Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Beinahe drei Jahre ließ sich der deutsche Gesetzgeber Zeit, um die Richtlinie (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung im Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) umzusetzen, welches am 26. April 2019 in Kraft trat.

Durch die Richtlinie sollte nicht nur ein einheitliches Schutzniveau in den Mitgliedstaaten geschaffen und damit erreicht werden, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen EU-weit ausgetauscht werden können, ohne an Schutz einbüßen zu müssen. Sie war zudem von der  Hoffnung getragen, dass dieser Austausch die Ausschöpfung des Potenzials von Geschäftsgeheimnissen als Triebkraft für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung wirkt.

Durch das Inkrafttreten des GeschGehG wurden eine Reihe von Regelungen – namentlich die §§ 3, 3a, 17 – 19 UWG – ersetzt. Auch die §§ 823, 826 BGB sowie § 1004 BGB analog, welche in der Vergangenheit Grundlage zivilrechtlicher Ansprüche waren, wurden durch speziellere Regelungen abgelöst.

Dieser Blogbeitrag soll zunächst einen Überblick über die relevantesten Regelungen des GeschGehG geben, bevor in der Praxis zu treffende „angemessene“ Maßnahmen betrachtet werden.

1.    Neuerungen durch das GeschGehG

a)    Legaldefinition eines „Geschäftsgeheimnisses“


In Ermangelung einer Legaldefinition betrachtete die Rechtsprechung bis April 2019 jede Tatsache als Geschäftsgeheimnis,  die sich auf ein Unternehmen bezog, nicht offenkundig war und vom Geheimhaltungswillen des Inhabers getragen war, der ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hatte . Es war nicht erforderlich, dass es sich um eine Information mit wirtschaftlichem Wert handelte, die Einordnung als Geschäftsgeheimnis war zudem abhängig vom subjektiven Willen des Geheimnisinhabers, wobei sie sich auch „aus der Natur der geheimzuhaltenden Tatsache“  ergeben konnte.

Mit Inkrafttreten des GeschGehG nahm der Gesetzgeber Abstand von der subjektiv geprägten Definition der Rechtsprechung und schaffte in § 2 Nr. 1 GeschGehG eine Legaldefinition des Geschäftsgeheimnisses. Diese setzt drei Tatbestandsmerkmale voraus. Es muss sich (1) um eine geheime Information handeln, welche aufgrund ihrer mangelnden Bekanntheit von wirtschaftlichem Wert ist. Die Information muss zusätzlich (2) Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen sein und es muss (3) ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung bestehen.   

Erforderlich für das Tatbestandsmerkmal des wirtschaftlichen Werts ist jedoch kein positiv festgestellter Marktwert. Es genügt, dass die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung zu einer negativen Beeinflussung führen kann.  Hinzu kommt, dass die Informationen oftmals bereits unabhängig von der Geheimhaltung wirtschaftlich werthaltig sind. Als ausreichend wird daher angesehen, dass eine Information durch die Geheimhaltung einen (potenziellen) Wertzuwachs erfährt.

Unklar ist bis zum heutigen Tage noch, welche Maßnahmen als angemessen im Sinne des     § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG gelten. Nach der Gesetzesbegründung sind die konkret zu treffenden Maßnahmen abhängig vom Einzelfall. Maßgeblich können beispielsweise der Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten, die Natur der Information oder auch die Bedeutung für das Unternehmen sein.  Die Maßnahmen müssen jedoch lediglich „angemessen“ sein, erfordern also keinen absoluten Schutz oder gar möglichst ideale Schutzmaßnahmen.

b)    Haftungsregelungen

Als weitere maßgebliche Neuerung ist das ausdifferenzierte Haftungssystem des GeschGehG zu betrachten. Bis zu seinem Inkrafttreten existierten lediglich wenige Straftatbestände, welche dem Schutz von Geschäftsgeheimnisse dienen sollten. Heute enthält § 4 GeschGehG eine Auflistung verschiedener Tatbestände, die Rechtsfolgen finden sich in den §§ 6 ff. GeschGehG. Letztere enthalten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche des Geheimnisinhabers gegen den Verletzer, sowie einen Anspruch auf Herausgabe, Rückruf und Vernichtung der das Geheimnis enthaltenden Dokumente. § 8 GeschGehG gewährt dem Geheimnisinhaber ein umfassendes Auskunftsrecht.  

Die strafrechtlichen Konsequenzen der Verwirklichung eines Tatbestandes des § 4 GeschGehG regelt § 23 GeschGehG.

c)    Prozessuale Neuerungen

Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes standen Geheimnisinhaber vor dem Problem, spätestens vor Gericht, wollten sie ihren Prozess gewinnen, die geheimhaltungsbedürftigen Informationen preisgeben zu müssen. Der Fortgeltung des Schutzbedürfnisses während eines Prozesses und über diesen hinaus wird nun durch die §§ 16 ff. GeschGehG Rechnung getragen. Beispielsweise sind gem. § 16 Abs. 2 alle Personen, die an der Geschäftsgeheimnisstreitsache beteiligt sind, zur Geheimhaltung verpflichtet, gem. § 19 Abs. 2 kann die Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen werden.

2.    Praxisanweisungen

In einem ersten Schritt sollte innerhalb des Unternehmens ermittelt werden, welche Informationen besonders schutzbedürftig, insbesondere aufgrund eines andernfalls drohenden wirtschaftlichen Schadens, sind. Sind diese Informationen ausgemacht, bietet sich eine Kategorisierung der Informationen nach Schutzbedürftigkeit an.  Jeweils abhängig von der Kategorie sollten im Anschluss unterschiedlich strenge Schutzmaßnahmen getroffen werden.

Beispielhaft bieten sich folgende Maßnahmen an, um einen angemessenen Schutz zu gewährleisten:

  • Unterlagen, welche Geschäftsgeheimnisse enthalten, sollten als solche gekennzeichnet sein.
  • Ein Need-to-know-Prinzip sollte eingeführt werden. Dies bedeutet, dass nur diejenigen im Unternehmen Kenntnis von Geschäftsgeheimnissen haben sollten, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Gleiches gilt für die Aufbewahrung von Schriftstücken oder Datenträgern, welche Geheimnisse enthalten, sodass wiederum nur diejenigen darauf zugreifen können, die sie tatsächlich benötigen.
  • Technische Geräte sind mit Passwort- und Virenschutz zu versehen. Unter Umständen ist es erforderlich, den Zugriff auf bestimmte Funktionen des Computers oder gewisse Internetseiten zu sperren. Die Verwendung von (privaten) USB-Sticks zur Kopie von geheimhaltungsbedürftigen Informationen sollte unterbleiben.
  • Die hinsichtlich der IT-Sicherheit zu treffenden Maßnahmen sind ausreichend, wenn sie im Wesentlichen den Anforderungen des Art. 32 DSGVO entsprechen.
  • Mitarbeiter sollten eigene Geräte nur dann für die Arbeit mit geheimhaltungsbedürftigen Informationen nutzen dürfen, wenn diese einen den betriebseigenen Geräten vergleichbaren Sicherheitsstandard aufweisen.
  • Arbeitsplätze sollten nur nach Sperrung der Bildschirme bzw. Verschließen der geheimhaltungsbedürftigen Informationen, soweit sie sich in physischer Form vor Ort befinden, verlassen werden.
  • Geschäftsgeheimnisse sollten mit Geschäftspartnern nur nach Abschluss eines Non-Disclosure-Agreements geteilt werden. Der Partner muss garantieren, selbst ein entsprechendes Schutzniveau zu wahren.
  • Mitarbeiter sollten hinsichtlich des Geheimnisschutzes geschult und sensibilisiert werden. Werden neue Mitarbeiter eingestellt, die in besonderem Maße mit geheimhaltungsbedürftigen Informationen in Kontakt kommen werden, sollten präzise Geheimhaltungsklauseln vereinbart werden.
  • Nach Möglichkeit sollte ein Geheimhaltungsbeauftragter ernannt werden, welcher die verschiedenen Maßnahmen koordiniert, auf dem neuesten Stand hält und Schulungen der Mitarbeiter gewährleistet.

3.    Fazit

Das GeschGehG erhöht ohne Zweifel das Schutzniveau für Geschäftsgeheimnisse. Damit verbunden ist jedoch ein nicht unerheblicher Aufwand für Unternehmen, welche nun gehalten sind, ihre Informationen zu kategorisieren und durch angemessene Maßnahmen auf organisatorischer, technischer und auch rechtlicher Ebene entsprechend zu schützen.

So mancher betrachtet das GeschGehG auf Grund der Ausnahmeregelungen in § 5 Nr. 2 GeschGehG als „Freifahrtsschein“ für Whistleblower.  Nach dieser Regelung fällt die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses dann nicht unter die Verbote des § 4, wenn sie der Aufdeckung eines Fehlverhaltens dient und geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Maßgeblich für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses ist dabei allerdings nicht wie im Regierungsentwurf vorgesehen die Absicht des Whistleblowers, es handelt sich stattdessen um eine objektive Voraussetzung.
Die tatsächlichen Auswirkungen der Ausnahmeregelungen auf die Praxis, sowie der zukünftige Umgang mit Hinweisgebern bleiben abzuwarten.

Charlotte Scholtes
wissenschaftliche Mitarbeiterin
17. Januar 2020

 

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Auf ein Neues: Steuer-CD

Vom Umgang mit Kriminellen und Daten in einem verlotterten Rechtsstaat

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Stifterjagd – Mittels Medien zu Millionen

Die Presseberichterstattung im Fall Zumwinkel und dessen angeblichen Beziehungen zur LGT Bank in Liechtenstein, Vaduz, sowie dortigen Stiftungen gibt Anlass für einige kritische Überlegungen.

Die von den Staatsanwaltschaften geführten Ermittlungsverfahren sind grundsätzlich Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die in den Verfahren gesammelten Erkenntnisse unterliegen dem besonderen Schutz der Verschwiegenheit. So hat der Beschuldigte selbst hat kein eigenes Akteneinsichtsrecht, seinem Verteidiger kann die Einsicht verwehrt werden, wenn die Ermittlungen durch die Einsichtnahme gefährdet werden. Insoweit soll die Heimlichkeit die Erkenntnisgewinnung und Wahrheitsfindung durch die Ermittlungsbehörden schützen.

Aber nicht nur die Wahrheitsfindung, auch die betroffenen Bürger sollen durch die Heimlichkeit eines Ermittlungsverfahrens geschützt werden. Da bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens noch ungeklärt ist, ob sich der Bürger strafbar gemacht hat, bedarf er des Schutzes vor öffentlicher Vorverurteilung. Die Unschuldsvermutung gilt fort und der öffentliche Pranger ist weder im Sanktionenkatalog des Strafgesetzbuches noch als Mittel der Fahndung in der Strafprozessordnung vorgesehen. Die für Staatsanwälte geltenden Richtlinien verpflichten diese daher alles zu unterlassen, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann.

Da das Ermittlungsverfahren sowohl zum Schutze des Betroffenen wie auch zum Schutz der Richter und Zeugen vor Beeinflussung heimlich geführt werden soll, sieht § 353d Strafgesetzbuch sogar Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr vor, wenn bestimmte amtliche Schriftstücke aus der Ermittlungsakte öffentlich mitgeteilt werden.

Auch eine steckbriefliche Fahndung in der Öffentlichkeit darf nur unter engen Voraussetzungen erfolgen. Eine solche Fahndungsmaßnahme sieht die Strafprozessordnung (§ 131) nur vor, "bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung ..., wenn andere Formen der Aufenthaltsermittlung erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert" sind. Dies ist nach dem Wortlaut der Strafprozessordnung der einzige Fall, in dem sich die Staatsanwaltschaften während eines laufenden Ermittlungsverfahrens an die Öffentlichkeit wenden dürfen.

All dies gilt umso mehr, wenn das Steuergeheimnis (§ 30 Abgabenordnung) betroffen ist. Der Bruch des Steuergeheimnisses ist mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (§ 355 Strafgesetzbuch).

Gleichwohl war bei der Durchsuchung im Fall Zumwinkel von Anfang an die Presse mitsamt Übertragungswagen vor Ort. Man wird kaum an Zufall glauben können, wenn aus einer langen Reihe angeblicher Verdächtiger dieser äußert prominente Name als erster Fall für die Ermittlungen ausgesucht wird. Dass gerade in einem solchen Fall, dem regelmäßig eine besonders sorgfältige Bearbeitung zugute kommt, vorab Informationen an die Presse durchsickern, ist jedenfalls auffällig.

Eine derartige, faktisch mit einer öffentlichen Vorverurteilung einhergehende Vorgehensweise erscheint nicht zufällig, sondern aus den Bankenverfahren vertraut und vor allem auch nützlich. Wie bereits im Zusammenhang mit den Verfahren wegen Auslandskonten in Luxemburg und der Schweiz oder der Kundenliste eines Schweizer Treuhänders B. wird über die Medien genau das erreicht, was den Ermittlungsbehörden jedenfalls in kurzer Zeit nicht gelingt: Die Berichterstattung über spektakuläre Durchsuchungsmaßnahmen beflügelt den Eingang von Selbstanzeigen und generiert ein hohes Steueraufkommen.

Dass ein solcher Effekt für die Ermittlungsbehörden nicht unerwünscht ist, ist nachvollziehbar: Noch ist unklar, welche Qualität die Informationen haben, auf die sich die Staatsanwaltschaft stützt. Sowohl im Tatsächlichen wie im Rechtlichen ist die Qualität der Unterlagen unbekannt.

Ob eine Verwertbarkeit dieser jedenfalls im Ursprung rechtswidrigen Informationsbeschaffung besteht, bleibt abzuwarten. Eine Unverwertbarkeit ist nach innerdeutschen Regn zwar nur schwer durchsetzbar. Sollte der Staat allerdings gezielt auf rechtswidrige Weise Informationen gesammelt haben, wären diese wohl im Rahmen des Strafverfahrens und unter gewissen Umständen auch im Steuerverfahren unverwertbar. Der Ausgang der wegen dieser Form der Erkenntnisgewinnung erstatteten Strafanzeige bleibt abzuwarten.

Wer hingegen eine Selbstanzeige abgibt, liefert eigenständig Informationen und kann sich auf eine etwaige Unverwertbarkeit der gekauften BND-Unterlagen nicht berufen. Als Stifter muss man sich also entscheiden, ob man mittels Selbstanzeige den sicheren Hafen der Straffreiheit ansteuert oder auf die ungewisse Chance einer Unverwertbarkeit der Informationen vertraut.

Aber auch die tatsächliche Qualität der Unterlagen ist noch unklar. Kann mit Hilfe der überlassenen Unterlagen tatsächlich eine gerichtlich tragfähige Beweiskette geknüpft werden, mit deren Hilfe der Steuerbürger überführt werden kann? Insoweit kommt es entscheidend darauf an, wie belastbar die Kette zwischen der anonymen Stiftung und dem Klarnamen ist. Weiter wird von Bedeutung sein, ob die Unterlagen ein umfassendes Bild der Ertrags- und Bestandsentwicklung bietet oder lediglich Anhaltspunkte für Schätzungen darstellen.

Der Stifter steht auch insoweit vor dem gleichen Dilemma: Die Selbstanzeige verschafft den Behörden steuerlich tragfähige Beweismittel und ihm Straffreiheit, das Abwarten eröffnet ihm hingegen die Chance durchs Netz zu gehen; entweder weil der eigene Name nicht in den Unterlagen auftaucht oder die dort verzeichneten Tatsachen nicht zu einer Besteuerung und Bestrafung hinreichen.

Wie die Qualität der Informationen sich am Ende darstellt, hängt auch entscheidend davon ab, in welcher Form nunmehr die Betroffenen reagieren.

Die wie auch immer erfolgte Einschaltung der Medien dürfte jedenfalls einige Betroffene veranlassen, Selbstanzeige zu erstatten. Die aus den Selbstanzeigen gewonnenen Erkenntnisse werden sodann mit dem BND-Material abgeglichen. Je mehr Selbstanzeigen die Richtigkeit der Unterlagen bestätigen, desto durchschlagender wird die Beweiskraft der Unterlagen auch in den Fällen, in denen keine Selbstanzeige vorliegt. Jede Selbstanzeige erhöht damit die Beweiskraft der rechtswidrigen BND-Unterlagen.

Die öffentliche Berichterstattung ist für die Fahnder also in doppelter Weise dienlich. Zum Einen werden Selbstanzeigen provoziert und so ein vermutlich erhebliches Steueraufkommen generiert. Zum Anderen kann die Beweiskraft der angekauften Unterlagen verifiziert werden und mit umso besseren Argumenten gegen die eine Selbstanzeige verweigernden Stifter vorgegangen werden.

Ob eine Selbstanzeige abgegeben werden soll oder man sich evtl. besser einigelt und das weitere Vorgehen abwartet, ist eine Frage des Einzelfalls und auch der persönlichen Nervenstärke und Finanzdecke. Trotz einiger anderweitiger Meldungen könnten jedenfalls auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt mittels einer Selbstanzeige die steuerstrafrechtlichen Folgen abgewendet werden. Solange kein Fahnder mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Tür steht oder in sonstiger Weise das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren bekannt gegeben wurde, ist eine Selbstanzeige auch noch strafbefreiend möglich.

Dr. Frank Heerspink
Rechtsanwalt

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Endlich: Abschaffung des § 370a Abgabenordnung (AO)

2001 hatte der Gesetzgeber den Straftatbestand einer gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung eingeführt. Dieser § 370a AO war als Verbrechen mit einer hohen Mindeststrafe ausgestattet und entzog sich nicht nur der Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO) sondern auch der Möglichkeit einer Einstellung des Strafverfahrens gegen Geldauflage (§ 153a Strafprozessordnung (StPO)).

Demgegenüber bot die viel kritisierte (vgl. Heerspink AO-StB 2002, 88, AO-StB 2002, 132, m. w. N.) Norm die Möglichkeit besonders intensiver Eingriffsmaßnahmen — etwa der Telefonüberwachung — wie sie sonst nur aus dem Bereich der Bekämpfung von Terrorismus oder organisierter Kriminalität bekannt waren.

§ 370a AO wurde sowohl in der Literatur als auch durch den Bundesgerichtshof kritisiert. Mehrfach hatte der für Steuerstrafsachen zuständige 5. Strafsenat darauf hingewiesen, dass der Tatbestand wohl zu unbestimmt und damit verfassungswidrig sei. Die damalige Vorsitzende Richterin des 5. Strafsenats hatte von einem "völlig konturenlosen" Tatbestand gesprochen (Harms, FS-Kohlmann, 2003, 423).

Die massive Kritik hatte den Gesetzgeber bereits in der Vergangenheit zu Korrekturen veranlasst. Da die Kritik gleichwohl nicht nachließ, hat sich der Gesetzgeber nunmehr entschlossen, die Norm aufzuheben. An ihre Stelle tritt ein neues Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO). Danach liegt ein schwerer Fall in der Regel vor, wenn der Täter "als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt". Gemeint sind Fallgestaltungen so genannter Umsatzsteuerkarusselle.

Wie bisher ist auch durch die Neufassung die Verhängung von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe möglich. Die Neufassung ist aber wesentlich flexibler in der Rechtsanwendung und ermöglicht sowohl die Einstellung gegen Geldauflage als auch eine strafbefreiende Selbstanzeige. Bei einer insgesamt klareren und nachvollziehbareren Gesetzesfassung, die sich auf die Umsatzsteuerkarusselle begrenzt, ist damit eine begrüßenswerte Neufassung des Steuerstrafrechts erfolgt.

Dr. Frank Heerspink
Rechtsanwalt

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Es knarrt im Scharnier zwischen Steuerrecht und Strafrecht

"Die Verhinderung und Bekämpfung der Korruption gehört zu den zentralen gesellschaftspolitischen Aufgaben" (Bundesregierung laut Entwurf-Drucks. 16/6558).

Korruption ist in aller Munde ─ Fahrten von Aufsichtsräten kommunaler Energieversorger, ausländische Großbaustellen Münchner Anlagenbauer, schwedische Möbelhäuser, Verkauf von Flugzeugen, Einkaufsleiter süddeutscher Automobilbauer, Vetternwirtschaft in Brüssel, Zahlungen an Schiedsrichter und Betriebsräte, "schwarze Kassen".

Die Bundesregierung will vor diesem Hintergrund die schon bestehenden scharfen Regeln noch weiter verschärfen (Entwurf vom 04.10.2007 eines Strafrechtsänderungsgesetz ─ Drucks. 16/6558). Die einkommensteuerliche Mitteilungspflicht des § 4 Abs. 5 Nr.10 EStG, laut der Betriebsprüfer und Finanzämter jeden Korruptionsverdacht melden müssen, bekommt somit zunehmende Bedeutung. Diese Denunzierungspflicht widerspricht allerdings der Wertneutralität des Steuerrechts (§ 40 AO).

Steuer- und Strafrecht sind insoweit schlecht miteinander verzahnt.

I. Mitteilungsbefugnis

Amtsträger unterliegen der Mitteilungspflicht des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG, haben aber auch das Steuergeheimnis zu wahren (§ 30 Abs. 1 AO). Verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis, macht er sich strafbar (§ 355 StGB). Von diesem Schutz werden auch amtlich erlangte Kenntnisse über Allgemeinstraftaten also beispielsweise über Korruptionsdelikte€” erfasst.

1. Erkenntnisse aus der Steuererklärung des Bestochenen

Gibt jemand in seiner Steuererklärung wahrheitsgemäß an, dass er Bestechungsgelder eingenommen hat, erfüllt er seine mit Zwangsmitteln erzwingbaren (§§ 328 ff. AO)€” steuerlichen Erklärungspflichten. Darf das Finanzamt von der so erlangten Kenntnis Mitteilung an die Staatsanwaltschaft machen?

a) § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG
Eine Mitteilungsbefugnis gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG besteht keinesfalls, denn diese Norm befasst sich nur mit der „Zuwendung von Vorteilen” nicht mit dem Empfang von Vorteilen. Erfasst wird entsprechend dem Regelungsgehalt des § 4 EStG€” lediglich die Betriebsausgabenseite, nicht die Einnahmenseite.

b) § 30 Abs. 4 AO
§ 30 AO kennt Ausnahmen vom Steuergeheimnis. Hier käme § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b) AO in Betracht. Diese Norm fordert das "Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses (zur Verfolgung von) Wirtschaftsstraftaten …, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören und das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Richtigkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern" (Hervorhebung des Verfassers).

Selbst wenn man in konkreten Einzelfällen zu einer Bejahung der Tatbestandsmerkmale der Norm kommen sollte, scheitert eine darauf basierende Mitteilung. Die Norm ist verfassungswidrig, jedenfalls soweit sie zum Zwecke der Strafverfolgung eingesetzt wird. Da der Steuerpflichtige unter Androhung von Zwangsmitteln (§ 328 ff. AO) zu wahrheitsgemäßen Angaben hinsichtlich aller ─ auch strafbarer (§ 40 AO) — Einnahmequellen verpflichtet ist, gibt es keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für eine hierauf gestützte Strafverfolgung.

Der Steuerpflichtige wird durch das nemo-tenetur-Prinzip geschützt, also seinem verfassungsrechtlichen Recht, sich strafrechtlich nicht selbst belasten zu müssen (str., vgl. Heerspink, AO-StB 2006, 51 ff.; FGJ-Joecks, Steuerstrafrecht, § 393, RN 71 ff.; insoweit problematisch: BGH v. 2.12.2005 ─ 5 StR 119/05 ─ BGHSt 50, 299). Niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten.

2. Erkenntnisse aus der Steuererklärung des Bestechenden

Führt jemand seine Buchhaltung unter Einbeziehung verausgabter Bestechungsgelder, erfüllt er seine steuerlichen Pflichten. Werden die gebuchten Bestechungsgelder nicht als Betriebsausgaben angesetzt (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG), wird steuerpflichtgemäß agiert.

Da die Bestechungsgelder nicht als Betriebsausgaben angesetzt wurden, hat das Finanzamt auch in diesem Fall keine Mitteilungsbefugnis aus § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG (str., vgl. im Einzelnen Heerspink, AO-StB 2001, 47 ff.).

Selbst der BMF-Erlass vom 10.10.2002 (IV A6-S2145-35/02) verweist unter Textziffer 32 darauf, dass eine Mitteilungspflicht im Regelfall entfällt, wenn eine Vorteilszuwendung aufgedeckt wurde, die nicht zu einer Betriebsausgabe geführt hat. Laut Erlass entfällt eine Mitteilung auch, wenn einem Benennungsverlangen nicht nachgekommen wird und daher eine angesetzte Betriebsausgabe nach § 160 AO außer Ansatz bleibt oder ein Betriebsausgabenabzug ohnehin bereits an § 12 EStG scheitert.
Danach mag die Einladung zur Prunksitzung des Traditionsvereins, dessen Vereinsmitglied man zudem ist, eine strafbare Vorteilsgewährung sein (und wird einem Ermittler ohne Sinn für die rheinländische Sozialadäquanz (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 331 RN 25) jedenfalls so vorkommen).

Da die Kosten aber als gemischt betrieblich und privat veranlasst gelten (vgl. Nachw. bei Schmidt-Drenseck, EStG, § 12 RN 25 „Karneval”), scheitert ein Ansatz als Betriebsausgaben ohnehin am Abzugsverbot des § 12 EStG, so dass § 4 EStG nicht anwendbar ist; im BMF-Schreiben heißt es wie folgt:

Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG

3 ….

4 Die Regelung findet nur Anwendung, wenn es sich bei den Aufwendungen um Betriebsausgaben oder Werbungskosten handelt. Sind die Aufwendungen auch privat mitveranlasst, fallen sie unter das Aufteilungs- und Abzugsverbot nach § 12 EStG; bei gesellschaftsrechtlicher Veranlassung handelt es sich um verdeckte Gewinnausschüttungen.

Mitteilungspflicht der Finanzbehörde § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 3 EStG)

31 …

32 Eine Mitteilungspflicht besteht im Regelfall nicht schon dann, wenn das Abzugsverbot nicht anwendbar ist (insbesondere bei privat mitveranlassten Aufwendungen, Tz. 4, bei einer Vorteilszuwendung, die nicht zu einer Betriebsausgabe geführt hat, z.B. bei verbilligten Darlehen, Tz. 7, bei Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 EStG oder bei Anwendung des Abzugsverbots wegen Nichtbefolgung eines Benennungsverlangens nach § 160 AO, Tzn. 34 bis 37). …

Trotz Anfangsverdacht einer Korruptionstat entfällt eine Mitteilungspflicht, weil das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 S. 1 EStG nicht angewendet werden muss; der fehlende Betriebsausgabenansatz wird anderweitig erzielt.

Wenn eine Mitteilung stets entfällt, wenn ein anderweitiges Abzugsverbot besteht, kann man den Steuerbürger, der von Anfang an vom Ansatz abgesehen hat, nicht schlechter behandeln. Denjenigen zu privilegieren, der die Betriebsausgaben ansetzt aber die Empfänger nicht benennt (Fall des Abzugsverbot gemäß § 160 AO), kann nicht überzeugen.

3. Erkenntnisse aus einer Selbstanzeige

Die Abgabe einer Selbstanzeige erfolgt in der (nachholenden) Erfüllung steuerlicher Pflichten. Allerdings ist die Position des Steuerpflichtigen hier schwächer, denn eine Selbstanzeige ist nicht durch Zwangsmittel erzwingbar, so dass das nemo-tenetur-Prinzip jedenfalls nicht unmittelbar greift (vgl. Heerspink, AO-StB 2006, 5154). Im Ergebnis kann aber nichts anderes gelten, da die Selbstanzeige nur dann die ─ gesetzgeberisch erwünschte ─ Rückkehr zur Normtreue ermöglicht, wenn die Angaben im Rahmen der Selbstanzeige nicht zum Anknüpfungspunkt der Strafverfolgung gemacht werden können (FGJ-Joecks, Steuerstrafrecht, § 393, RN 55). Es gilt also das bereits oben Ausgeführte entsprechend.

4. Ermittlungsergebnisse der Betriebsprüfung

Da der Steuerpflichtige auch im Rahmen der Betriebsprüfung mitwirkungsverpflichtet (§ 200 AO) und dies auch mit Zwangsmitteln durchsetzbar (§§ 328 ff. AO) ist, gilt hier nichts anderes als im Rahmen der Erkenntnisgewinnung durch Abgabe einer Steuererklärung. Erst der Wegfall der Erzwingbarkeit der Mitwirkung durch Einleitung des Steuerstrafverfahrens würde zur Verwertbarkeit der sodann erzielten Erkenntnisse führen.

5. Ermittlungsergebnisse eines Steuerstrafverfahrens

Ermittlungsergebnisse, die die Steuerfahndung im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens gewinnt, dürfen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden. Für den Teil der weitergeleiteten Erkenntnisse, der auf den steuererheblichen Ursprungsangaben beruht, gilt aber gemäß § 393 Abs. 2 AO ein strafrechtliches Verwertungsverbot, so dass insoweit keine Strafe verhängt werden darf.
Beispiel: Im Steuerfahndungsbericht wird festgehalten, dass mit Scheinselbständigen gearbeitet und daher Lohnsteuern und Sozialversicherungsabgaben verkürzt und zudem die Aufträge mit Hilfe von Bestechungsgeldern akquiriert wurden. Letztere wurden nicht als Betriebsausgaben angesetzt. Dürfte dieser Bericht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden?

Da neben der Lohnsteuerhinterziehung ein Allgemeindelikt (Nichtabführung von Sozialversicherungsabgaben, § 266a StGB) gegeben ist, besteht eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft (§ 386 AO). Darf diese aber auch die Erkenntnisse hinsichtlich der Auftragsakquisition erhalten und ggf. verwenden?

§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG greift nicht, denn die Bestechungsgelder wurden nicht als Betriebsausgaben steuerwirksam gebucht.

Auch eine Mitteilungsbefugnis gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b) AO wird nicht gegeben sein; diese ist verfassungswidrig (str.), jedenfalls aber äußerst restriktiv auszulegen (s. o.).
Jedoch greifen in dem geschilderten Fall die Offenbarungsbefugnisse des § 30 Abs. 4 Nrn. 1 und 4 AO. Da die Mitteilung zur Durchführung des Strafverfahrens wegen Lohnsteuerhinterziehung und Sozialabgabenverkürzung erforderlich ist, dürfen die Erkenntnisse über die Verausgabung von Bestechungsgeldern mitgeteilt werden. Dies gilt jedenfalls, sofern sie nicht abgeschichtet werden können€” z.B. weil sich die Komplexe vermischen.

Da die Erkenntnisse über die Verausgabung von Bestechungsgeldern aber auf steuerpflichtgemäßem Verhalten einer ordnungsgemäßen Buchführung beruhen, dürfen sie gemäß § 393 Abs. 2 AO nicht verwendet werden. Für sich betrachtet unterliegt die Erkenntnis über die Verausgabung von Bestechungsgeldern dem Steuergeheimnis, sie wird nur als Annextatsache aufgrund der Unlösbarkeit der übrigen strafverfolgungsrelevanten Komplexe mitgeteilt.

6. Konsequenz

Das nemo-tenetur-Prinzip widerstreitet bei freiwillig gemachten Pflichtangaben einer Mitteilung an die Staatsanwaltschaft. In diesen Fällen wird durch die Mitteilung § 355 StGB verletzt.

Eine Verletzung scheidet nur dann aus, wenn freiwillig gemachte Pflichtangaben über strafbares Verhalten als Annex zu mitteilungsrelevanten Tatsachen offenbart werden. In diesen Fällen greift zum Schutz des Steuerpflichtigen lediglich ein Beweisverwertungsverbot.

Freiwillig gemachte steuerliche Angaben dürfen nicht in eine strafrechtliche Selbstbelastung umfunktioniert werden.

III. Offenbarungsvoraussetzung: Anfangsverdacht

Zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses ist mindestens der Anfangsverdacht einer Straftat zu fordern. Eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft zur Prüfung, ob ein Anfangsverdacht überhaupt vorliegt, wäre rechtswidrig. In einem derartigen Falle würde das Steuergeheimnis durchbrochen, obwohl noch kein Anfangsverdacht bejaht wurde. Der Durchbrechung des Steuergeheimnisses würde in einem solchen Fall der rechtfertigende Grund fehlen, so dass der Amtsträger sich strafbar (§ 355 StGB) machen würde.

Die Finanzverwaltung muss also in eigener Kompetenz prüfen, ob ein Anfangsverdacht vorliegt. Nur wenn sie diesen bejaht, darf sie abgeben.

IV. Verfall und seine Rückwirkung auf den Inhalt der Mitteilungspflicht

Vorteile, die aus strafbaren Taten erwachsen, unterliegen grundsätzlich dem Verfall (§§ 73 ff. StGB). Gleichzeitig sind sie aber auch steuerpflichtige Einnahmen (vgl. § 40 AO). Gibt man das bezogene Bestechungsgeld nicht an und fällt dies im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens auf, kommt es zu folgender Merkwürdigkeit: Das Schmiergeld wird nachversteuert (§ 40 AO). Das Steuerstrafverfahren wird an die Staatsanwaltschaft abgegeben (§ 386 AO, § 30 Abs. 4 Nrn. 1 und 4 AO). § 393 Abs. 2 AO bietet keinen Schutz, denn die weitergegebenen Daten basieren auf der Hinterziehung, sind also nicht solche, die der Steuerpflichtige in Erfüllung steuerlicher Pflichten und vor der Bekanntmachung eines Strafverfahrens preisgegeben hätte.

Mangels Verwertungsverbots kann das Gericht im Rahmen des Urteils das erlangte Bestechungsgeld für verfallen erklären (§§ 73 ff. StGB). Vom Verfallsbetrag wird eine etwa schon bezahlte Steuer in Abzug gebracht (str., vgl. Heerspink, AO-StB 2003, 173 ff.). Der Verfallsbetrag ist wiederum eine negative Einnahme und steuerlich zu berücksichtigen (BFH v. 6.4.2000 - IV R 31/99, BStBl. II 2001, 536 ff.). Soweit bilanziert wird, kann eine entsprechende Rückstellung gebildet werden (BFH v. 20.3.2001 ─ IX R 97/97 ─ BB 2001, 1830).

Im Ergebnis wirkt sich die Arbeit der Steuerfahndung für den Fiskus nicht aus. Denn der Einnahmeerhöhung durch Ansatz des Bestechungsgeldes steht in gleicher Höhe die Minderung der Einnahmen aufgrund Verfalls gegenüber; ein steuerliches Mehrergebnis entstünde allenfalls zufällig aufgrund Periodenverschiebung.

Wollte man also eine Mitteilungspflicht der Finanzbehörden auch für den Fall annehmen, dass der Steuerpflichtige aktiv die eigene Bestechlichkeit und die damit verbundenen Einnahmen offenbart, und wollte man weiter annehmen, dass jegliche Mitteilung zum Zwecke der Ahndung der Bestechlichkeit verwertbar ist, würde man die Finanzbehörden zu bloßen Aufdeckungsgehilfen der Staatsanwaltschaft degradieren und den Steuerpflichtigen systematisch zum Beweismittel gegen sich selbst machen. Denn bei konsequenter Anwendung einer Mitteilungspflicht und Verneinung eines strafrechtlichen Verwertungsverbots sind keine Mehreinnahmen zu erzielen.

Dann aber könnte in der Angabe einer Bestechungseinnahme keine steuerliche Pflicht mehr liegen, denn steuerliche Ziele könnten mit einer derartigen Erkenntnisgewinnung nicht verfolgt werden. Der Steuerpflichtige würde mittels des Steuerrechts lediglich gezwungen, strafrechtliches Beweismaterial gegen sich selbst zu liefern. Die Pflicht zur Erklärung von Einnahmen wäre somit ein strafrechtlicher Geständniszwang. Eine solche Regelung wäre mit § 136a StPO und Verfassungsrecht unvereinbar.
Dieses Ergebnis zeigt die Widersinnigkeit einer extensiven Auslegung der Mitteilungspflicht. Fiskalisch ist dergleichen nicht begründbar.

Wenn aber kein fiskalischer Grund vorhanden ist, kann die Mitteilungspflicht nur strafrechtlich begründet sein. Bei einer strafrechtlichen Motivation muss die Mitteilung aber immer dann ausscheiden, wenn aus strafrechtlichen Gründen ohnehin keine Strafbarkeit in Betracht kommt. Dies ist etwa bei einer strafrechtlichen Unverwertbarkeit der Fall, also stets dann, wenn der Steuerpflichtige sich zwar korruptiv aber steuerehrlich verhalten hat.

V. Fazit

Es ist reichlich unübersichtlich geworden vor lauter Verfolgung hehrer Ziele. Das Steuerrecht wird systemwidrig zur Verfolgung außersteuerlicher Zwecke — der Brandmarkung von Korruption €” aufgeladen. Dabei wird das eigentliche Ziel des Steuerrechts — die Finanzierung des Gemeinwesens €” verfehlt. Die aus dem berechtigten Ansatz der Wertneutralität folgende Besteuerung illegaler Einkünfte muss aber auch "moralisch" durchgehalten werden. Wer zur Angabe gesetzeswidriger Einnahmen auffordert, darf vor lauter Moralität nicht die gesetzeskonform gemachten Angaben zur Bekämpfung eben dieser Steuerbürger machen; pecunia non olet. Wer sich an dieser Weisheit Vespasians nicht orientieren will, soll seine steuerliche Nase nicht in den Bodensatz des Wirtschaftslebens stecken.

Dr. Fank Heerspink
Rechtsanwalt

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