausbildungsberufen, die besondere Fähigkeiten erfordern (z.B. die Ausbildung zum Fluglotsen mit ihren Anforderungen an Merk- und Konzentrationsfähigkeit und die Stressresistenz) oder für überdurchschnittlich verantwortungsvolle Tätigkeiten qualifizieren sollen. Die Möglichkeiten für den Ausbilder sind allerdings beschränkt: Eine – auch einvernehmliche – Verlängerung der Probezeit über die Höchstdauer von vier Monaten hinaus ist gem. § 25 BBiG nichtig. Nur im Falle einer Unterbrechung der Ausbildung z.B. wegen einer längeren Erkrankung ist die Vereinbarung einer Verlängerung um den der Fehlzeit entsprechenden Zeitraum zulässig. Dies gilt aber nur, wenn die Unterbrechung mindestens ein Drittel der Probezeit ausgemacht hat und sie nicht von dem Ausbilder selbst vertragswidrig herbeigeführt wurde (BAG, Urteil v. 15.1.1981 – 2 AZR 943/78).

Zulässig war auch bislang schon eine Probezeit im Rahmen eines an ein Arbeitsverhältnis anschließendes Ausbildungsverhältnis, da die in dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit nicht auf die Probezeit anzurechnen ist (BAG, Urteil v. 16.12.2004 – 6 AZR 127/04). Der dortige Kläger war zunächst als Hilfskraft im Verkauf beschäftigt und begann dann bei der Beklagten ein Ausbildungsverhältnis zum Kaufmann im Einzelhandel, das nach zwei Monaten während der Probezeit gekündigt wurde. Das BAG argumentierte, dass sich die Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis einerseits und einem Berufsausbildungsverhältnis andererseits grundlegend unterschieden.

Unklar war aber bisher, ob eine Vorbeschäftigung als Praktikant unmittelbar vor Beginn der Ausbildungszeit anzurechnen ist, wenn der Zweck des Kennenlernens mit der Probezeit identisch ist (Ja: LAG Berlin, Urteil v. 12.10.1998 – 2 Ca 52092/97; ArbG Wiesbaden, Urteil v. 17.1.1996 – 6 Ca 3242/95; Nein: ArbG Duisburg, Urteil v. 19.2.2009 – 1 Ca 3082/08). Dies hat das BAG jetzt anhand Falles ebenfalls aus dem Bereich des Einzelhandels klar gestellt: Dort hatte sich der Kläger im Frühjahr 2013 bei der Beklagten um eine Ausbildungsstelle als Einzelhandelskaufmannbeworben und einen Ausbildungsvertrag zum 1. August erhalten. Zur Überbrückung schlossen die Parteien einen „Praktikantenvertrag“ bis zum 31. Juli. Die Beklagte kündigte das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 29. Oktober zum gleichen Tag. Bereits die Vorinstanzen (u.a. LAG Hamm, Urteil v. 30.7.2014 – 3 Sa 523/14) hatten die Klage abgewiesen. Das BAG folgte dieser Auffassung und bestätigte, dass die Praktikumszeit nicht anzurechnen sei. Dies gelte auch, so das BAG unter Hinweis auf die Entscheidung vom 16.12.2004 (6 AZR 127/04), wenn es sich nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte.

Der Praxistipp

Ob und mit welcher Begründung das BAG die Anrechenbarkeit eines vorgeschalteten Praktikums auch für diejenigen Fälle verneint hat, in denen die wechselseitigen Rechte und Pflichten identisch zu sein scheinen, muss bis zur Absetzung der Entscheidungsgründe offen bleiben. Dafür spricht aber zum einen die Verweisung des BAG auf die Entscheidung aus dem Jahr 2004 zu einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis. Zum anderen gilt auch im Verhältnis des Praktikums zum Berufsausbildungsverhältnis ebenso wie bei einem Arbeitsverhältnis und gerade auch unter Berücksichtigung des Mindestlohngesetzes am 16. August 2014, dass sich die Erbringung von Arbeitsleistungen einerseits und das Erlernen von Kenntnissen und Fertigkeiten andererseits grundlegend unterscheiden. Wenn sich diese Einschätzung aber bestätigt, ist diese Möglichkeit in der betrieblichen Praxis nicht zu unterschätzen. Ausufernden Praktikumsverhältnissen beugt das MiLOG in ausreichendem Maße vor.

Hiltrud Kohnen
Rechtsanwältin
17. Dezember 2015

weiterlesen

Mein Bild gehört mir!

Die Nutzung von Bildern und Videoaufnahmen von Arbeitnehmern durch das Unternehmen

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ – getreu diesem so einprägsamen wie richtigen Mantra des Marketings versuchen Unternehmen, positive Informationen über ihre Leistungen und Werte durch Fotografien und Videoclips zu transportieren. Vom Handwerksbetrieb bis zum internationalen Konzern wird umfänglich bebildert – meist aufgelockert oder versinnbildlicht durch Personen. Wenn es sich dabei aus Kostengründen oder der größeren Authentizität wegen um eigene Mitarbeiter handelt, stellt sich für den Arbeitgeber die Frage: Darf ich Fotos und Aufnahmen von Mitarbeitern verwenden? Und wenn ja, wie lange?

Das BAG hat in zwei grundlegenden Entscheidungen (BAG, Urt. V. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13 und BAG, Urt. V. 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13) die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber (AG) und Arbeitnehmer (AN) aufgearbeitet. Kern der Entscheidungen ist, unter welchen Bedingungen dem Arbeitgeber die Nutzung von Bildmaterial, auf dem AN abgebildet sind, überhaupt gestattet ist und ob eine berechtigte Nutzung von dem Arbeitnehmer später widerrufen werden kann.

In beiden Fällen hatte der AG eine Namensliste herumgereicht, auf dem sich auch die späteren Kläger durch Unterschrift mit der Nutzung eines Videos auf der Unternehmenshomepage einverstanden erklärt hatten. Die AN waren in einzelnen Bildsequenzen für wenige Sekunden erkennbar. Beide Mitarbeiter klagten nach ihrem Ausscheiden und dem erfolglosen Widerruf der Nutzung gegen den AG auf Unterlassung und Schadensersatz. Das BAG hat die vorangegangenen Entscheidungen des LAG Rheinland-Pfalz bestätigt und beide Klagen abgewiesen.

Die Entscheidungsgründe:

Das BAG stellt zunächst fest, dass das KunstUrhG als spezielleres Gesetz dem BDSG vorgeht. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich auch aus dem KunstUrhG für die Kläger jedoch nicht. Denn die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen sei nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH zum sogenannten abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KunstUrhG zu beurteilen. Danach komme eine Tangierung von Persönlichkeitsrechten nur dann in Betracht, wenn

1. die abgebildete Person überhaupt erkennbar und individualisierbar sei, in diesem Fall

2.  die Person nicht nur auf „Bildern“ als Beiwerk einer Landschaft, Örtlichkeit oder Versammlung fungiere oder eine Person der Zeitgeschichte sei, deren berechtigte Interessen nicht verletzt würden („Caroline von Hannover“, BGH, Urt. v. 06.03.2007 – VI ZR 51/06) und

3.  eine Einwilligung vorliege.

Das BAG hält fest, dass die Kläger auf – wenn auch wenigen und kurzen – Bildsequenzen zu erkennen und identifizieren seien, so dass eine Persönlichkeitsrechtsverletzung jedenfalls nicht bereits in der ersten Prüfungsstufe ausgeschlossen sei. Auf die Frage, ob es sich bei den Gruppenaufnahmen um „Bilder“ handele, komme es nicht an, da jedenfalls die – bei verfassungskonformer Auslegung von § 22 KunstUrhG notwendig schriftliche – Einwilligung der Kläger durch Unterzeichnung der Namensliste vorgelegen habe. Zu den sog. Personen der Zeitgeschichte gehörten die Kläger erkennbar nicht (interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Teilnahme an regelmäßig öffentlich veranstalteten Festen deren Besucher zu Personen der Zeitgeschichte machen, vgl. z.B. BGH, Urt. v. 08.04.2014 – VI ZR 197/13, jährliches Mieterfest einer Genossenschaft).

Eine Einwilligung – so das BAG weiter – werde grundsätzlich unbefristet erteilt und erlösche auch nicht zwangsläufig mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Dies gelte jedenfalls für Bilder und Filme, die Veranschaulichkeitszwecken und nicht der individuellen Darstellung des AN dienten. Die Einwilligung könne aber widerrufen werden, wenn hierfür ein „plausibler“ Grund vorliege. Diese Plausibilität ergebe sich aus einer Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des AN und dem Verwertungsinteresse des AG. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne einen plausiblen Grund darstellen, wenn der AN für eine individuelle Aufnahme keine Vergütung erhalten habe und mit dieser im Unternehmen weiterhin geworben werde. Sei – wie in den entschiedenen Fällen – der AN Bestandteil einer Gruppe, sein Name unbekannt und werde nicht der Eindruck erweckt, die Aufnahme zeige die aktuelle Belegschaft, sei eine Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht gegeben.

Der Praxistipp:

Die Verwendung von Fotos oder Videoaufnahmen von Arbeitnehmern sollte im Zweifel mit einer schriftlichen Einwilligung abgesichert werden. Ist beabsichtigt, die Aufnahmen für eine Vielzahl von Verwendungszwecken zu nutzen (Firmenbroschüre, Internetauftritt, Werbeauftritt), muss die Einwilligung die beabsichtigten sowie ggfs. zukünftig geplanten Zwecke umfassen.

Hiltrud Kohnen
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
1. November 2015

weiterlesen

Bau-Tarifkonflikt bis März 2013 geschlichtet

Unter dem Vorsitz des ehemaligen Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement ist die Schlichtung im Bau-Tarifkonflikt zu Ende gegangen. Für die Annahme oder Ablehnung des Ergebnisses haben die IG BAU und die Arbeitgeberverbände (HDB sowie der ZDB) eine Erklärungsfrist bis zum 28. April 2011.

Es wurde im Einzelnen für eine Laufzeit vom 1. April 2011 bis 31. März 2013 folgendes vereinbart:

  • Im Westen sollen die Entgelte nach einem Nullmonat im ersten Schritt ab 01.05.2011 um 3,0 Prozent steigen; in einem zweiten Schritt nach einem weiteren Nullmonat um 2,3 Prozent ab 01.06 2012. Hinzu kommt eine Komponente von 0,3 Prozent zur Alterssicherung.
  • Im Osten sollen die Entgelte nach zwei Nullmonaten im ersten Schritt ab 01.06.2011 um 3,4 Prozent steigen; in der zweiten Stufe nach wiederum zwei Nullmonaten um 2,9 Prozent ab 01.08.2012.

Hiltrud Kohnen
Frank Siegburg
Rechtsanwälte

Hinweis:
Wir senden Ihnen gerne künftig die praxisrelevanten arbeitsrechtlichen Entwicklungen per E-Mail. Bei Interesse wären wir für eine kurze Rückmeldung bei Frau Heike Kambeck unter kh@hwhlaw.de dankbar.

weiterlesen

Arbeitsrecht aktuell – Urlaubsansprüche bei Krankheit: BAG folgt EuGH

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Sache Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 schlägt das Arbeitsrecht in Deutschland wieder einmal hohe Wellen.

Der EuGH hatte entschieden, dass nationale Rechtsvorschriften Ansprüche von Arbeitnehmern auf die Erteilung von Jahresurlaub auch bei lang andauernder Erkrankung nicht entgegen der Richtlinie 2003/88/EG ausschließen dürfen. Bislang hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG so ausgelegt, dass der Verfall von Urlaubsansprüchen am 31. März des Folgejahres wegen lang andauernder Erkrankung auch die finanzielle Abgeltung nicht genommenen Urlaubes ausschließe.

In seiner Pressemitteilung-Nr. 31/09 vom 24. März 2009 zum Urteil vom gleichen Tag hat das BAG jetzt angekündigt, mit Rücksicht auf die Entscheidung des EuGH an dieser Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten. In dem entschiedenen Fall hat das BAG der Klägerin die Abgeltung von Urlaubsansprüchen auch aus den Vorjahren trotz lang andauernder Erkrankung zugesprochen.

Wie der nationale Gesetzgeber reagieren wird, ist offen. Da der EuGH zwischen "Erholungsurlaub" und "Gesundheitsurlaub" unterscheidet, bestünde z. B. die Möglichkeit die Anrechnung von Tagen der Arbeitsunfähigkeit auf den Erholungsurlaub einzuführen, die bislang durch § 9 BUrlG ausgeschlossen ist.

Wir empfehlen bis zur Klärung der offenen Fragen die Bildung von Rückstellungen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 29. August 2007 - 7 Sa 673/07

Hiltrud Kohnen
Rechtsanwältin

Hinweis: Wir senden Ihnen gerne künftig die praxisrelevanten arbeitsrechtlichen Entwicklungen per E-Mail. Bei Interesse wären wir für eine kurze Rückmeldung bei Frau Heike Kambeck unter kh@hwhlaw.de dankbar.

weiterlesen

BAG: Schaffung einer "Rentnergesellschaft" durch Ausgliederung eines Betriebsteils nach dem Umwandlungsgesetz

Durch Ausgliederung eines Betriebsteils inklusive der dortigen Versorgungsverbindlichkeiten und späterer weiterer Ausgliederung der "aktiven Geschäftsbereiche" kann eine Rentnergesellschaft entstehen, welche lediglich dem Zweck dient, die betriebliche Altersversorgung abzuwickeln. - BAG, Urteil vom 11. März 2008 - 6 AZR 358/06

Der Entscheidung des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Betriebsteil der Beklagten, in welchem der Kläger vor seiner Verrentung beschäftigt war, wurde inklusive der bestehenden Versorgungsverbindlichkeiten ausgegliedert. Bei der aufnehmenden Gesellschaft fand nach einigen Monaten ebenfalls eine Ausgliederung statt, durch welche in diesem Fall nur die "aktiven Geschäftsteile" übertragen wurden.

Zurück blieben in der ursprünglich aufnehmenden Gesellschaft die Versorgungsverbindlichkeiten. Im Ergebnis entstand durch diese beiden Maßnahmen eine "Rentnergesellschaft", welche keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke verfolgte, sondern lediglich dazu diente, die betriebliche Altersversorgung abzuwickeln. Da der Kläger befürchtete, die Rentnergesellschaft sei nicht ausreichend ausgestattet, ihren Verbindlichkeiten aus den Versorgungsverhältnissen nachzukommen, erhob er Klage bei dem Arbeitsgericht Köln und beantragte festzustellen, dass sein Versorgungsverhältnis mit der Gesellschaft, bei der er beschäftigt war, fortbestehe.

Mit Urteil vom 11. März 2008 entschied das BAG, dass das Versorgungsverhältnis des Klägers mit der Ausgliederung des Betriebsteils gemäß § 613 a BGB auf die aufnehmende Gesellschaft, welche später zur "Rentnergesellschaft" wurde, übergegangen sei. Auf diesen Fall sei § 4 BetrAVG (Übertragung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses) nicht anwendbar.

Auch ein Widerspruchsrecht, wie § 613 a BGB es für Arbeitnehmer hinsichtlich des Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Betriebsübergangs vorsieht, stehe dem Kläger nicht zu, da Voraussetzung hierfür ein bestehendes Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs sei. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Übergangs jedoch bereits Betriebsrentner, so dass er den wirksamen Übergang seines Versorgungsverhältnisses auf die übernehmende Gesellschaft, die spätere "Rentnergesellschaft" nicht verhindern konnte.

Allerdings hielt das BAG fest, dass den früheren Arbeitgeber die Nebenpflicht treffe, die "Rentnergesellschaft" – auch wenn sie in mehreren Schritten geschaffen worden sei – als neue Versorgungsschuldnerin ausreichend auszustatten. Sie müsse nicht nur in die Lage versetzt werden, die laufenden Betriebsrenten zu erfüllen, sondern auch, die Betriebsrenten nach § 16 Abs. 1 BetrAVG anzupassen.

Empfehlung: Bei geplanter Veräußerung eines Betriebsteils kann diese Vorgehensweise dem Veräußerer die Möglichkeit bieten, die Übertragung des Betriebsteils ohne zusätzlichen Aufwand für die Übernahme von Versorgungs- und Anwartschaftsansprüchen durch den Erwerber zu organisieren.

Hiltrud Kohnen
Uta Hesemann
Rechtsanwältinnen

weiterlesen

Krankheitsbedingte Kündigung – Betriebliches Eingliederungsmanagement

Eine krankheitsbedingte Kündigung ohne vorherige Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX ist nicht unwirksam, kann aber Folgen für die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bzgl. der betrieblichen Auswirkungen der erheblichen Fehlzeiten haben. – BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 – 2 AZR 716/06

Im Falle einer länger als sechswöchigen ununterbrochenen oder wiederholten Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers innerhalb eines Jahres hat der Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX mit der zuständigen Interessenvertretung mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden, mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement = BEM).

Hierbei handelt es sich – wie das BAG mit Urteil vom 12. Juli 2007 entschieden hat – um keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine personenbedingte Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen. Das Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements alleine kann daher nicht der Wirksamkeit der personenbedingten Kündigung entgegenstehen. Dennoch bleibt das fehlende Eingliederungsmanagement in einem eventuell folgenden Kündigungsschutzprozess nicht folgenlos:
Unterlässt der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements, kann dies im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu einer Verschärfung der Darlegungs- und Beweislast führen.

Empfehlung: Vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung aufgrund krankheitsbedingter Gründe sollte in jedem Fall ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden. Andernfalls besteht die Gefahr in einem folgenden Kündigungsschutzverfahren alleine deswegen zu unterliegen, weil die pauschale Berufung des Arbeitgebers auf fehlende leidensgerechte Einsatzmöglichkeiten ohne BEM nicht ausreicht.

Hiltrud Kohnen
Uta Hesemann
Rechtsanwältinnen

weiterlesen

BAG: Geschäftsführerdienstvertrag – Aufhebung des Arbeitsverhältnisses

Mit Entscheidung vom 19. Juli 2007 hat das Bundesarbeitsgericht letzte Unklarheiten bzgl. der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags beseitigt.
In neuerer Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht stets davon aus, dass der Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages mit einem bisherigen Arbeitnehmer das bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Arbeitsverhältnis nicht – entsprechend der älteren Rechtsprechung des BAG – bis zur Beendigung des Geschäftsführerdienstverhältnisses ruhen und danach wieder aufleben lässt, sondern im Zweifel beendet. Solange nicht besondere Umstände vorliegen, aus denen sich etwas anderes ergibt, wird vermutet, dass die Parteien das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beenden wollten.

Mit der oben zitierten Entscheidung hat das BAG nun klargestellt, dass sich auch aus der im Rahmen der AGB-Prüfung zu berücksichtigenden Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB, der seit der Schuldrechtsreform über § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB auch auf vorformulierte Arbeitsverträge Anwendung findet, nichts anderes ergibt.

Auch eventuell bestehende Zweifel, ob die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags dem für Auflösungsverträge erforderlichen Schriftformerfordernis gemäß § 623 BGB entspricht, hat das BAG ausgeräumt. So heißt es in der Pressemitteilung des BAG: "Durch den schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag wird das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag gewahrt."

Empfehlung: Wurde ein ehemaliger Arbeitnehmers zum Geschäftsführer bestellt, wird grundsätzlich vermutet, dass das Arbeitsverhältnis mit Abschluss des schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrags einvernehmlich beendet wurde. Nachdem jedoch bei Vorliegen bestimmter Umstände von dieser Vermutung abgewichen werden kann, bleibt der Abschluss eines schriftlichen Aufhebungsvertrags oder einer entsprechenden Klausel im Geschäftsführerdienstvertrag zur Vermeidung eventueller Unklarheiten weiterhin empfehlenswert.

Hiltrud Kohnen
Uta Hesemann
Rechtsanwältin

weiterlesen

Blog-Beiträge nach Tätigkeitsgebieten

Archiv

Standorte

Köln
Sachsenring 69
D-50677 Köln
T +49 221 / 92 081-0
F +49 221 / 92 081-91
koeln@hwhlaw.de

Leipzig
Beethovenstraße 35
D-04107 Leipzig
T +49 341 / 71 04-4
F +49 341 / 71 04-600
leipzig@hwhlaw.de

Düsseldorf
Ritterstraße 10
D-40213 Düsseldorf
T +49 211 / 17 16 06 57
F +49 211 / 17 16 06 58
duesseldorf@hwhlaw.de

Stuttgart
Königstraße 26
D-70173 Stuttgart
T +49 711 / 18 56 72 16
F +49 711 / 18 56 74 55
stuttgart@hwhlaw.de

Berlin
Hohenzollerndamm 7
D-10717 Berlin
T +49 30 / 88 56 60-0
F +49 30 / 88 56 60-66
berlin@hwhlaw.de

München
Leonrodstraße 68
D-80636 München
T +49 89 / 24 41 03 8-0

F +49 89 / 24 41 03 8-29
muenchen@hwhlaw.de